Hemmnisse für moderne Architektur in München:Die Wohnungsnot und das mutlose Planungsreferat

SZ-Leser blicken neidisch nach Barcelona oder Kopenhagen - und eine Stadtviertelpolitikerin wünscht sich mehr Mitspracherecht beim Bau

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"Alles nur geerbt" vom 29./30. Juli und die moderne Architektur in München:

Wenig wegweisend

Vielen Dank für Ihren beherzten Aufruf zu einer couragierteren Baukultur, Herr Matzig. Dem kann man nur mit Nachdruck zustimmen. Herrn Reiters "Instant"-Neubau am Dantebad in diesem Zusammenhang als wegweisend aufzuzeigen, erscheint mir allerdings fragwürdig. Zweifellos ist diese Leistung sehr beachtlich. Aber mit Schnelligkeit allein wird man das Niveau des geerbten Stadtbildes sicherlich nicht fortsetzen können. In Ihrem Artikel über Hochhäuser hatten Sie einen Blick über den Münchner Tellerrand gewagt, der in diesem Beitrag leider fehlt. Längst ist in Städten wie Amsterdam, Barcelona, Basel oder Kopenhagen die Architekturszene zu einem bedeutenden Teil des Markenkerns geworden. Während in München Wegweiser zum Oktoberfest auf die Bürgersteige gemalt werden, liegen dort in den Hotels Architekturführer aus. Die Stadt entschuldigt das weitgehend dürftige, nicht selten unterirdische Niveau des Baugeschehens mit dem stumpfen Schwert der Bauordnung und zeigt leider wenig Initiative, einen differenzierten Diskurs über Baukultur zu etablieren und die Akteure so zu mehr architektonischem Anspruch zu bewegen.

Ulrich Pfannschmidt, München

Allmonatliches Grauen

Der Bezirksausschuss als Stadtteiloberaufseher und damit Architekturverhinderer!? Schön wär's! Bei Bauvorhaben haben die Bezirksausschüsse lediglich ein "Anhörungsrecht" - und zwar für das, was bereits wohlwollend durch Stadtgestaltungskommission, Stadtplanung und Lokalbaukommission (LBK) gegangen ist. Auf unserem Tisch landet deshalb einfallsloseste Investorenarchitektur, Stadtteile mit klinischem Lego-Charme (aber ohne die Farbe), und die Nachverdichtung erfüllt vollumfänglich die "quadratisch, praktisch, gut"-Kriterien. Und selbst die interessante Herausforderung der Aufstockung des BayWa-Hochhauses an exponierter Stelle gerät zur architektonischen Banalität, die einer Metropole wie München schlichtweg nicht würdig ist. Finden wir das als Stadtteilvertreter gut? Nein! Können wir dagegen etwas tun? Nein! Außer einen Kommentar abzugeben, der dann von der Stadt konsequent ignoriert wird. Übrigens genau wie 99 Prozent der Eingaben zu Bebauungsplänen im Rahmen der Bürgerbeteiligung. Dem Dekret "wir brauchen mehr Wohnungen!" wird die Architektur nämlich komplett untergeordnet, von einem (stadt)gestalterischen Konzept reden wir erst gar nicht. Und wenn es mal ein gelungenes Ergebnis eines Wettbewerbs gibt, muss man gut drauf aufpassen: Nicht, dass es leise, still und heimlich aus Kostengründen eingestampft oder eine Glas- zur Betonlärmschutzwand wird. Natürlich ohne den Bezirksausschuss darüber zu informieren, geschweige denn anzuhören.

Wir als gewählte Stadtteilvertreter beobachten diesen mutlosen, architektonischen Brei genau wie Sie mit großer Sorge, nur sollten Sie hier Frau Merk als Stadtbaurätin in die Pflicht nehmen. Sie hat qua Amt die Aufgabe und die Möglichkeiten, mutige und innovative Akzente zu setzen, die dem Anspruch einer Stadt wie München gerecht werden. Im Moment versündigen wir uns de facto am Stadtbild. Grundsätzlich wünschen wir uns als Bezirksausschuss erst einmal ein echtes Mitsprache- und kein "zähneknirschendes" Anhörungsrecht. So lange das nicht so ist, ist es nur fair, wenn der architektonische Schwarze Peter im Rathaus bleibt und nicht den Bezirksausschüssen zugeschoben wird. Und Herrn Matzig begrüßen wir gerne bei einer der kommenden Unterausschuss-Sitzungen im Bereich Planung, damit er sich dort ein praktisches Bild vom allmonatlichen Grauen machen kann.

Petra Cockrell, Bezirksausschuss 13, München-Bogenhausen

Immer rückwärts, nie vorwärts

Selten hat mir ein Autor derart aus der Seele gesprochen wie Herr Matzig - Münchens Architektur, ein Trauerspiel! Und fast täglich ist aufs Neue zu beobachten, wie innovative Ideen im Keim erstickt werden und wir immer wieder zu bewahrender und schlimmer noch historisierender Bauweise zurückkehren. Mein Vater hat nach dem Krieg mit Kollegen an der Ausschreibung zur Neubebauung des Marienplatzes teilgenommen, ich unterstelle, keiner dieser Entwürfe hätte heute Erfolg - nahezu 70 Jahre später! Gerne einzusehen im Archiv der TU München. München eine Weltstadt? Wird wohl nie was draus.

Eva Michaeler, München

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