Süddeutsche Zeitung

Heimwerken:Die rollende Bastelstube

Lesezeit: 3 min

Nach 20 Jahren im Büro hat Peter Michalsky einen blauen Bus gekauft und die "Tüftelei" gegründet. In seiner mobilen Werkstatt können Kinder bei Geburtstagen ebenso basteln wie Mitarbeiter von Firmen

Von Sabine Buchwald

In Peter Michalskys blauem Bus steht oder hängt nichts zufällig. Für jedes Werkzeug gibt es eine Halterung. Damit gleich klar ist, wo etwa welche Säge ihren Platz hat, ist ihr Umriss an die Wand gemalt. Bohrmaschinen stecken in ausgesägten Löchern. Die Sitzbank lässt sich wegklappen, mit wenigen Handgriffen aus einem Kasten ein Bett einrichten. Auf einem Ablagebrett aus rohem Fichtenholz steht zwischen einem Stapel Hartplastikbecher und dem Buch "Weltwissen der Siebenjährigen" eine gerahmte Postkarte. Zu sehen ist ein Hund im Sprung über eine Wasseroberfläche. Darüber steht der Spruch: "Mut zu haben bedeutet, eine Zeit lang den Boden unter den Füßen zu verlieren."

Peter Michalsky hat Mut bewiesen, als er 2018 nach fast 20 Jahren seinen Job kündigte. Die Arbeit hatte sich schon eine Weile nicht mehr richtig angefühlt, sagt er. Im April wird er 45 und er hat sich einen neuen Lebensinhalt geschaffen. Er nennt ihn "Tüftelei", was despektierlicher klingt, als die Sache in Wirklichkeit ist. Denn Michalsky bietet damit nicht nur sich selbst die Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren, sondern auch anderen. Und das macht Sinn und viel, viel Spaß.

Graumeliertes kurzes Haar, kräftige Oberarme, über T-Shirt und Jeans eine blaue Leinenschürze, so steht der Münchner in seinem Mercedesbus. Er hat ihn aus Holland importiert und von Food-Truck-Spezialisten in Sendling ausbauen lassen. Eine große Scheibe im Dach lässt die Sonne in das Auto scheinen, verheimlicht auch Regentropfen nicht. Eine Seitenklappe verbindet das Innere mit der Außenwelt. Im Dezember stand Michalsky mit seinem Gefährt auf dem Märchenbazar am Leonrodplatz. Kinder konnten einsteigen und mitbasteln, etwa Lederarmbänder mit Punzen dekorieren oder Schuhbürsten zu selbstfahrenden Malgeräten umfunktionieren. Am Ende gab es ein Wettrennen, das Graffiti hinterlassen hat.

Basteln oder Tüfteln, egal wie man es nennt, das habe ihm schon immer gefallen, sagt Michalsky. Einfach mal in den Baumarkt fahren, Holz holen, einen Waschtisch bauen; oder einen Baumstamm zu einem Kleiderständer veredeln, solche Dinge hat er am Wochenende nach einem dichten Büroalltag zum Ausgleich geschaffen. Durch seine heute neunjährige Tochter bekam der Betriebswirt ein Gefühl für Bedürfnisse von Kindern. In Testworkshops mit Familie und Freunden hat er im Frühsommer ausprobiert, was bei jungen Menschen ankommt. An eigenen Ideen mangele es ihm nicht, außerdem sei das Internet voll mit Do-it-yourself-Vorschlägen, sagt Michalsky. Wer mit Kindern arbeitet, braucht aber auch pädagogisches Geschick. Michalsky ist kein Profi, aber ein feinfühliger Charakter. "Anfangs haben die meisten Kinder wenig Selbstvertrauen, etwas mit der Hand zu machen", hat er beobachtet. Viele seien es nicht gewohnt, mit Werkzeug umzugehen und Ideen umzusetzen. Zudem hat er festgestellt: Freitags nach einer Schulwoche sind die Kinder müde. Samstags und sonntags oder in den Ferien ist das Geschnatter im Bus intensiver, die Stimmung gelöster.

Man kann Michalsky und seinen Bus zum Beispiel für Kindergeburtstage buchen. Für maximal zehn kleine Tüftler ist Platz an der drei Meter langen Werkbank. Handys bleiben in der Tasche, sind höchstens als Kameras gestattet. Für den Bus finde sich immer ein Standort. Sogar mitten in der Stadt. Er habe schon am Straßenrand auf Autoparkplätzen gestanden, erzählt Michalsky. Im vergangenen Sommer war er beim Streetlife-Festival dabei, am Wochenende wird er auf der Messe Make Munich vertreten sein. Dort will er Handlettering anbieten, allerdings holt er dafür eine Dozentin. Sie soll den Teilnehmern beweisen, dass jeder kunstvoll schreiben kann. Er selbst wird mit seinem Lieblingswerkstoff Holz arbeiten. Blumenampeln sollen es werden, das Material liegt schon im Bus bereit. Außerdem will er aus Abfallprodukten unkonventionelle Roboter bauen lassen, die am Ende wie Sumo-Ringer gegeneinander antreten. Michalsky grinst. Die Vorstellung gefällt ihm.

Er ist schon ein ganzes Stück weit gekommen mit seinem Werkstattwagen. Er weiß, dass er Durchhaltevermögen braucht, um bekannt zu werden und irgendwann davon leben zu können. Er hat schließlich Betriebswirtschaftslehre studiert und kennt sich aus mit Zahlen. Einen Businessplan hat er aber nicht geschrieben für die Tüftelei. "Sonst gäbe es das Ding hier nicht", sagt er. Gerne würde er in Zukunft mehr Firmenworkshops abhalten. In selbstgemachten Sachen stecke viel Energie. Das möchte er die Menschen spüren lassen. Da er selbst IT-affin sei, wie er sagt, beharre er auch nicht nur auf analogen Basteleien.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2019
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