Wenn Musikerinnen und Musiker sich in die Abgeschiedenheit zurückziehen, um dort kreativ zu werden, ergibt das stets eine griffige Erzählung mit waldhüttenromantisch geprägtem Rahmen. Dabei ging und geht es etwa Folk-Stars wie Adrianne Lenker (die am liebsten in der Einsamkeit amerikanischer Wälder an ihren Solo-Alben arbeitet) oder Justin Vernon (der das Debüt seines Bandprojekts Bon Iver einst alleine in einer Jagdhütte in Wisconsin aufnahm) natürlich nicht um musikjournalistische Verwertbarkeit – sondern um den Sound und die inspirierende Wirkung des Ortes selbst.
Das ist auch bei der Münchner Songwriterin Henny Gröblehner alias Henny Herz nicht anders. Für ihr traumschönes neues Album „We All Heal At Night“ hat sie sich gleich zweimal in ein altes, von Bäumen und Wiesen umgebenes Häuschen auf dem tschechischen Land samt rauschendem Bach im Garten zurückgezogen. Einmal im tiefsten Winter, um sich in schneegedämpfter Atmosphäre ins Songwriting zu versenken. Und einmal im Hochsommer, um sich zusammen mit dem Multiinstrumentalisten Nicholas Stampf im entlegenen Idyll des Ortes an die Aufnahmen zu machen.

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Ebendie entstanden dort unter Rahmenbedingungen, die kaum weiter von jenen eines professionellen Studios entfernt sein könnten. Aber ein möglichst reiner Klang war hier sowieso nicht das Ziel. Ohne Laptop oder sonstige digitale Unterstützung, dafür aber mit einem alten Tascam Kassettenrekorder und einer akustischen Gitarre ausgestattet, ließ sich Henny Herz lieber fern jeder Studiotaktung von der Musik leiten und versuchte dabei vor allem die Magie des Moments einzufangen.
Zumeist, indem sie sich den Songs im gefühlt richtigen Augenblick widmete und sie somit nach maximal drei Takes im Kasten hatte. (Mehr Versuche gab das mitgebrachte Kassettenmaterial als Begrenzung eh nicht her.) Manchmal aber auch, indem sie ein anderthalbminütiges Extrakt wie das eröffnende „Intro verte“ aus einer halbstündigen Improvisation auf der Terrasse des Hauses herausfilterte.
Das Ergebnis dieses Ansatzes ist ein Album, dem man seine besondere Entstehungsgeschichte zu jeder Zeit anhört. Sei es im süßen Vogelgezwitscher, das nicht wenige der 14 Songs und Instrumentals im Hintergrund untermalt. Sei es im feinen Quietschen der Saiten, in dem eine bezirzende Form der Unmittelbarkeit liegt.
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Noch viel wichtiger aber: Henny Herz erzielt mit „We All Heal At Night“, auf dem sich folkige und kammerpoppige Elemente aufs Schönste vereinen, genau jenen Höreffekt, den sie mit der ätherischen Qualität und dem Tiefgang ihrer neuen Songs erreichen wollte. Fördern doch all die filigranen Fingerpickings und die glockenhelle Stimme der Musikerin ebenso ein wohliges Gefühl der Tiefenentspannung zutage wie die sorgsam im Nachgang eingearbeiteten Streicher und Flöten, Klavier- und Gitarrensprengsel, die dieser Platte zusätzliche Klangfarben verleihen.
Das Geheimnis dieses Entspannungseffekts liegt neben den harmonischen Arrangements womöglich auch darin, dass sämtliche Songs vom warmen Klang einer Nylongitarre getragen werden, die auf die Frequenz von bei 432 Hertz gestimmt ist. 432 Schwingungen pro Sekunde also, die sich nach audiophilem Dafürhalten beruhigend auf das Gehirn auswirken und das Nervensystem positiv beeinflussen sollen.
Daran mag man nun zweifeln oder auch nicht. Fest steht indes, dass Henny Herz’ drittes Album nach den auf Englisch, Französisch und Deutsch eingesungenen Experimentierfeldern von „Back Into Space“ und dem dynamisch zwischen Zartheit und Wucht changierenden „Two Colours To Combine“ ihr bisher feingliedrigstes, ausgewogenstes und bestes ist. Dem überschaubaren Kosmos des von Florian Kreier (aka Angela Aux) ins Leben gerufenen Labels „Inselgruppe“ fügt sie damit weit mehr als nur eine neue Nuance hinzu. Eher schon ein kleines Folk-Meisterwerk voller guter Schwingungen.