Heiratsurkunde in München aufgetaucht:Bert Brecht und seine amourösen Verwicklungen

Heiratsurkunde in München aufgetaucht: Am 3. November fand dann die Trauung statt. Die Ehe zwischen Bert Brecht und Marianne Zoff hielt jedoch nicht lange.

Am 3. November fand dann die Trauung statt. Die Ehe zwischen Bert Brecht und Marianne Zoff hielt jedoch nicht lange.

(Foto: Stadtarchiv)

Großes Theater, turbulente Liebschaften: Im Münchner Stadtmuseum ist nach mehr als acht Jahrzehnten eine interessante Heiratsurkunde aufgetaucht. Sie zeugt von der Hochzeit des Schriftstellers Bert Brecht - und viel schmutziger Wäsche.

Von Wolfgang Görl

Was Frauengeschichten betrifft, bietet der Schriftsteller Bertolt Brecht einigen Stoff, und zwar nicht nur literarischen. Den Begriff "Treue" legte der Mann insofern großzügig aus, als die Freiheit, auch in anderen Betten sein Glück zu suchen, ihm selbst gestattet war, nicht aber der jeweiligen Geliebten. Ein frühes und überdies amtliches Zeugnis für Brechts amouröse Verwicklungen ist jüngst im Münchner Stadtmuseum aufgetaucht.

Es handelt sich, neben anderen Dokumenten, um die Heiratsurkunde Nr. 1893, ausgestellt am 3. November 1922 vom Standesamt München I. Darin steht zu lesen: "Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschienen heute zum Zwecke der Eheschließung: 1. der Bühnenschriftsteller Eugen Bertold Friedrich Brecht (. . .), 2. die Opernsängerin Marianne Josephine Zoff." Als Trauzeugen unterzeichneten "Dr. phil. Lion Feuchtwanger" und Otto Müller-Eisert, ein 22-jähriger Student der Medizin.

Dieser Bund fürs Leben dauerte nicht lange, offiziell endete er 1927. Doch davon später. Zunächst noch ein Blick auf die amtlichen Schriftstücke, die mehr als 80 Jahre in den Archiven des Münchner Standesamts verborgen waren. In einem Aufsatz für das Dreigroschenheft, eine in Augsburg erscheinende Zeitschrift zur Brecht-Forschung, berichten der Stadtarchiv-Historiker Anton Löffelmeier und der Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer über den Fund.

Anfang 2009 trat eine Reform des Personenstandsrechts in kraft, die es Wissenschaftlern erleichtert, standesamtliche Register für die Forschung zu nutzen. Die neue Regelung sieht vor, Geburts-, Heirats- und Sterberegister nach Ablauf einer Frist den öffentlichen Archiven anzubieten. So gelangten im September 2009 insgesamt 580 Meter Akten ins Stadtarchiv - darunter die Heiratsurkunde Brechts.

In einem Interview im Jahr 1981 schilderte die ehemalige Braut die Trauung so: "Es war eine stille, kleine Hochzeit. Lion Feuchtwanger und Brechts Schulfreund Müller-Eisert fungierten als Trauzeugen. Wir hatten zwei Zimmer in der Akademiestraße, ein paar Möbel und eine ungewisse Zukunft." Der Hochzeit vorausgegangen war der übliche Papierkrieg, dessen Materialien ebenfalls im Stadtarchiv lagern. Am 31. Oktober 1922 waren Marianne Zoff und Bert Brecht im Standesamt erschienen, um das Aufgebot zu bestellen.

Aus den beigefügten Schriftstücken schließen Löffelmeier und Heißerer, dass Marianne Zoff, die im März 1921 von Brecht schwanger gewesen war, bereits zum damaligen Zeitpunkt die Hochzeit plante. Brecht aber sträubte sich dagegen. Im Mai verlor die junge Frau ihr Kind, weshalb die Heiratspläne erst einmal zurückgestellt wurden - vermutlich zu Brechts Erleichterung. Als seine Geliebte erneut schwanger wurde, geriet das Thema Hochzeit abermals auf die Tagesordnung des Paares. Neben anderen Dokumenten wie Marianne Zoffs Geburts- und Taufschein, ausgestellt vom Pfarramt Hainfeld in Niederösterreich, findet sich in den Akten auch das "Ehefähigkeitszeugnis" der Braut, das die Politische Bezirksverwaltung in Brünn angefertigt hatte.

