Pollenflug:So schlimm war die Heuschnupfen-Saison lange nicht mehr

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Von Allergikern gefürchtet: Die Pollen der Haselnuss. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Viele schniefen in diesem Jahr besonders heftig. Experten erklären, was zu Ostern fliegt und was Allergiker tun und lassen sollten.

Von Kristian Meyer

Die Nase juckt, die Augen sind gerötet, das Taschentuch als treuer Begleiter. Manche leiden gar an Atemnot oder Dauermüdigkeit. Für Betroffene gibt es keinen Zweifel - die Heuschnupfensaison hat einen Höhepunkt erreicht, und viele sind sich sicher: So schlimm wie in diesem Jahr war es lange nicht. Und zwar durchgehend seit Februar.

"Der Eindruck täuscht nicht", sagt Karl-Christian Bergmann, Leiter der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst. Deutschlandweit seien die Konzentrationen pro Kubikmeter Luft in 24 Stunden von Erlenpollen - einem der Frühblüher im Februar - rund zehn mal so hoch wie üblich gewesen, auch in Bayern. In München selbst sei es zwar nicht gar so schlimm gewesen, so Pollen-Expertin Christina Endler vom Deutschen Wetterdienst. Aber immerhin eine Konzentration von einigen hundert habe es auch hier gegeben. Bei Erlen spricht man ab 100 von einer "starken Belastung". Ganz ähnlich sah es bei den Haseln aus, dem zweiten Frühblüher, der wegen seiner Wirkung auf Allergiker von Freiwilligen in München, Bayern und Deutschland erfasst wird.

"Zum einen gab es keinen Kälteeinbruch mehr wie im vergangenen Jahr, zum anderen war der Februar weniger wechselhaft", sagt Endler. Wenn der Regen ausbleibt, würden auch die Pollen nicht ausgewaschen. Für Heuschnupfen-Geplagte ist ein Oster-Wochenende mit Traumwetter deshalb vor allem eines: eine Horror-Vorstellung.

"Für Allergiker bedeutet das, dass auch die Birkenpollen zu fliegen beginnen, die sich erst ab Temperaturen von 15 Grad ausbreiten und unter den Pollen und Gräsern zu den Hauptauslösern von Heuschnupfen und allergischem Asthma zählen", sagt F. Joachim Meyer. Er ist Chefarzt des Lungenzentrums München. Und hat einige Alltags-Tipps, wie sich der Leidensdruck zumindest leicht senken lässt. "Stadtmenschen müssen anders lüften", sagt er. Während es auf dem Land sinnvoll sei, abends die Fenster zu öffnen, empfiehlt er Münchnern, lieber morgens Sauerstoff ins Schlafzimmer zu lassen: "Denn in der Stadt ist die Pollenkonzentration frühmorgens am geringsten." Auf dem Land hingegen gehe die schon abends deutlich zurück.

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Apropos Schlafzimmer: Die Bettwäsche solle man als Pollenallergiker im Frühjahr gerne häufiger waschen, so Lungenarzt Meyer. "Verlegen Sie die Dusche inklusive Haarwäsche außerdem am besten auf den Abend!" Man müsse für diese spezielle Zeit im Jahr akzeptieren, dass die Pollen den Tagesrhythmus bestimmen. Zusätzlich würden "Pollenfilter" vor den Fenstern helfen. Die ähneln Moskitonetzen. Gelegentlich werden sie in Supermärkten angeboten, sicher zu beziehen gibt es sie über das Internet oder in Baumärkten. Sie helfen vor allem in der Nacht. Dann gibt vor allem die Birke Pollen ab. Auch für das Auto empfiehlt Meyer einen solchen Filter. Sich zuhause verkriechen solle man jedenfalls nicht. Sein Rat: "Für Natur pur eignet sich vor allem ein Ausflug in die Berge, denn in der hohen Bergluft finden sich kaum Pollen."

Ausdrücklich aber mahnt Meyer: "Nehmen Sie Ihren Heuschnupfen ernst!" Sonst könne dieser sich zum Pollen-Asthma auswachsen. "Das passiert in einem Zeitraum von über zehn Jahren bei einem Viertel der Pollenallergiker", so Meyer. Was dann droht? "Trockener Husten, Atembeklemmung, Engegefühl", weiß Professor Bergmann vom Polleninformationsdienst: Manchmal klinge das Atmen dann fast wie bei einem Kettenraucher mit Lungenrasseln.

Vielen Pollenallergiker dürfte das Schlimmste auch noch bevorstehen

Um das zu vermeiden empfiehlt Bergmann Folgendes: Als erstes prüfen, ob man typische Heuschnupfen-Symptome hat. Falls ja: Der Gang zum Arzt, der mittels Haut- oder Bluttest die Diagnose bestätigen kann. "Dann sagen wir immer: Informieren Sie sich!", so Bergmann weiter. Er empfiehlt hierfür die - hauseigene - "Pollen-App 5.0" oder die Seite "Husteblume" der Techniker Krankenkasse. Das weitere Vorgehen solle man dann unbedingt mit dem Arzt absprechen. Bei manchen helfe schon ein Antiallergikum, das in die Augen und die Nase eingebracht wird. Der nächste Schritt seien antiallergische Tabletten, dann Cortison. In ganz schlimmen Fällen sei eine Immuntherapie nötig. Immerhin: "Früher war das nur mit der Spritze möglich, heute geht das auch über Tropfen."

Wovon Pollen-Experte Bergmann wenig hält, sind Naturheilmittel und Empfehlungen wie Urin trinken oder Pendeln. Die vermeintlichen Besserungen nach derlei Anwendungen rührten oft bloß daher, dass es anderntags eben geregnet hat und die Pollen ausgewaschen wurden. Allerdings empfiehlt er, ebenso wie Meyer, in leichteren Fällen einfache Gegenmittel. Spezielle Sonnenbrillen mit einem seitlichen Schutz etwa. Oder die gute alte Kochsalzlösung.

Vielen Pollenallergikern dürfte das Schlimmste auch noch bevorstehen, prophezeit Christina Endler vom Deutschen Wetterdienst. Die Pollen der Esche seien zwar schon wieder auf dem Rückzug, und auch die Belastung durch die Birke gehe erfahrungsgemäß Ende April wieder zurück. Aber: Der Hauptärger für viele Allergiker beginne erst im Mai, wenn die heimischen Gräser beginnen, ihre Pollen abzugeben. Und die fliegen alljährlich dann bis zum Spätsommer.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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