Hilfe für Wohnungslose:Besserer Standard kostet Plätze

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Unklar ist, wie lange Wohnungslose an der Gabelsberger Straße noch ein Dach über dem Kopf finden. (Foto: Corinna Guthknecht)

Wegen höherer gesetzlicher Anforderungen könnte der Katholische Männerfürsorgeverein gezwungen sein, zwei seiner Langzeiteinrichtungen für Obdachlose zu schließen. Die Rathaus-SPD will das verhindern

Von Sven Loerzer

Größere Räume, mehr Einzelzimmer, strengere Anforderungen an die Barrierefreiheit und weitere bauliche Mindeststandards hat die bayerische Staatsregierung nicht nur für Pflegeheime festgeschrieben, sondern auch für Obdachlosenunterkünfte. Den Katholischen Männerfürsorgeverein (KMFV), mit rund 1400 Plätzen in seinen Einrichtungen einer der wichtigsten Träger der Wohnungslosenhilfe, stellt das vor große Probleme: Mindestens zwei Millionen Euro muss der Verein aufwenden, um die Vorgaben der Ausführungsverordnung zum Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz zu erfüllen.

In zwei seiner Häuser sind die Anforderungen aber praktisch nicht zu erfüllen. Wenn die beiden Langzeiteinrichtungen deshalb geschlossen werden müssen, fallen 120 Plätze für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten weg. Und dies, obwohl die Wohnungsnot in München groß ist: Rund 9000 Menschen leben in Notquartieren und Heimen.

In neueren KMFV-Häusern wie an der Knorrstraße und an der Waakirchner Straße ist die Situation nicht so brisant. Große Sorgen bereiten Gerd Reifferscheid, Leiter der Abteilung Langzeiteinrichtungen beim KMFV, vor allem zwei Altbauten: das Haus an der Gabelsbergerstraße mit 65 Plätzen und das Haus an der Franziskanerstraße mit 55 Plätzen. An der Franziskanerstraße finden ältere Männer mit Suchtproblemen und psychischen Erkrankungen unbefristet Unterkunft, Betreuung und Hilfe bei der Lebensbewältigung. An die gleiche Zielgruppe wendet sich das Haus an der Gabelsbergerstraße. Dort leben vor allem ältere Männer, die auch hauswirtschaftliche und pflegerische Versorgung benötigen. Beide Gebäude sind aufgrund ihrer baulichen Struktur an die neuen Standards nicht anzupassen und müssten ersetzt werden. Komplizierter wird die Situation noch dadurch, dass der KMFV die Häuser nur gemietet hat.

Die Ausführungsverordnung von 2011 sieht eine Angleichungsfrist von fünf Jahren vor. Eine Verlängerung ist im Einzelfall auf Antrag möglich. So kann die Heimaufsicht die Übergangsfrist für die Anpassung bei Altbauten bis 2036 verlängern, wenn es technisch oder denkmalschutzrechtlich nicht möglich ist, die neuen Standards zu erfüllen, erklärt Thomas Ballweg, Abteilungsleiter für die Übergangseinrichtungen des KMFV. Die Befreiung kann erteilt werden, wenn sie "mit den Interessen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner vereinbar ist", heißt es dazu im Gesetzestext. "Wir sind da im Gespräch mit der Heimaufsicht", sagt Ballweg. Reifferscheid bedauert allerdings, dass die Vollzugshinweise des Ministeriums der Heimaufsicht untersagen, generelle Befreiungen für die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zu erteilen.

Am meisten Probleme macht dem KMFV in den Altbauten die vorgeschriebene Mindest-Wohnfläche von 14 Quadratmetern für ein Einzelzimmer und die Barrierefreiheit der Bäder, zudem muss jeder Bewohner entweder direkt oder über einen Vorraum Zugang zu einem Bad haben. "Gerade in den Altbauten sind die Zimmergrößen nicht zu verwirklichen", sagt Reifferscheid. Bei früheren Umbauten vor zehn bis 15 Jahren habe sich der KMFV bemüht, möglichst viele Einzelzimmer, zum Teil mit Gemeinschaftsbädern, zu verwirklichen, um Menschen mit sozialen Schwierigkeiten von der Straße zu holen.

"Die Altbausituation setzt Grenzen", klagt Reifferscheid. "Ersatzgebäude zu finden, ist in der momentanen Situation in München fast unmöglich." Wenn sich überhaupt geeignete Grundstücke finden ließen, dann sicher nicht in der Innenstadt, sondern nur noch am Stadtrand, meint Ballweg. Beim KMFV rechnet man damit, dass auch dann pro neu geschaffenem Wohnplatz Grundstücks- und Investitionskosten in Höhe von 350 000 Euro im Durchschnitt entstehen.

Der KMFV hat deshalb schon 2016 gefordert, die Wohnungslosenhilfe aus der gesetzlichen Regelung herauszunehmen, bislang vergeblich. "Es geht nicht darum, dass wir die Wohnstandards unseren Leuten nicht gönnen würden, aber unsere Einrichtungen unterscheiden sich von Altenheimen", erklärt Reifferscheid. "Ob die Erfüllung aller Auflagen für den oftmals jüngeren und mobileren Personenkreis wohnungsloser Menschen notwendig ist, ist fraglich." Ballweg kritisiert darüber hinaus auch, dass das Landesgesetz zwar hohe Standards setze, aber keine Fördermittel dafür vorsehe, um diese zu erreichen.

"Wer anschafft, sollte zahlen", sagt deshalb auch Caritasdirektor Georg Falterbaum. Und ärgert sich darüber, dass der Freistaat nicht die erforderlichen finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellt. "Das geht gar nicht", sagt Falterbaum und warnt in klaren Worten vor den Auswirkungen der Ausführungsverordnung für die Wohnungslosenhilfe und Wohngruppen für Menschen mit Behinderung. Die Anforderungen an Sanierung und Umbau verteuerten "die Entgeltsätze, reduzieren die Plätze oder führen im schlimmsten Fall zur Schließung von Einrichtungen". Ersatzeinrichtungen zu bauen, sei im teuren München utopisch.

Vor diesem Hintergrund hat jetzt die Rathaus-SPD beantragt, dass das Sozial- und das für die Heimaufsicht zuständige Kreisverwaltungsreferat einen Vorschlag vorlegen sollen, wie den Anforderungen der Verordnung Rechnung getragen werden kann. "Ziel ist es dabei, alle Plätze in der Wohnungslosenhilfe vollumfänglich zu erhalten", betont die SPD-Stadtratsfraktion in ihrem Antrag. Die dringend notwendigen Plätze gerade für die Menschen, die zumeist schon länger auf der Straße gelebt haben, dürften auf keinen Fall wegfallen. Stattdessen müsse ein bedarfsgerechter Ausbau in Abstimmung mit dem Bezirk Oberbayern erfolgen.

© SZ vom 06.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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