Den Bestimmungen zufolge musste das Eheaufgebot zehn Tage lang öffentlich ausgehängt werden, um jedermann Gelegenheit zu geben, Einspruch zu erheben. Solange wollten Zoff und Brecht nicht warten, weshalb deren Rechtsanwalt, der Hofrat Alexander Dillmann, darum bat, die Frist zu verkürzen. Interessant ist die Begründungs des Gesuchs: "Die Braut", schrieb Dillmann, "befindet sich im 5. Monate der Schwangerschaft (ärztl. Zeugnis in der Anlage) und hat infolgedessen ein besonderes Interesse, dass der Tag der Geburt des Kindes nun möglichst lange vor dem Hochzeitstage liege." Eigentlich hätte man nicht erwartet, dass Brecht, der bereits die ganz und gar nicht brav-bürgerlichen Dramen "Baal" und "Trommeln in der Nacht" verfasst hatte, bei der Terminierung seiner Hochzeit den gängigen Moralkodex berücksichtigen würde.

Möglicherweise aber war es seine Braut, die nicht noch mehr ins Gerede kommen wollte. Wie auch immer - die Bitte um eine rasche Vermählung bekräftigte Anwalt Dillmann noch mit einem zweiten Argument: "Der Bräutigam, der durch die erfolgreiche Uraufführung seines Stückes ,Trommeln in der Nacht' (Kammerspiele) bekannt gewordene Bühnenschriftsteller Berthold Brecht, muss zur Vorbereitung der Erstaufführungen in Berlin etc. München auf längere Zeit zu Beginn nächster Woche verlassen. Er begibt sich dann zur Vorbereitung der verschiedenen in ganz Deutschland angesetzten Erstaufführungen auf ein längeres Reiseleben und kann ohne Berufsstörung und ohne große Kosten nicht so rasch wieder hierherkommen."

Den Standesbeamten leuchtete die Argumentation offenbar ein. Am 2. November wurde das "Aufgebot / N. 1862" im Schaukasten des Rathauses ausgehängt, einen Tag später fand die zivilrechtliche Trauung statt. Am 12. März 1923 brachte Marianne Brecht in der Münchner Wohnung des Ehepaars die gemeinsame Tochter Hanne zur Welt.

Nicht die einzige Frau

Die Münchner Standesamt-Akte Brecht erfuhr 1927 noch eine Ergänzung, die den amtlichen Schlusspunkt zu dieser von Anfang an unglücklichen Liaison setzte. Am 22. November 1927 wurde die Ehe nach mündlicher Verhandlung durch ein Urteil des Landgerichts Berlin III geschieden. Eine beglaubigte Abschrift des Richterspruchs ging an das Standesamt München.

Dazu muss man wissen, dass Marianne Zoff keineswegs die einzige Frau war, der Brecht in der fraglichen Zeit seine Aufmerksamkeit schenkte. Zum einen gab es da noch seine Jugendliebe Paula Bannholzer, die Mutter seines 1919 geborenen Sohnes Frank. Von Paula, die er "Bi" nannte, konnte er auch dann nicht ganz lassen, als er in Marianne Zoff eine neue Geliebte fand. 1924 wiederum verliebte sich der mittlerweile nach Berlin gezogene Brecht in die Schauspielerin Helene Weigel, die am 3. November desselben Jahres den gemeinsamen Sohn Stefan zur Welt brachte. Was Marianne Brecht, geborene Zoff, von den Eskapaden ihres Mannes hielt, lässt sich denken.

Löffelmeier und Heißerer zitieren in ihrem Aufsatz eine aufschlussreiche Passage aus den Erinnerungen Marta Feuchtwangers. Diese hatte Marianne Zoff mit dem Argument zu beschwichtigen versucht, man müsse auf manches verzichten, wenn man mit einem Genie verheiratet sei. Für die unglückliche Gattin war das kein Trost. Sie antwortete: "Ich will kein Genie (. . .). Ich will einfach einen Mann, der mich liebt."

In der Aktensammlung des Standesamts ist nachzulesen, wie bei der folgenden Scheidung gschmutzige Wäsche gewaschen wurde. Weil damals das Schuldprinzip galt, versuchten beide Parteien, den jeweils anderen für das Scheitern der Ehe verantwortlich zu machen. Brecht schob seiner Frau die Schuld in die Schuhe, weil diese ein Verhältnis mit dem Schauspieler Theo Lingen hatte. Im Gegenzug konnte Marianne Zoff auf Brechts Konkubinat mit Helene Weigel verweisen. Immerhin lebten die beiden in Berlin zusammen und hatten ein gemeinsames Kind.

Das Gericht beendete den Rosenkrieg mit der Entscheidung, die Ehe-Misere beiden gleichermaßen anzulasten. Für das Standesamt München war die Sache Brecht damit erledigt.

Marianne Zoff und Theo Lingen heirateten Anfang 1928. Brechts Tochter Hanne wuchs bei ihrer Mutter und dem Stiefvater auf. Hanne Hiob - sie, die große Schauspielerin, Ehefrau des Arztes Joachim Hiob, war gewiss das berühmteste der Brecht-Kinder. Brecht wiederum heiratete Helene Weigel am 1. April 1929. Im Übrigen setzte er sein Leben in gewohnter Manier fort: großes Theater, turbulente Affären.

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