Restaurant Herr'schafts'zeiten:Lizenz zum Nachwürzen

Restaurant Herr'schafts'zeiten: Regionaler Klassiker, neu interpretiert: Das "Herr'schafts'zeiten" im Tal serviert Zwiebelrostbraten mit Garnelen.

Regionaler Klassiker, neu interpretiert: Das "Herr'schafts'zeiten" im Tal serviert Zwiebelrostbraten mit Garnelen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zugewandtes Personal, eine überschaubare Karte und vorbildliche Zurückhaltung mit dem Salzstreuer: Das Herr'schafts'zeiten im Tal ist ein gastlicher Ort mitten im Münchner Touristengewirr.

Von Carolus Hecht

Wollte man die Münchner Schickeria zum Einsturz bringen, müsste man ihr den Deppenapostrophen klauen. "Herr'schafts'zeiten" nennt sich wahrhaftig eine Lokalität im Tal. Wie viel Magie vermuten die vier jungen Wirtsleute hinter zwei falschen Stricherln in dieser milden bajuwarischen Verwünschung als Lokalnamen? Oder soll der spinnöse Unsinn an den sinistren Hintergrund des Ortes anschließen? Münchner Herrschaften hatten im frühen 20. Jahrhundert manchmal guten Grund, sich dem Tal und seinen damals übel beleumundeten Kaschemmen zu nähern. Hatte man nämlich in der Oper oder etwa beim Konzert das silberne Puderdöschen oder die teure Taschenuhr eingebüßt, so war hierorts noch am selben Abend Gelegenheit, das gute Stück zurückzukaufen, ohne Anzeige, ohne Ärger und Blamage, das gebot die Gaunerehre.

Solche Aura ist längst verflogen im "Paulaner im Tal", so der heute auch schon wieder historische Untertitel der riesigen Lokalität mit 460 Plätzen einschließlich zweier Freisitze im Tal und im Hof. Früher war der Zug durch die Kneipen beim Jungvolk eine beliebte Sache, heute bieten Lokale wie dieses alles unter einem Dach, das Wirtshaus, die Lounge, die Bar, auch publikumsmäßig, vorne mit gelegentlichem Jungtouristengebrüll auf den hohen Hockern, bis zum Hof, wo tatsächlich sehr bodenständiges Nachbarschaftspublikum einkehrt.

Genau diese Spannweite bieten die Getränke, vom - an solchem Ort nicht anders zu erwarten - gepflegten Paulaner über den "Cosmos Spritz" bis zur kolossalen Schnapsgalerie und einer akzeptablen Liste weniger mittelmäßiger offener, aber zahlreicher Flaschenweine aus dem deutschsprachigen Raum weit oberhalb der durchschnittlichen Münchner Zechgewohnheiten.

Restaurant Herr'schafts'zeiten: Tip for the Pig: Ein uriges Borstenvieh erinnert ans Trinkgeld fürs Personal, das auch im "Herr'schafts'zeiten" wie in der gesamten Gastrobranche dringend gesucht wird.

Tip for the Pig: Ein uriges Borstenvieh erinnert ans Trinkgeld fürs Personal, das auch im "Herr'schafts'zeiten" wie in der gesamten Gastrobranche dringend gesucht wird.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für ein Lokal im Brennpunkt des Touristenlebens dieser Stadt ist die Karte erstaunlich, ja, erfreulich klein. Das sei auch dem Personalmangel geschuldet, erfährt man. Wohl auch die zwanzig Minuten am Pfingstsonntag, die es braucht, um zu erfahren, dass die Küche außerplanmäßig bis zum Spätnachmittag geschlossen sei.

Die Auskunft selbst wird allerdings überaus freundlich erteilt. Wie überhaupt alle, die hier bedienen, sich eines erfrischend fröhlichen Tones und einer Zuvorkommenheit befleißigen, wie sie an diesem historischen Ort früher undenkbar waren, liegt das Herrschaftszeiten doch gegenüber dem Weißen Bräuhaus, dessen wuchtige Bedienungen mit ihrem monumentalen Grant lange Zeit die Münchner Gastlichkeit prägten.

