Hinter Glas:Der geteilte Himmel

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Catherina Hess)

Im Schaufenster der Moosacher Pelkoven-Apotheke ist regelmäßig Kunst zu bewundern

Von Anita Naujokat

Im Gesicht Furcht, Entsetzen und Angst, flüchtet die Frau mit dem schreienden Mädchen an der Hand. Einmal in Nahaufnahme, einmal kleiner im Hintergrund. Wovor sie davonlaufen, ist nicht zu sehen, aber man ahnt, sie rennen um ihr Leben. Darüber ein anderes Fluchtfoto. Rechts davon eine Aufnahme der Wieskirche, die zum Bistum Augsburg gehört. Und die Wörter "Heimat", "Flucht", "Verlorene Heimat" auf der meist blauen Leinwand.

"Der geteilte Himmel" nennt die Künstlerin Rosina Zimmermann ihre Collage aus Zeitungsausschnitten mit Pigmenten, die im November und Dezember als "Kunst im Schaufenster" in der Pelkoven-Apotheke nahe dem Bahnhof Moosach hängt (). "Geteilt" deshalb, weil sein Blau für die einen im übertragenen Sinn tatsächlich der Himmel auf Erden ist, andere unter dem gleichen Blau dagegen keinen Himmel auf Erden haben. Die beschauliche Wieskirche als Symbol für die eigene Heimat, wohingegen andere keine mehr haben. Die Pelkoven-Apotheke widmet den Kunstschaffenden im Stadtbezirk ein ganzes Schaufenster. Der Kulturverein "Die Linie 1" bestückt es mit Flyern, Plakaten und Ankündigungen - und alle zwei Monate wechselnd, einem Kunstwerk. Inhaberin Mandana Fatemi hat zwar erst im Juli die Apotheke übernommen, will die Praxis ihres Vorgängers aber fortsetzen.

Nein, Weihnachten hatte Rosina Zimmermann bei der Auswahl ihres Bildes nicht im Hinterkopf. Das Thema hat sie berührt, seit sie für eine Privatinitiative Kleidung für Flüchtlinge sortiert hat. Wobei die aus Augsburg stammende Architektin statt der Wieskirche als Sinnbild der sicheren und beschaulichen Heimat auch die Sankt-Martins- oder Heilig-Geist-Kirche hätte nehmen können, lebt sie doch seit beinahe 40 Jahren in Moosach. Seinerzeit hatte sie ihre Wohnung in Hamburg gegen ein kleines Haus in Moosach getauscht, wo sie immer noch wohnt.

Während ihrer Zeit als Architektin hat sie sich regelrecht nach Farben gesehnt. "In der Architektur ist alles durchstrukturiert, alles durchgeplant, alles grau. Es gibt ganz wenig Farbe", sagt sie. In der Kunst hat sie die Farben gesucht. Für sie hat jede Farbe ihren eigenen Geschmack. "Rot brennt, berührt, regt auf", sagt sie. "Blau wie im ,Geteilten Himmel' hat etwas Meditatives, geht in die Seele hinein." Wichtiger, als ihre Werke zu zeigen, ist ihr dabei der Prozess: das Machen, das Entstehen, das ständige Suchen, Hinterfragen, Einreißen und Wiederaufbauen. Der Ausdruck des Gegensätzlichen, wie im Titel ihrer derzeitigen Ausstellung "go to paradise - lost paradise" im KOM in Olching. Er würde auch gut zum Thema Flucht, Heimat, verlorene Heimat im Schaufenster der Pelkoven-Apotheke passen, dreht sich aber um unseren Umgang mit Ressourcen.

Mit der Adventsserie "Hinter Glas" schaut die Stadtviertel-Redaktion hinter sehenswerte, nicht nur weihnachtlich geschmückte Fenster.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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