Süddeutsche Zeitung

Herausgefordert:Reisen bildet

Tahir Hussain will Schülern andere Formen des Lernens beibringen

Von Robert Meyer

"Ich bin Tahir, 45 Jahre alt und werde die kompetenzbasierte Bildung weltweit revolutionieren." Im Vorstellungsvideo von "21future" backt Tahir Hussain bestimmt keine kleinen Brötchen. Mit seinem Konzept möchte der Münchner eine andere Art des Lernens etablieren. Er hält nicht viel vom sogenannten "Brechreiz-Lernen", bei dem die Schüler den auswendig gelernten Stoff bei Tests einmal ausspucken und danach alles sofort wieder vergessen. Tahir Hussain will den Schülern in seiner "Lernreise" andere Kompetenzen vermitteln: Sei neugierig, sei mutig, sei flexibel, sei kritisch, sei selbstverantwortlich.

Am Anfang seiner Lernreise steht eine Herausforderung. Die vier- bis fünfköpfigen Schülerteams können sich aus einem Pool von Aufgaben bedienen und eine Wochenaufgabe wählen. Dabei stehen Themen im Vordergrund, die der Lehrplan normalerweise nicht vorsieht: Wie esse ich gesund? Wie spare ich Strom? Welches Schönheitsideal vermittelt unsere Gesellschaft?

Die Schüler sollen sich selbständig über ihr Thema informieren und miteinander praktische Lösungen für die Herausforderungen erarbeiten. Ihr Konzept stellen sie den anderen Gruppen vor, die Feedback geben. Auf diese Weise sollen Kompetenzen wie Kooperation, Team- und Kritikfähigkeit gefördert werden. Die Lehrer und Tahir Hussain stehen höchstens beratend zur Seite, denn Schüler sollen bei den Herausforderungen auch scheitern dürfen und daraus lernen.

Am Ende müssen die Schüler mit Tablets ein eigenes Video produzieren, in dem sie ihre Ideen erklären und die Hindernisse auf dem Weg dahin reflektieren. Für Hussain, der nebenbei Unternehmen bei der digitalen Transformation berät, sind iPads und andere elektronische Hilfsmittel im Unterricht jedoch "kein Selbstzweck", sie sollen den Prozess nur unterstützen. Der Beginn der Lernreise findet noch ganz analog mit Zettel und Stift statt. Wenn es nötig sei, bringe er jedoch Tablets mit, da viele Schulen immer noch nicht ausreichend digital ausgestattet seien.

In der Wilhelm-Busch-Realschule in Perlach hat Hussain das Konzept bereits im Sommer erprobt. Dort grübelte zum Beispiel eine Gruppe, wie sie an ihrer Schule Strom sparen könnten. Sie erkundigten sich beim Hausmeister über den Stromverbrauch und fragten bei den Stadtwerken nach Ratschlägen. Daraus entwickelten sie fünf eigene Tipps zum Stromsparen - Heizung ausdrehen oder Licht ausschalten.

Im Herbst sollen Mittelschulen in Hadern und Moosach folgen, Zielgruppe seien laut Hussain derzeit Fünft- bis Siebtklässler. Er wolle sich mit "21future" vor allem an sozial Benachteiligte wenden, weshalb die Lernreise auch kostenlos ist.

Das starre Bildungssystem sei bei seinem Projekt eine der größten Herausforderungen, sagt Hussain. Er will deshalb nicht gegen das System kämpfen, sondern es von innen verändern. Seine Zielgruppe sind Lehrer, Schüler und vor allem Schulleiter. Hussain hofft, Schritt für Schritt eine kritische Masse von Akteuren überzeugen zu können. So soll das Projekt irgendwann nicht nur münchen-, bayern- oder deutschlandweit angeboten werden, sondern auf der ganzen Welt.

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Quelle:
SZ vom 15.01.2019
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