Hightech-Standort:Was der IBM-Umzug für München bedeutet

Hightech-Standort: Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und die Deutschland-Chefin von IBM, Martina Koederitz (links).

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und die Deutschland-Chefin von IBM, Martina Koederitz (links).

(Foto: Stephan Rumpf)

Warum verlagert der Konzern seine Forschungszentrale hierher? Was heißt das für Bayern? Das sagen IBM-Deutschland-Chefin Koederitz und Wirtschaftsministerin Aigner.

Interview von Katja Riedel

Es ist weit mehr als nur der Umzug einer Unternehmensabteilung: In dieser Woche hat der Softwarekonzern IBM bekanntgeben, dass seine Entwicklungszentrale für das sogenannte Internet der Dinge künftig in der Parkstadt Schwabing sitzt. Damit ist die Vernetzung aller möglichen Geräte und Gegenstände gemeint - das derzeit wichtigste Zukunftsfeld für Firmen wie IBM.

Dass diese Forschung (mitsamt der Arbeit des Supercomputers Watson) künftig in Deutschland stattfindet, ist für den amerikanischen Konzern ein Einschnitt und für München ein Gewinn - wie die IBM-Deutschland-Chefin Martina Koederitz und die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner im Doppelinterview erläutern.

Frau Koederitz, warum hat sich IBM für München entschieden?

Martina Koederitz: Jetzt könnte ich ganz einfach sagen, wir haben unser Computersystem Watson gefragt, wo der beste Standort ist. Watson kann ja Millionen Daten in Bruchteilen von Sekunden auswerten. So einfach ist es aber natürlich nicht. Wir haben ja bereits in den USA Center, in denen Watson arbeitet. Und wir haben festgestellt, dass die Nachfrage unserer Kunden, sich mit unseren Designern, Entwicklern, Datenwissenschaftlern in den Centern zusammenzusetzen, rapide zunimmt.

Deshalb haben wir entschieden: Wir brauchen auch ein Center in Europa, das wir zudem als Brückenkopf in den asiatischen Markt nutzen. Innerhalb Europas haben wir uns mehrere Standorte angeschaut. Aber in München scheint alles zusammenzufinden: München als Standort ist attraktiv, vor allem, was das Umfeld betrifft: Universitäten, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, und hier gibt es die besten Talente und kreativen Köpfe.

Ilse Aigner: Wir haben uns natürlich auch politisch bemüht, dass wir das Center nach München bekommen. Ein wichtiger Punkt ist das Zentrum für Digitalisierung an der TU in Garching, das wir im Sommer eröffnet haben. Entscheidend für Ansiedlungen sind aber vor allem die Kunden, die hier vor Ort sind: die großen Wirtschaftsunternehmen. Die Industrie und die leistungsstarken Mittelständler. Aber auch Branchen wie die Versicherungswirtschaft, hier sind wir in München weltweit führend.

Koederitz: Wir setzen auf das Internet der Dinge. In Deutschland wird das unter dem Schlagwort Industrie 4.0 diskutiert, in der die realen Produkte und die virtuelle Welt eins werden sollen. Und natürlich gibt es hier in München viele namhafte, weltweit agierende Unternehmen, die diese Diskussion ganz aktiv betreiben. Es gibt schon erste gemeinsame Projekte, unter anderem mit Siemens und Airbus.

Was genau wird jetzt hier in den Highlight-Towers passieren?

Koederitz: Im Frühjahr soll hier ein Treffpunkt eröffnen für Kunden, für Partner, die hier an gemeinsamen Aufgabenstellungen arbeiten. Über Geschäftsgrenzen hinweg sollen sich Menschen austauschen.

Wird in München auch bald die IBM-Deutschlandzentrale zu finden sein?

Koederitz: Dass die Deutschlandzentrale in Stuttgart ist, stellen wir im Moment nicht infrage. Aber wir werden natürlich überall dort unsere Menschen ansiedeln, wo sich Geschäftsmöglichkeiten ergeben. Und wo unsere großen Kunden sitzen. Wir sind in München schon seit 1931 vertreten.

Aigner: Das Charmante ist ja, dass auch andere Firmen den Standort München attraktiv finden. Und deshalb kann so eine Entscheidung, mit 1000 hochwertigen Arbeitsplätzen nach München zu kommen, weiter beispielgebend sein. Ich bin mir sicher, das hätten auch viele andere Standorten in Europa gern.

München war seit dem Zweiten Weltkrieg ein starker Produktionsstandort. Jetzt gibt es immer mehr Jobs für reine Denker. Für Höchstqualifizierte, aber weniger für Arbeiter. Was tun Sie, damit es auch einfachere Jobs gibt?

