Heuschnupfen-Saison:Pollen schneller messen

Pilotforschung zur Pollenflugvorhersage

Allergologe Jeroen Buters will mit einem Pollenmessroboter die Vorhersagen verbessern.

(Foto: Lukas Barth)
  • Mit dem Frühling kommen die Pollen: Aktuell verbreiten sich in München vor allem Erlenpollen, bald beginnt die Birkenblüte.
  • Bislang gibt es 45 Messstationen in Deutschland, deren Daten die Grundlage für die Pollenvorhersage bilden. Sie werden händisch ausgewertet.
  • Der Münchner Forscher Jeroen Buters will die Pollenvorhersage durch einen Messroboter schneller und besser machen.

Von Philipp von Nathusius

Der beste Indikator für den Beginn der Pollenflugsaison steht vor Jeroen Buters Fenster. "Wenn der Haselstrauch hier blüht, weiß ich, es ist wieder so weit", sagt der Professor vom Zentrum Allergie und Umwelt in München (Zaum). Ein paar ausgetrocknete Kätzchen - so heißen die männlichen Blütenstände der Hasel - hängen noch an den Ästen des Strauchs vor dem Eingang an der Biedersteiner Straße. Seit vier Jahren erprobt Professor Buters hier eine von fünf voll automatisierten Pollenfallen, die es in Deutschland gibt. Sie könnte Geschwindigkeit und Genauigkeit der Pollenvorhersage revolutionieren, glaubt Buters. Und so für eine enorme Verbesserung der Lebensqualität vieler Allergiker sorgen. Aber wie auch sonst - es ist eine Frage des Geldes.

Aktuell verbreiten sich in München vor allem Erlenpollen, doch bald beginnt die Birkenblüte. Gemeinsam mit Gräsern sind diese beiden Pollen die häufigsten Verursacher von Heuschnupfen. Für 16 Prozent der Bevölkerung, so eine Schätzung des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB), beginnt mit dem Start der Pollensaison eine Leidenszeit. Atembeschwerden, Reizungen der Schleimhäute, Abgeschlagenheit. Toxikologe Buters schätzt den Anteil sogar noch höher. Gerade im städtischen Umfeld reagiere bis zu ein Viertel der Bevölkerung allergisch auf mindestens eine der vielen Pollenarten. Allein in München wären nach Buters Schätzung also bis zu 375 000 Menschen betroffen.

Kurze Winter begünstigen den Pollenflug

Und die Leidenszeit der Betroffenen dehnt sich immer weiter aus. Kürzere und wärmere Winter begünstigen den Pollenflug. Manchmal helfen Medikamente, das beste Mittel gegen die allergische Reaktion ist aber Karenz, sprich, den Kontakt mit den Allergieauslösern so gering wie möglich zu halten. Sowohl für das eine, die Dosierung der Medikamente, wie auch das andere, die Vermeidung, ist eine genaue Pollenvorhersage wichtig.

In Deutschland verantwortlich für die Pollenmessung ist die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst. 45 Messpunkte sind auf der Homepage der Organisation aufgelistet. Gerade mal zwei Messstationen betreibt die Stiftung noch in ganz Bayern, eine in München, eine im unterfränkischen Münnerstadt. Bis vor ein paar Jahren waren es noch vier, doch zwei der ehrenamtlich tätigen Auswerter haben aufgehört. Die Laborergebnisse der ausgezählten Pollenfallen leitet die Stiftung weiter an den Deutschen Wetterdienst. Der erstellt in Verbindung mit seinen Wetterdaten wie Windrichtung, Niederschlagswahrscheinlichkeit und Thermik die offizielle Pollenflugvorhersage.

Derzeitige Messung ist zu langsam

Doch die Pollenfallen basieren auf einer Technologie aus den Fünfzigerjahren. Sie ist langsam und personalintensiv, und das Netz der Messstationen ist grobmaschig. Insbesondere, wenn man es mit der Vielzahl an Wettermessstationen vergleicht. Während Wetterdaten in Echtzeit vorliegen, dauert es häufig fünf bis sieben Tage, bis die herkömmlichen Pollenfallen im Labor ausgewertet werden.

Viel zu lange, findet Forscher Buters. Auch er betreibt zum Vergleich eine der herkömmlichen Pollenfallen vom Typ Burkhard. Von der Eingangstür des Zaum führt ein kleiner Trampelpfad auf eine Wiese. Umgeben von den Gebäuden der TU-Klinik für Dermatologie und Allergologie stehen hier gleich drei Pollenfallen: neben dem leuchtenden grünen Modell aus den Fünfzigern auch eine Weiterentwicklung in Silber und daneben die modernste Version, ein vollautomatisierter Pollenmessroboter. Bio-Aerosol-Analyzer hat ihn die Herstellerfirma Hund aus Wetzlar getauft. "Wir nennen ihn einfach Pomo, für Pollenmonitor", sagt Buters.