Zwischenzeiten lassen sich übrigens mit der kleinen (13 Euro) oder großen Brotzeit (36 Euro und für eine hungrige Löwenbande reichend) aufs Beste überbrücken, gibt es denn etwas. Geräucherte Entenbrust, allerlei Aufschnitt, knackige Räucherwürstchen, Apfelschmalz, dreierlei allerdings zu karg bemessener Käse, eingelegtes Gemüse - wäre nun noch ein Schälchen mittelscharfer Senf dabei und der Kren nicht nur Dekoration!

Es mag auch dem Personalmangel geschuldet sein, dass auf der nahrhaften Kartoffelsuppe (Euro 7) bereits ein verräterisches Wärmelampenhäutchen lag, genauso über dem Eigelb auf dem Rindertatar (klein 13,50, groß 20,50), einem Gericht, das man nicht überall verzehren mag, dem man sich hier aber bedenkenlos anvertrauen darf, mit Schalotten, Kapern und anderen Feinheiten. Nur der Pfeffer aus der Mühle - der ist die heute aus optischen und Modegründen übliche bunte Mischung Schwarz-Weiß-Rosa. Der Liebhaber des rosa Pfeffers bemängelt, dass diese außergewöhnliche Nuance vielem nicht bekommt und dem Tartar schon gar nicht.

Restaurant Herr'schafts'zeiten: Ein Ort für Touristen und Nachbarschaftspublikum gleichermaßen: "Das neue Paulaner im Tal", so der Untertitel der Lokalität, verfügt über 460 Plätze einschließlich zweier Freisitze.

Ein Ort für Touristen und Nachbarschaftspublikum gleichermaßen: "Das neue Paulaner im Tal", so der Untertitel der Lokalität, verfügt über 460 Plätze einschließlich zweier Freisitze.

(Foto: Stephan Rumpf)

Dabei sind es oft gerade Kleinigkeiten, die hier zu rühmen sind. Etwa der Strumpf über der halben Zitrone, die man so ideal über das Wienerschnitzel (24) drückt, sonst ein sabberiges Kunststück. Das Schnitzel erschien uns beinahe nach Wiener Kunstfertigkeit, für Münchner Verhältnisse vorbildlich saftig, nur mit zu fader "Panier". Der Braten vom Strohschwein (15,50), der konnte sich "Sie" schreiben, flankiert vom knackigen Schwartl und reichlich nachgereichter Biersoße für Freunde des Knödel-Soßen-Sumpfs. Der Krautsalat hätte saftiger sein können. Der Ochsenzwiebelrostbraten (24) gelang der Küche zart und saftig, gebadet in Spätburgunderjus und karamellisierten Zwiebeln. Welche Lust diese Zwiebeln, nicht der elende Strohhaufen frittierter Dörrzwiebeln, der sonst oft dieses Gericht verunstaltet.

Nichtssagend hingegen die drei Bayerischen Zuchtgarnelen dazu, gespreizter "Surf & Turf" für sechs Euro. Das Panko zum köstlich scharf angebratenen Rosenkohl war zu üppig. Und mit den Bratkartoffeln hat man es in München einfach nicht. Das gebratene Saiblingsfilet hingegen (21,50) mit Kartoffelrisotto, Wildbrokkoli und Pinien war feines Küchenhandwerk, wie es sein muss. Dasselbe galt für die Apfelkücherl (7). Der Bayerisch-Creme-Cheesecake (6,5) gelang mit der leicht zitronigen Note und dem erfrischend säuerlichen Beerenbett mit Waldheidelbeeren, nicht den aufgeblasenen aus der Zucht.

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fastfood-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können. SZ

Man sollte hier den Notstand zum Programm machen und das Küchenangebot nicht wesentlich ausweiten. Konzentration auf Weniges kann delikate Tugend sein, ist dann auf erste Qualität Verlass. Zumal wenn man wie hier eine zweite große Tugend pflegt: Wo andere oft mit üppiger Salzfracht der Speisen den Getränkekonsum anzufachen suchen, ist diese Küche vorbildlich zurückhaltend beim Würzen, überlässt die letzte Prise gerne dem Gast. Und tilgte man dann noch den Deppenapostrophen, hätten auch schriftgelehrte Esser hier einen guten Ort mitten im Touristengewirr, zumal bei so angenehmer Bedienung, freundlich, zugewandt, bar ranschmeißerischer Posen.

Herr'schafts'zeiten, Tal 12, Öffnungszeiten: Mo. bis Sa. 11 bis 1 Uhr, So. 11 bis 23 Uhr, Telefon 089/693 116 690, www.herrschaftszeiten-muenchen.de

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