Kritik:Überfällig

Das Bayerische Staatsorchester ehrt seinen ehemaligen Generalmusikdirektor Hermann Levi mit einem Konzert und der Neubenennung ihrer Orchesterakademie.

Von Paul Schäufele, München

Ein Mensch lebt, wenn sein Name genannt wird, sagt ein ägyptisches Sprichwort. Diesen Namen auszulöschen, die damnatio memoriae, ist ein Akt destruktiven Vergessens, den nicht nur die Antike kennt. Hermann Levi, Brahms-Freund und Wagner-Versteher, langjähriger Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister in München, galt als einer der wichtigsten Dirigenten des neunzehnten Jahrhunderts. Doch der aggressive Antisemitismus der Dreißigerjahre führte zur Verwahrlosung seiner Grabstätte, zur Entfernung des Namens aus Straßen, schließlich zu allgemeinem Vergessen. Die Rehabilitation war überfällig. Das Grab wurde neu gestaltet und zwei Gedenkkonzerte des Bayerischen Staatsorchesters unter Kirill Petrenko markieren den Beginn einer neuen Auseinandersetzung mit der Künstlerpersönlichkeit Levis. Dazu gehört auch die konfliktreiche Beziehung zu Wagner.

Am Anfang des Konzerts im Prinzregententheater steht daher ein nicht idyllisch geglättetes, sondern kontrolliert aufbrausendes "Siegfried-Idyll". Eine Arie aus Mozarts "Cosí fan tutte", strahlend-agil gesungen von Johanni van Oostrum, beleuchtet Levis Tätigkeit als Übersetzer der Da Ponte-Opern. Emanuel Grafs phantasievolle Interpretation von Max Bruchs "Kol Nidrei" erinnert an Levis jüdische Identität, die er trotz Wagners Überredungsversuchen nicht aufgab. Solche glänzend musizierte Konzerte sind Schritte auf dem Weg, den Namen Hermann Levis wieder im kulturellen Gedächtnis zu etablieren. Doch fast noch schöner ist die Speicherung des Namens in dieser Institution, die den musikalischen Nachwuchs fördert: Die Orchesterakademie des Staatsorchesters heißt von jetzt an Hermann-Levi-Akademie.

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