Die Robotertechnik ist einsatzbereit

Vier Jahre lang hat Buters die Messdaten des 130 000 Euro teuren Roboters verglichen mit den Ergebnissen der herkömmlichen Pollenfallen - und so gut wie keine signifikanten Abweichungen feststellen können, wie er sagt. Ab dem Moment, in dem die Hasel vor dem Zaum blüht, schaltet der Forscher die Fallen ein. Dann saugen sie in Minutenabständen Luft an. Die Pollen bleiben auf Klebestreifen haften und können gezählt werden. Was bisher der Mensch unter dem Mikroskop erledigt hat, sollen künftig Roboter mit Hilfe von elektronischer Bilderkennung leisten.

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Die Pollen fliegen wieder - doch welche genau, und wie viele?

(Foto: imago)

Bereits im Jahr 2009 plante der Wetterdienst, das Pollen-Messnetz mit den Geräten aus Wetzlar auszubauen. Doch die Kooperation scheiterte. In Frankfurt sei man nicht zufrieden gewesen mit der computergesteuerten Messleistung, sagt Pressesprecher Uwe Kirsche. Auch Karl-Christian Bergmann, Allergologe an der Berliner Charité und Vorsitzender der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst, ist von der Messgenauigkeit der Roboter nicht überzeugt. Außerdem glaubt er wegen der hohen Anschaffungskosten der Roboter nicht, dass sich ein solches Netz überhaupt finanzieren lässt. Es gebe ja schon jetzt nicht einmal staatliche Zuwendungen, um die ehrenamtlichen Auswerter der bestehenden Messstellen zu bezahlen.

Besseres Messnetz mit Roboterunterstützung

Was die Messgenauigkeit betrifft, so betont Werner Kampe von der Herstellerfirma Hund, dass man heute wesentlich weiter sei als noch vor einigen Jahren. "Wir haben die Referenzdatenbank weiter aufgefüllt. So konnten wir in den letzten zwei bis drei Jahren die Erkennungsleistung wesentlich verbessern", sagt der Manager.

Forscher Buters stützt diese Aussage. Er steht auf der Rasenfläche zwischen seinen Pollenfallen und zeigt auf "Pomo". "Meiner Meinung nach ist die Robotertechnik, so wie sie hier steht, einsatzbereit." Schon länger habe er auch der bayerischen Politik gesagt, dass ein besseres Messnetz nötig sei. "Langsam scheine ich Gehör zu finden." Am vergangenen Dienstag hat das bayerische Gesundheitsministerium in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass es das Helmholtz-Zentrum und die TU mit 65 000 Euro bei ihren Forschungen in diesem Bereich unterstützen wird. Die beiden Organisationen finanzieren je zur Hälfte das Zaum.

Die Pollen werden einzeln gezählt

Die offizielle Messstation des Polleninformationsdienstes in München steht ein paar Kilometer weit entfernt. Auf dem Dach der LMU-Klinik für Dermatologie und Allergologie an der Thalkirchner Straße, in 15 Metern Höhe. Dort wird gemessen, was die Forscher Hintergrundbelastung nennen. Jene Pollenbelastung in der Luft, vor der sich niemand verstecken könne, erklärt Buters. Jeden Tag gehen die Laborantinnen Ankica Versec und Sonja Gassner aufs Klinikdach der LMU. Dort entnehmen sie aus der Falle den Klebestreifen mit den Pollen und untersuchen ihn im Labor. Im Winter sei die Arbeit in einigen Minuten erledigt, sagt Gassner, aber nicht in der Hochsaison. Alleine auf dem etwa drei Zentimeter großen Stück Plastik finden sie schon mal 600 Eibensporen. Dann dauere es ein paar Stunden.

Versec und Gassner zählen dann händisch jeden einzelnen Pollen, seit zwanzig Jahren. Die beiden haben ein enormes Wissen angehäuft, erkennen die einzelnen Pollen sofort und wissen, ob es sich um Birke, Hasel, Eibe, Gräser oder eine andere Sorte handelt. Trotzdem sagt Gassner: "Wenn viele Pollen in der Luft sind, ist es schon eine anstrengende Arbeit." Und nicht jede Pollenmessstation in Deutschland werde so professionell betrieben wie die auf dem Dach der LMU, sagt Buters. Der Roboter sei zwar nicht besser, aber um ein Vielfaches schneller. "Und die beste Grundlage für die Vorhersage für morgen, sind die Daten von heute, nicht von vorgestern", sagt Buters.

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