"Das ist nicht schön":Das letzte Mahl

"Das ist nicht schön": Dekoriert für das Eröffnungsbankett: einer der beiden Säle der Nitsch-Schau am Rande der Biennale 2022 von Venedig.

Dekoriert für das Eröffnungsbankett: einer der beiden Säle der Nitsch-Schau am Rande der Biennale 2022 von Venedig.

(Foto: Susanne Hermanski)

Hermann Nitsch war eine Zeit lang Bayer. Weil die Münchner damals liberaler gewesen seien als die Wiener, hat er einmal gesagt. Jetzt gaben die ihm in Venedig sein letztes Orgien-Mysterien-Theater. Am Abend seines Todes.

Von Susanne Hermanski

Hermann Nitsch war Münchner. Eine Zeit lang. Nachdem er in den Sechzigerjahren mit seinen Kunstaktionen in Österreich Ärger mit den Behörden hatte und gar mehrfach im Gefängnis landete, floh er 1968 nach München. Sein 7. "Abreaktionsspiel" entstand hier. Bis 1977 lebte er dann am Ammersee, in Dießen, reiste von dort aus um die Welt und erntete Ruhm.

Die Münchner waren damals liberaler als die Wiener. Das gab Nitsch 2016 jedenfalls zu Protokoll, als er wieder mal in München zu Gast war und in der Villa Stuck ausstellte. Bei einer Abschlussperformance in deren hübsch-harmlosem Garten ließ er wieder Blut in Strömen fließen. Bei seiner Malaktion zur Walküre in Bayreuth im Sommer 2021 waren es auch Farben wie Blau und Grün.

Den Montag dieser Woche nun hatte sich ein Novize unter den Sammlern der Nitsch'schen Kunst für eine grandiose Präsentation im Rahmenprogramm der Biennale von Venedig auserkoren, unterstützt von zwei Galerien: Kandlhofer und Pace. Der Wiener Unternehmer für Medizintechnik und Nahrungsergänzungsmittel Helmut Essl hat dafür aber allein sämtliche Komponenten zur Verfügung gestellt, sie sind 1987 in der Wiener Secession bei seiner 20. Malaktion entstanden. Gekauft hat Essl sie erst vor zwei Jahren, wie er erklärt. Die rot überschütteten Leinwände und unzähligen besudelten Büßerhemden füllen eindrucksvoll zwei riesige, lange Fabrikhallen auf Venedigs Insel Giudecca und sind noch bis 22. Juli zu sehen. Danach will Essl sie gleich auf eine große Tour schicken, erzählt er an diesem Abend. Zur Art Basel, über den großen Teich und in den Nahen und Fernen Osten. Schließlich soll die Welt etwas haben von diesem Schatz, und sie soll wissen, dass er ihn besitzt.

Zur Eröffnung, die zwar nicht mit einer Orgie, aber immerhin mit einem zwei-, dreihundert Anwesende nährenden Festbankett und anschließendem Tanz um den DJ gefeiert wird, strömt die internationale Art-Crowd: Sammler, Künstler, Landeshauptfrauen, Kritikerinnen und Kuratorinnen, ja auch aus Niederösterreich, der Ukraine und Bayern - wie Gisela Winkelhofer, die Frau eines Passauer Sicherheitsexperten mit weltweitem Aktionsradius. Sie kommen in schillernden Anzügen, in Abendkleidern, und auf Stilettos so hoch wie eine Wertsteigerung, von der Anleger nur träumen können.

Viele halten Reden an diesem Abend. Dass der Künstler schwer krank sei und deshalb nicht dabei sein könne, beklagen alle. Dass Hermann Nitsch an diesem Tag gestorben ist, wird erst am nächsten Morgen bekannt. Nitsch mag das würdig sein. Schön, das ist es freilich nicht.

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