Bauernhäuser, Ställe und Scheunen wie in einem oberbayerischen Dorf werden nahe dem Auer Mühlbach stehen, hinter Jägerzäunen weiden bedrohte Haustierarten wie das Murnau-Weldenfelser Rind oder die Girgentana-Ziege, auch kleine Wildtiere wie Erdkröte, Ringelnatter oder Feuersalamander finden ein Refugium, und im Fischbruthaus am Bach züchten Fachleute seltene heimische Arten.
Und dennoch: Dies soll keine bukolische Idylle für Träumer werden, kein bäuerliches Disneyland, sondern ein Lern- und Entdeckungsort für Kinder und Erwachsene. Unter dem Titel "Mühlendorf" plant der Tierpark Hellabrunn ein "einzigartiges Naturerlebnis- und Bildungszentrum" (so Zoodirektor Rasem Baban), in dem die heimische Biodiversität, also die Artenvielfalt, im Blickpunkt steht.
Dazu soll der bisherige Kindertierpark in zwei Bauabschnitten bis zum Sommer 2019 in eine Landschaft mit dörflichem Charakter verwandelt werden. Die Kosten des Projekts, zu dem auch eine neue Zooschule gehört, veranschlagt der Tierpark auf rund 16 Millionen Euro.
"Wir wollen aufklären, wie der Mensch in die Natur eingreift und welche Auswirkungen es hat", sagte Baban bei der Präsentation der Pläne am Donnerstagsmorgen. Die dazu dienliche Kulisse ist das Mühlendorf, ein 23 000 Quadratmeter großes Tierparkareal, das die Besucher über eine Brücke am äußersten Winkel der Polarwelt betreten werden. Die Planung des Dorfs hat das Berliner Architekturbüro dan pearlman übernommen, zu dessen Spezialgebieten die Erlebnisarchitektur gehört. Den neuen Gebäuden müssen die Ställe aus den Achtzigerjahren weichen, deren Entsorgung aufwendig ist, weil die Dächer aus asbesthaltigen Materialien bestehen.
Eine bäuerliche Arche Noah
Baban hofft, dass Kinder und Jugendliche beim Beobachten der Haustiere nicht nur manches über deren Verhalten erfahren, sondern auch eine Ahnung bekommen, von welchen Wildtieren sie abstammen. "Wir versuchen, die Zusammenhänge zu erklären und die Vielfalt des Lebens anhand der einheimischen Fauna und Flora zu zeigen." Diese Vielfalt, auch daran erinnerte Baban, ist gefährdet, denn die heutige Landwirtschaft funktioniert in der Regel ganz anders als der künftige Betrieb im Mühlendorf, in dem es nicht um die rücksichtslose Steigerung der Produktion geht.
Auf der bäuerlichen Arche Noah im Tierpark Hellabrunn soll es eher so zugehen wie in Zeiten, als der Mensch im Einklang mit der Natur gelebt hat. Dass diese Zeiten vorbei sind, werden die Besucher gleichwohl erfahren: "Wir wollen auch die Auswüchse zeigen", sagt Zoodirektor Baban.
Ein wesentlicher Teil des didaktischen Konzepts wird die Zooschule sein, die es seit 1987 in allerdings beengten Verhältnissen gibt. Für die Schule, die jährlich rund 350 Lehrveranstaltungen anbietet, wird im Mühlendorf ein eigenes Gebäude errichtet. Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), die auch Aufsichtsratsvorsitzende des Tierparks ist, erwartet viel von der zoologischen Bildungseinrichtung: "Mit dem Neubau einer hochmodernen Zooschule bieten sich durch die unmittelbare Nähe zu den Bauernhoftieren nochmal ganz neue Möglichkeiten für einen praxisnahen Unterricht und direkte Tierkontakte."
Entsprechend gehört zum Schulhaus auch ein Ziegenstall, den die Schülerinnen und Schüler gegebenenfalls auch mal ausmisten dürfen (oder müssen). Der pädagogische Zweck liegt auf der Hand: Sie sollen erfahren, dass bäuerliche Landwirtschaft eine Menge Arbeit mit sich bringt. Ein Bauernhof ist nun mal kein Streichelzoo.
Die Zooschule, die derzeit drei Lehrkräfte hat, ist ein Projekt des Referats für Bildung und Sport. Aus dessen Kasse fließt auch das Geld für den Neubau, der etwa 3,2 Millionen Euro kosten wird. Allerdings fehlt noch die Zustimmung des Stadtrats, an der Strobl aber keinen Zweifel hat.
Als Sponsoren für das Hellabrunner Mühlendorf betätigen sich auch die Stadtsparkasse München und die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, der 50 Prozent der Augustinerbrauerei gehören. Catherine Demeter, die als Erster Vorstand der Stiftung fungiert, begründete das finanzielle Engagement mit dem Hinweis auf den prekären Zustand der Umwelt. "Wie die Klimakonferenz wieder gezeigt hat, ist es bereits eine Minute vor Zwölf für unsere Erde."
Das Umweltbewusstsein schärfen
Die Stiftung habe es sich zur Aufgabe gemacht, mit Vorträgen und Workshops das Umweltbewusstsein der Menschen zu schärfen. Catherine Demeter sieht in dem Mühlendorf-Projekt eine große Chance: "Wie könnten wir die Menschen besser erreichen als durch den attraktiven Zoo Hellabrunn, der besonders die Jungen anlockt, die mit ihrer Neugier alles erforschen und für alles offen sind?"
Wie hoch die Summe ist, welche die Haberland-Wagner-Stiftung spendiert, wollte Demeter nicht verraten. Tierparkchef Rasem Baban aber versicherte: "Die Beteiligung ist sehr großzügig."