Hinter den Masken:Mann hinter Glas

Klinik-Pförtner Ulrich Koffler fühlt sich so deutlich sicherer

Von Anna Hoben

Seit 41 Jahren arbeitet Ulrich Koffler schon im Klinikum Harlaching, die Hälfte davon an der Information - doch erst Corona brachte dem Pförtner eine Sache, die er sich schon seit Langem gewünscht hatte. Eine unscheinbare Sache, eine durchsichtige gar. Ulrich Koffler ist jetzt durch eine Plexiglasscheibe getrennt von den Menschen, die zu ihm an die Theke kommen: weil sie jemanden besuchen möchten, weil sie eine Telefon- oder Fernsehkarte brauchen oder weil sie sich über das Essen beschweren wollen. "Ich wollte immer schon so eine Scheibe", sagt Koffler, "wegen der Ansteckungsgefahr, aber auch wegen des Datenschutzes". Jetzt hat er endlich eine.

Früher ist er im Fahrdienst tätig gewesen. Das konnte er irgendwann nicht mehr machen, wegen seiner Lunge. Damals ließ er sich an den Empfang versetzen, wo er sich die Schichten mit seinem Kollegen Mathias Bauer teilt. Der kommt während des Gesprächs hinter der Plexiglasscheibe dazu - 15 Uhr, Schichtwechsel. Die beiden sind ein eingespieltes Team. "Wir ergänzen uns gut", sagt Bauer, und Koffler nickt zustimmend. Der 62-Jährige sitzt auf einem barhockerhohen Schreibtischstuhl, damit er den Menschen, die an seine Theke treten, auf Augenhöhe begegnen kann. Die Arbeit sei anders geworden in der Corona-Krise, sagt er, schwieriger. "Sie nimmt uns mehr in Anspruch." Manchmal sei es stressig. "Aber ich kann gut mit Stress umgehen. Außerdem vergeht die Zeit dann schneller." Sie arbeiten jetzt auch mit den Sicherheitsleuten zusammen, die neuerdings am Eingang die Einhaltung der Besuchsregeln kontrollieren. Gerade bringt der Sicherheitsmann eine Besucherin zur Information, sie hat eine Sondererlaubnis. Koffler erklärt den Weg: ein Stockwerk hoch, dann zweimal rechts, einmal links. Später wird noch eine Frau kommen, die nur weiß, dass ihr Bruder am Kopf operiert wurde - wo er liegt, weiß sie nicht.

Was sie schon alles erlebt haben hier am Empfang; Ulrich Koffler und Mathias Bauer schauen sich nur an und fangen an zu grinsen. Kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr sei ein Herr mit einer hochschwangeren Frau hereinspaziert, erzählt Bauer. Sie sei zur Toilette gegangen und habe plötzlich um Hilfe geschrien. Da war der Kopf des Babys schon da - und er, Bauer, sei kurzerhand als Hebamme eingesprungen. Auch sonst scheut er nicht davor zurück, selbst Hand anzulegen. Er geht schon mal mit aufs Zimmer, richtet ein Telefon ein, übernimmt eine kleine Reparatur an einer Schranktür oder bringt einer Patientin einen abgegebenen Blumenstrauß.

Es komme viel Positives zurück, sagen die beiden Pförtner - "zu 99 Prozent sind die Menschen sehr dankbar". Auch Bauer, der früher auf Montage unterwegs war, als Zimmermann auf Baustellen, und sich später in der Klinik um die OP-Logistik kümmerte, hat aus gesundheitlichen Gründen an den Empfang gewechselt. Er leidet an einer Polyneuropathie, einer Nervenerkrankung. "Aber sobald ich hier bin und andere Patienten sehe", sagt er, "vergesse ich meine Schmerzen". Er ist gern an seinem Arbeitsplatz, genau wie Ulrich Koffler. "Das ist mein Wohnzimmer", sagt er und dreht sich auf seinem hohen Schreibtischstuhl, "es ist mein Zuhause".

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