Süddeutsche Zeitung

Hip-Hop:Sonderzug der Punker

Lesezeit: 2 min

Die "Antilopen Gang" bittet die Münchner zur Demo in Hanau

Von Jürgen Moises, München

Wie versteckt man eine Rockband auf der Bühne? Vor drei Jahren im Münchner Technikum hat das die Düsseldorfer Antilopen Gang mit noch recht einfachen Drehkulissen gemacht, hinter denen irgendwann ein Gitarrist, ein Bassist und ein Schlagzeuger hervorkamen. Auf der aktuellen Tour zum vierten Album "Abbruch Abbruch" sieht das nun professioneller aus. Da gibt es auf der Bühne der ausverkauften Muffathalle ein großes, silbernes Halbrund. Das geht nach dem Intro, "We Are The Champions" von Queen, zu buntem Geflimmer oben erst ein Stück weit auf und enthüllt, so wird sie alsbald vorgestellt: DJ Jenny Sharp. Ein paar Nummern später öffnet sich das Ding komplett und: Tada! Da ist die Band.

Wie versteckt man sich als Punker auf der Bühne? Indem man den Hip-Hopper mimt. Denn dass die Rapper Koljah, Danger Dan und Panik Panzer eigentlich verkappte Punker sind, das haben sie mit der Punk-Version ihres Albums "Anarchie und Alltag" bewiesen, die auf Platz 1 der Charts landete. Das zeigen sie durch Anspielungen auf Bands wie Fehlfarben und Slime. Und das beweisen sie mit ihrer Haltung auf jedem Konzert, das früher oder später zur Punk-Sause mutiert. Dieses Mal geschieht das bei der siebten Nummer, "Der goldene Presslufthammer". Danger Dan ruft das Publikum zur Bildung einer Schneise auf - und ab geht der Pogo.

Poppige Melodien und kuschelige Balladen gibt es aber genauso, etwa "Keine Party" oder "Ölsardinenindustrie", das Danger Dan alleine am Piano singt. In Songs wie "2013" und "Wie wir leben" blicken die Antilopen melancholisch, selbstkritisch zurück. Und in "Outlaws" zelebrieren sie sich als Außenseiter im Deutschrap, was sie auf positive Art auch sind.

Der Anschlag in Hanau ist ebenfalls ein Thema. Die Düsseldorfer erzählen, dass am nächsten Morgen ein Sonderzug zu einer Demo in Hanau fahren werde. Dann spielen sie das Stück "Beate Zschäpe hört U2", in dem die Salonfähigkeit rechter Parolen kritisiert wird. Erwartete Hits wie "Enkeltrick" gibt es natürlich auch. Sowie einen Gastauftritt des Münchner Rappers Lea-Won, der mit "Ausbürgerungsantrag" jenen Song vorträgt, wegen dem er 2019 als angehender Lehrer mit der bayerischen Regierung aneinandergeriet. Der Rest der gut zwei Stunden ist die bewährte, unterhaltsame Antilopen-Gang-Mischung aus Gesellschaftskritik, bissigem Humor und vor allem: Party. Wie bei den munter hingerotzten Zugaben "Fick die Uni" und "Anti Alles Aktion". Da geht, inklusive großem Rempel-Tanzbereich, wieder voll der Punk ab.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4813297
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.