Aigner: Wir haben auch noch Produktionsstandorte, vielleicht nicht direkt in der Innenstadt, aber um München herum. Vor allem aber können wir in ganz Bayern die Produktion voranbringen. 26 Prozent der Wertschöpfung erfolgt nach wie vor im industriellen Bereich, das ist Weltspitze.

Hier kann man jetzt beides zusammenbringen. Wir brauchen die Vernetzung der Metropole, die stark im Forschungsbereich ist, mit dem produzierenden Gewerbe, mit Versicherungen und dem Gesundheitsbereich im übrigen Bayern. Darum beneiden uns viele - zum Beispiel Berlin.

Wie das kreative Moment gefördert werden soll

In Berlin gibt es dafür viel mehr kreativere Start-ups. In München sind vor allem Start-ups erfolgreich, die technologische Lösungen liefern. Wie wollen Sie das kreative Moment fördern?

Aigner: Das machen wir ja auch, zum Beispiel mit dem Werk 1 am Münchner Ostbahnhof, wo es sehr stark um Internet und Medien geht - und wir wollen mindestens ein Gründerzentrum zusätzlich in jedem Regierungsbezirk. Auch im Bereich Kapital investieren wir sehr stark. Die neuesten Zahlen zeigen, dass wir etwa beim Wagniskapital deutlich vor allen anderen Bundesländern liegen. Die Gründerszene wächst ganz deutlich - vielleicht anders, aber größer.

Koederitz: Bei Start-ups hat Berlin vielleicht die Nase vorn, aber wir sehen mehr und mehr, dass es für Start-ups interessant wird, wenn sie gemeinsam mit großen Unternehmen ihre Entwicklung vorantreiben. Da hat München auch mit der Vielfältigkeit der angesiedelten Großunternehmen viel voraus. Start-ups können sich hier in Systemen bewegen, die ihnen helfen, bestimmte Schwierigkeiten zu überwinden, die man als Kleiner hat.

Und die Großen, die nutzen die Nähe zu den innovativen Kleinen?

Koederitz: Für einige unserer großen Kunden sind die Start-ups der Think tank, denn es ist nicht einfach, in großen gewachsen Strukturen innovativ zu sein. Deshalb eröffnen wir ja solche Center wie jetzt hier, um zu zeigen: Hier können Geschäfte neu gedacht und miteinander erarbeitet werden. Hier ist Kreativität gewünscht und gefragt. Wir haben viele Ideen, wie wir Gründer einladen, vielleicht sogar mit ansiedeln. Wir wollen ja, dass unsere Technologie auch von Start-ups genutzt werden kann.

Mancher sieht hier im Münchner Norden schon ein neues Silicon Valley für die Digitalisierung großer Unternehmen entstehen. Mit IBM, mit Microsoft, mit dem stark erweiterten Forschungszentrum von BMW und dem Campus in Garching. Ist das überspitzt?

Koederitz: Nein. Wir stehen im Moment am Anfang einer völlig neuen Dekade, die vor allem von großen Datenmengen getrieben ist. Man kann sich heute nicht mehr leisten, dass ein Industrieprodukt sieben Jahre Entwicklungszeit braucht. Also suchen alle Unternehmen neue Impulse, neue Motoren. Man denkt stärker in Partnerschaften. Die Frage ist: Welche Wirtschaftsregion wird die führende sein?

Aigner: Jetzt geht es um das Internet der Dinge, also darum, die Industrieprodukte intelligenter zu machen und zu vernetzen. Und wer hat die Dinge? Die stecken in jedem Auto, in jeder Maschine. Die alte und die neue, digitale Wirtschaft zusammenzubringen, darum geht es. In Bayern gibt es beides. Und es wird nicht nur München profitieren, sondern ganz Bayern. Das sind ja verglichen mit dem Silicon Valley, wo sie auch locker einmal anderthalb Stunden herumfahren, keine Entfernungen.

Ganz nah ist ja BMW, und dass die Autobahn vor dem Haus führt direkt nach Ingolstadt zu Audi . . .

Koederitz: Deutschland muss ganz klar das Thema vernetztes Automobil besetzen.

Aigner: Die Teststrecke für die vernetzte Mobilität bekommen wir ja hier, an der A 9.

Wenn Sie ein Silicon Bayern wollen, reicht Ihnen allerdings nicht die A 9, dann brauchen Sie auch bessere Datenautobahnen.

Aigner: Das ist richtig, aber da bauen wir ja aus. Der Freistaat investiert 1,5 Milliarden, um das Internet auch in den Regionen schneller zu machen. Und die Bundesregierung hat auch noch zusätzlich Mittel zur Verfügung gestellt.

Sollten nicht auch Unternehmen, die davon profitieren, einen Beitrag leisten?

Aigner: Nein, Infrastruktur ist schon Aufgabe des Staates.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: