Heppel und Ettlich im Interview:Schwabing braucht Berliner

"Man kann nicht immer nur Pipifax machen": Wolfgang Ettlich und Henry Heppel über das Ende ihrer Kneipen-Institution.

Nicole Graner

Einige machen vor der Schwabinger Kneipe "Heppel und Ettlich" Erinnerungsfotos, andere gehen noch einmal durch die Räume, wollen sich persönlich bei Wolfgang Ettlich und Henry Heppel verabschieden. Nach 33 Jahren schließt heute der Schwabinger Szenetreff. Die SZ sprach mit den Betreibern über ihre Anfänge in München, die Zeit im Heppel und über die Zukunft.

Heppel und Ettlich im Interview: Mit Platten auflegen und Bier verkaufen fing's an: Henry Heppel (links) und Wolfgang Ettlich in ihrer Schwabinger Kneipe.

Mit Platten auflegen und Bier verkaufen fing's an: Henry Heppel (links) und Wolfgang Ettlich in ihrer Schwabinger Kneipe.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Süddeutsche Zeitung: Einer Ihrer München-Filme heißt "Schwabing - meine nie verblasste Liebe". Warum wollten Sie beide Mitte der siebziger Jahre von Berlin unbedingt nach München?

Wolfgang Ettlich: Gute Freunde von uns wollten in München studieren. Da haben wir gesagt: Gut, da ziehen wir mit. Weg von der Stadt mit der Mauer und der ewigen Grenze. Außerdem hatten unsere Eltern nicht so viel Kohle und sind nicht so oft mit uns weggefahren, oder?

Henry Heppel: Nein, nie. Wir hatten gar kein Auto, das war ganz normal.

Ettlich: Einmal sind wir zusammen mit Kumpels nach Frankreich gefahren, das war ein Traum. Es war also klar, dass wir nach München gehen und alle zusammen in einer WG wohnen wollten.

SZ: Woher kannten Sie sich in Berlin?

Ettlich: Wir haben im gleichen Verein Fußball gespielt.

Heppel: Die Fußballmannschaft war die Wiege unserer Freundschaft.

SZ: Dann waren Sie in München. Was kam dann?

Ettlich: (lacht verschmitzt) Da stand dann die große Frage im Raum: Wie bekommen die Leute mit, dass da sechs dufte Berliner sind?

Heppel: Ach, das ging schnell, weil wir eine super Wohnung hatten, in der wir ständig Feten gemacht haben.

Ettlich: Ich habe damals bei einem Plattenladen gearbeitet. Es hat sich schnell rumgesprochen, dass es da eine Schwabinger Kommune gibt, die einen Plattenspieler hat und die neuesten Songs spielt. Wir haben Bier verkauft, und es war laut.

Heppel: Diese Feten waren schnell legendär. Dieser winzige Schallplattenspieler und diese Anlage - wenn man das heute sehen würde. Ein einziges Gekrächze, aber du hattest die neuesten Platten.

Ettlich: Plötzlich haben sie uns in Schwabing alle gekannt, Passanten haben gefragt: Bist du nicht der... Genau wie heute.

SZ: Dann war der Schritt zum Heppel doch nicht mehr weit...

Ettlich: Stimmt. Denn dadurch, dass ich so oft Platten aufgelegt habe, hatte ich zu so vielen Leuten Kontakt. Eines Tages hat mich einer gefragt, ob ich bei ihm auflegen würde. Da habe ich dann in einer Schwabinger Kneipe aufgelegt und Bier verkauft. Die WG konnte umsonst Bier trinken. Irgendwann sagte der Besitzer: "Du, ich hab da eine Kneipe. Wollt ihr die nicht machen?" Wie hieß die gleich wieder?

Heppel: Jennerwein.

Ettlich: Genau. Dann wurde in der WG darüber diskutiert, denn eigentlich wollten wir immer unabhängig sein. Aber wir haben uns den Jennerwein mal angeschaut - mit Wagenrädern über den Tischen. So richtig bayerisch. Wir, die barfuß die Berge hochgelaufen sind, weil wir uns geweigert haben, Bergschuhe anzuziehen, sollten so eine Kneipe machen? Aber wir haben das hinbekommen.

Heppel: Vier Jahre lang. Aber im Berliner Stil. Das Einzige, was bayerisch war, war der Name.

Was Heppel & Ettlich besonders fehlen wird

SZ: Vom Jennerwein zum Heppel: Kam wieder ein Wirt und hat gefragt?

Heppel: Der Jennerwein war immer rappelvoll, die Kneipe wurde zu klein. Dann hast du das Ding hier gefunden, oder wie war das, Wolle?

Ettlich: Nee, die Kapitalisten kamen. Der Löwenbräu. Die haben wohl gerochen, dass da was zu holen ist. Dann haben wir uns für das Heppel entschieden. Alle haben geholfen, zu renovieren.

SZ: War es die richtige Entscheidung?

Heppel: Definitiv. Man kann nicht immer nur Pipifax machen, ich hatte damals eine Tochter mit drei Jahren.

Ettlich: Eigentlich wollten wir keine Wirtsleute werden. Ich habe Kommunikationswissenschaft und Sport studiert, wollte Sport- und Sozialkundelehrer werden. Und dann eine Kneipe. Wir wussten ja gar nicht, wie das funktioniert.

SZ: Was wird Ihnen besonders fehlen aus dem Heppel?

Heppel: Die Musikbox, aber die haben wir schon verkauft.

Ettlich: Die war der Knüller...

SZ: Erinnern Sie sich an besondere Abende?

Heppel: Ach, da gab es so viele.

SZ: Warum war das Heppel immer so beliebt? Was war das Besondere?

Ettlich: Die Atmosphäre. Hier kamen die Generationen zusammen, zum Beispiel bei "Rock mal wieder". Die Jungen standen auf der Straße Schlange, um am Sonntag Musik zu hören.

Heppel: Außerdem gab es damals in Schwabing zu wenig Alternativen...

Ettlich: Nee, nee, Henny, Du musst schon sagen (lacht), wir waren einfach coole Typen. Wir standen an der Bar, waren eine gute Crew und haben nicht alles so ernst genommen. Ob mal ein Hunderter gefehlt hat oder nicht.

SZ: Was nehmen Sie von der Kneipe als Erinnerung mit?

Heppel: Einen Tisch.

Ettlich: Den runden Tisch und zwei Lampen.

SZ: Was werden Sie jetzt machen?

Heppel: Ich mache einen Donnerstag in der Amanda-Bar. Hier nichts mehr. Das ist vorbei.

Ettlich: Ich werde wunderschöne Dokumentarfilme machen. Der Bayerische Rundfunk wartet darauf (lacht).

SZ: Also nie wieder Buletten?

Ettlich: (zögert) Ach, ich weiß nicht.

SZ: Doch noch mal Kneipe?

Ettlich: Unser Traum war es schon immer, einmal eine Currywurstbude aufzumachen. Unsere Currywurst wäre wirklich stilecht. Die Mischung des Ketchups ist ein Spezialrezept aus Berlin, das wir für 50 Mark gekauft haben, oder, Henny?

Heppel: Ja. Weil der Chef nicht da war, schrieb mir die Aushilfe einer Berliner Bude das tolle Rezept auf den Pappteller.

SZ: Das klingt, als ob dieser Traum bald Wirklichkeit werden könnte...

Ettlich: Na ja (räuspert sich), wir sind tatsächlich an einer Bude interessiert. Die Berliner gehören nach Schwabing. Vielleicht mit einen Heppel-und-Ettlich- Stand...

SZ: ...mit Kulturbeilage.

Ettlich: Genau. Mal sehen!

SZ: Egal, was Sie machen, Sie werden sich nicht aus den Augen verlieren?

Ettlich und Heppel (gemeinsam): Bestimmt nicht.

Ettlich: Wir haben uns 55 Jahren täglich gesehen oder zumindestens einmal miteinander telefoniert. Dann gab es für uns die Kaiserstraße. Dass es das nicht mehr gibt, ist ein komisches Gefühl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: