Hertzkammer:Entschleunigung

Der Downtempo-Spezialist Iorie im Bahnwärter Thiel

Von Martin Pfnür

Als Lukas Ratjen einst zu einem Set des Hamburger DJ-Gespanns Sutsche die Nacht in der Hansestadt durchtanzte, lag seine musikalische Zukunft plötzlich ganz klar vor ihm. "Schneckno" nennt das in eingeweihten Kreisen hochverehrte Trio seinen wirkungsvollen Nischen-Ansatz elektronischer Tanzmusik, der auf einem ebenso simplen wie effektiven Trick beruht: Anstatt der sonst üblichen 45 Umdrehungen pro Minute lassen Sutsche ihre Vinylplatten lieber mit lediglich 33 Umdrehungen pro Minute kreiseln, et voilà: Fertig ist der Schneckentechno.

Ebendiese Entdeckung der Langsamkeit war es denn auch, die den gebürtigen Hannoveraner Ratjen künstlerisch auf nachhaltige Weise inspirierte und in der Hoffnung auf Vernetzung und Austausch mit Gleichgesinnten auch nach Berlin aufbrechen ließ. Dort ist er heute unter dem Namen Iorie einerseits längst zu einem versierten Spezialisten für die Afterhour-Stunden nach Sonnenaufgang avanciert, der die immer noch zappeligen Berliner Clubgänger mit dem gedrosseltem Tempo seiner ausgesprochen smoothen und doch höchst energetischen DJ-Sets und Live-Auftritte behutsam wieder in die Spur bringt. Zum anderen hat er mit seinem eigens für Downtempo-Produktionen gegründeten Label "Serafin Audio Imprint" auch eine Plattform ins Leben gerufen, auf der er eine erstaunliche Vielfalt an elektronischen Entschleunigungskünstlern aus dem Berliner Underground versammelt, von deren bezirzenden Qualitäten man sich auf der Soundcloud-Seite des Labels überzeugen kann.

Und dann sind da ja noch seine eigenen Tracks als Iorie, die Lukas Ratjen bereits seit 2012 in Form von Singles und EPs auf Serafin veröffentlicht, und dabei stets mit einer Liebe zum klanglichen Detail fertigt, die sich allein schon aus den vergrößerten Räumen zwischen seinen verlangsamten Beats ergibt. Ein wunderbar hypnotischer Sog ist das, der sich da zwischen sachtem Deep-House-Pumpen, krispem perkussiven Klackern, allerlei filigranem Gezirpe und der linden, gerne auch mal elektronisch verfremdeten Kopfstimme Ratjens entfaltet. Dass sich Langsamkeit und Tanzbarkeit keinesfalls ausschließen, wird der Wahlberliner nun mit einem seiner Live-Sets im Bahnwärter Thiel beweisen.

Iorie, Donnerstag, 12. März, 20.30 Uhr, Bahnwärter Thiel, Tumblingerstraße 29 (wurde abgesagt).

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