Historie:Ein Areal mit Geschichte

Die Gebäude in Obergiesing beherbergten einst die größte Dienststelle der NSDAP, dann die US-Militärregierung - heute nutzt sie unter anderem die Polizei

Von Hubert Grundner

Das Gelände der ehemaligen McGraw-Kaserne, das jetzt überplant wird, hat eine spannende Vergangenheit: Auf dem Areal verdichtet sich ein Stück deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts auf exemplarische Weise. Einschneidend war das Jahr 1934, als die NSDAP das Grundstück zwischen Tegernseer Landstraße, Peter-Auzinger- und Soyerhofstraße kaufte. Bis dahin hatte es der Wagen- und Maschinenfabrik Gebr. Beißbarth gehört. Im "Kulturgeschichtspfad" für Obergiesing-Fasangarten ist der weitere Werdegang knapp skizziert: So entstanden auf dem verkehrstechnisch günstig gelegenen Areal von 1935 an die Gebäude der Reichszeugmeisterei, des Reichsautozugs Deutschland und des Hilfszugs Bayern. Neben Dienstgebäuden und Wohnblocks zur Unterbringung der Beschäftigten wurden unter anderem ein Fernheizwerk, eine Großgarage, Werkstätten, eine Tankstelle und eine Zeltwäscherei errichtet. Die Reichszeugmeisterei war das zentrale Beschaffungsamt der NSDAP und entwickelte sich zu deren größter Dienststelle. Sie kontrollierte die Herstellung und den Vertrieb aller parteiamtlichen Ausrüstungsgegenstände und Uniformen von den Hakenkreuzfahnen bis zu Parteiabzeichen.

Gegenüber, auf der anderen Seite des McGraw-Grabens, steht ein weiteres wuchtiges Zeugnis monströser Nazi-Architektur mit 13 400 Quadratmetern Grundfläche, 100 Metern Breite und 145 Metern Länge: die "Halle 19", eine freitragende Stahlträgerkonstruktion mit weit gespanntem Satteldach. Das Bauwerk würdigt das Landesamt für Denkmalschutz als "besondere ingenieurtechnische Leistung". In der Halle stellte die NSDAP die 160 Fahrzeuge des Hilfszuges Bayern ab, der bei Massenveranstaltungen für die Verpflegung und den Sanitätsbereich zuständig war. Von 1938 an wurden die mobile Großküche, der Operationswagen, die Lazarettzelte und die Wohnzeltanlage des Hilfszugs bei der Besetzung Österreichs, der Sudetengebiete und der Tschechoslowakei eingesetzt. Ansonsten diente er als Unterstützungsflotte für den "Reichsautozug Deutschland". Dies waren Gefährte für Großveranstaltungen mit Lautsprecheranlagen. Sie parkten wiederum in einer Garage entlang der Soyerhofstraße, wo heute die Turnhalle für den Polizei-Dienstsport sowie die Probebühne der Staatsoper untergebracht sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die US-Armee die weitgehend unzerstörten Gebäude als Kaserne und benannte sie 1948 nach dem im Rheinland gefallenen Gefreiten Francis X. McGraw (1918-1944). Die McGraw-Kaserne war zunächst Sitz der Militärregierung für Bayern. Mit den Amerikanern kam 1950 dann auch eine Außenstelle der "University of Maryland" nach Obergiesing. Wobei der kastenförmige Bau, den diese an der Südwestecke des Areals bezog, früher als SS-Schule fungiert hatte. Nach dem Abzug der US-Truppen rückten schließlich deutsche Ordnungskräfte nach. Die Polizei lagerte zum Beispiel Radargeräte in dem Gebäude, inzwischen ist es geräumt und gesperrt. Wer zuvor noch ins Innere durfte, der konnte einen eigentümlichen, fast magischen Raum erleben, der das amerikanische Lebensgefühl der Fünfzigerjahre konservierte: Im ersten Stock befand sich das "McGraw Theater", ein altes Kino mit eingestaubten, steil abfallenden Sitzreihen. Die Vorhänge vor der Leinwand waren nur halb zugezogen, so als würden sie sich gleich öffnen und Elvis Presley zu sehen und zu hören sein.

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