Hilfe:Längst kein Nischenthema mehr

Hilfe: Sozialpädagogin Stephanie Gerlach

Sozialpädagogin Stephanie Gerlach

(Foto: Catherina Hess)

Von Geburtsvorbereitung bis Paarberatung - ein Zentrum unterstützt Eltern, die nicht ins klassische Familienbild passen. Der Bedarf wird immer größer

Von Melanie Staudinger

Montagnachmittag treffen sich die ganz Kleinen. Eltern mit Babys können an der Krabbelgruppe teilnehmen. Mittwochs am frühen Abend sind die älteren Kinder dran, wenn die Zwei- bis Vierjährigen mit ihren Müttern und Vätern zur Spielgruppe zusammenkommen. Immer am ersten Dienstag im Monat bietet die Regenbogenberatungsstelle in Zusammenarbeit mit dem Schwulen Kommunikations- und Beratungszentrum Sub die Gruppe "Vater, Vater, Kind" an. Und von Oktober an können Lesben, Bi-Frauen und Trans-Personen am Geburtsvorbereitungcrashkurs teilnehmen.

Das Programm von "Treffpunkt, Fach- und Beratungsstelle Regenbogenfamilien", wie das 2016 gegründete und vom Verein Lesbentelefon getragene Regenbogenfamilienzentrum offiziell heißt, ist gut gefüllt. Insgesamt 156 Stunden Gruppenangebote gab es dem Jahresbericht zufolge im vergangenen Jahr. Dazu kamen 258 Stunden in der Beratungsarbeit: 21 Menschen suchten die Einzelberatung auf, 95 die Paarberatung. Mit 180 Leuten wurde per E-Mail kommuniziert, mit 300 weiteren telefonisch. Das Zentrum registrierte 616 Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei Veranstaltungen, Fachgesprächen und Fortbildungen, bot 24 Stunden offene Angebote wie Brunch an mit durchschnittlich 23 Besuchern. Auch Freizeitangebote für Kinder, Kreativnachmittage etwa oder Empowermenttage für Grundschüler fanden statt.

Die Statistik zeigt, wie groß der Bedarf an Beratung, Austausch und Vernetzung in den Familien ist, die nicht nach dem klassischen Verständnis Vater-Mutter-Kind aufgebaut sind. Das Beratungszentrum wendet sich an die Familien mit einem oder mehreren Elternteilen, die sich selbst als lesbisch, schwul, bisexuell, trans oder queer identifizieren, ist aber nach eigenen Angaben auch offen für weitere "nicht-heteronormative Familienkonstellationen".

Die Mitarbeiter Stephanie Gerlach, Fabian Nagy-Vohlidka, Irmengard Niedl und Marion Lüttig beraten lesbische Frauen und schwule Männer mit Kinderwunsch. Vor allem bei Männern verzeichne man steigende Zahlen. Die Experten führen das darauf zurück, "dass das Thema Familiengründung lange Zeit keinen festen Platz im ,typischen' Leben des schwulen Mannes hatte und sich Schwulsein und Vatersein teilweise ausschloss". Viele Regenbogenväter seien Väter von Kindern aus vorhergehenden Beziehungen zu Frauen. Gesellschaftliche Entwicklungen wie die Ehe für alle rückten nun aber auch andere Lebensentwürfe für ein Leben mit Kindern in den Bereich des Möglichen. "Hier ist es uns gelungen, einen Raum zu schaffen, um schwule Männer und Paare mit Kinderwunsch anzusprechen und den steigenden Bedarf nach Beratung abzudecken", resümiert das Regenbogenzentrum.

Das Thema Regenbogenfamilien ist also längst kein Nischenthema mehr. Deshalb wurde auch vor drei Jahren der Treffpunkt an der Saarstraße in Schwabing eröffnet. Regenbogenfamilien wünschten sich einen Ort, der die Vielfalt der Lebensformen in den Mittelpunkt stellt und genügend professionelles Personal hat, um bei Fragen - seien es rechtliche oder ganz persönliche - zu helfen. Nach längerer Vorarbeit durch die hauptamtlichen Vertreterinnen der Lesbenberatungsstelle Letra sowie die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Vereins LesMamas setzte sich die Fraktion der Grünen/Rosa Liste seit September 2014 im Stadtrat dafür ein, ein Beratungszentrum zu schaffen.

Die Idee stieß auf Zustimmung, das endgültige Ja der Stadt aber ließ auf sich warten - bis die Stelle am 1. Mai 2016 damals noch provisorisch in den Räumen von Letra an der Angertorstraße ihre Arbeit aufnehmen konnte. Nun musste eine Immobilie gefunden werden, was sich am Münchner Mietmarkt nicht als allzu einfach gestaltete. Doch ein gutes halbes Jahr später gelang auch das. Die inhaltliche Arbeit ging ebenfalls los. Die Stelle verzeichnete in ihrem ersten Jahresbericht insgesamt 38 Stunden Beratungstätigkeit und elf Stunden Bildungsarbeit mit Workshops beim Fachtag "Mama und Mami oder Papa und Vati - Regenbogenfamilien in der Sprachwelt", Informationsabende und Picknicke in den neuen Räumen, als diese noch leer waren.

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