Hearing zum Nahverkehr:Die Milliardenröhre und ihre Varianten

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Zweiter S-Bahn-Tunnel, Südring, Nordtunnel oder U9: Politiker erhoffen sich Durchblick im Planungsdschungel um neue Bahnstrecken durch die Innenstadt.

Dominik Hutter

Zweite Röhre gegen Südring, U9 gegen Nordtunnel: So lauten die Paarungen der beiden Nahverkehrsduelle, die an diesem Mittwoch im Großen Sitzungssaal des Rathauses ausgetragen werden. Zwar ist der Stadtrat lediglich für die U9 als kommunales U-Bahn-Projekt zuständig. Die Politiker wollen sich aber bei der mehrstündigen Expertenanhörung einen Überblick im Planungsdschungel verschaffen - die Vielzahl der Vorschläge, die sich teilweise gegenseitig ausschließen, macht das Terrain der Verkehrspolitik unübersichtlich.

Der Stadtrat diskutiert Varianten für neue Bahnstrecken durch die Innenstadt. (Foto: Foto: Robert Haas)

Mit Spannung erwarten Politiker wie städtische Experten vor allem den Vortrag von Ministerialdirigent Hans Peter Göttler aus dem Verkehrsministerium, der die jüngste Umplanung des zweiten S-Bahn-Tunnels (SZ berichtete) offiziell vorstellen will. Die geänderte Streckenführung durch Haidhausen, die einer verbesserten Flughafenanbindung geschuldet ist, wurde am Dienstag vom bayerischen Kabinett gebilligt.

Diskussion um Südring "light"

Offiziell beschlossen wird bei dem Experten-Hearing im Rathaus zwar nichts. Im Anschluss an die Vorträge ist aber eine zweistündige Diskussion geplant. Erstmals haben auch inoffizielle Verkehrsplaner die Chance, ihre Varianten zur Amtslösung zweiter S-Bahn-Tunnel vorzutragen: das Verkehrsberatungsbüro Vieregg-Rößler, das teils im Auftrag der Grünen, teils auf eigenes Risiko Pläne für einen stufenweisen Ausbau des Südrings entwickelt hat. Und das in Privatinitiative handelnde Trio Stefan Baumgartner, Thomas Kantke und Dietz-Ulrich Schwarz, das mit seinem Vorschlag für einen kostengünstigen Südring "light" seit Monaten durch die Veranstaltungssäle tourt.

Deren Kritik am zweiten S-Bahn-Tunnel wird von den Grünen in Stadtrat wie Landtag, der FDP-Stadtratsfraktion und den Freien Wählern geteilt. Der grüne Landtagsabgeordnete Martin Runge prophezeit der von Verzögerungen, Kostensteigerungen und Umplanungen geprägten Variante das baldige Aus. Die Milliardenröhre, die sich 2001 bei einer vergleichenden Untersuchung gegen den Südring durchgesetzt hat, verfügt jedoch über eine klare Mehrheit in Stadtrat und Landtag. Eine "Rückbesinnung" auf den eigentlich schon aussortierten Südring, so betonen Experten, könne die S-Bahn-Debatte um neun Jahre zurückwerfen.

Die Südring-Befürworter argumentieren hingegen, dass beide heutigen Vorschläge nichts mehr mit denen von 2001 zu tun hätten. Denn der Tunnel sei damals noch in geringer Tiefe und mit zahlreichen Bahnhöfen geplant gewesen, während der Südring durch willkürliche und somit entbehrliche planerische Vorgaben schlechtgerechnet worden sei. Die SZ stellt die Varianten vor, die am Mittwoch im Stadtrat diskutiert werden:

Ofizielle Lösung: Express-Trasse

2. S-Bahn-Tunnel: die offiziell verfolgte Lösung. Um weitere S-Bahn-Linien auf Zehn-Minuten-Takt umstellen und das Nadelöhr Stammstrecke entlasten zu können, soll eine zweite Innenstadtquerung in bis zu 40Metern Tiefe gebaut werden - parallel zum bestehenden Tunnel. Stationen soll es nur an Hauptbahnhof und Marienplatz geben, die Trasse wäre also Express-geeignet. Nach einer kürzlich erfolgten Umplanung müssen die Kosten neu berechnet werden, sie liegen etwa bei 1,6Milliarden Euro.

Südring: die Alternative zum Tunnel. Statt durch die Tiefe zu brausen, könnten die Züge zwischen Laim und Ostbahnhof die bestehende oberirdische Südumfahrung nutzen. Stopps wären am Heimeranplatz, an der Poccistraße und am Kolumbusplatz sinnvoll. Vieregg/Rößler schlägt einen stufenweisen Ausbau der auch vom Fern- und Güterverkehr befahrenen Strecke vor.

Separate S-Bahn-Gleise auf gesamter Länge, die zusätzliche Isarbrücke sowie ein neues Bahnviadukt durch Untergiesing sollen den Planern zufolge für 393Millionen Euro zu haben sein. Ziehe man die für den Fernverkehr ohnehin erforderliche Sanierung ab, blieben 240Millionen. Baumgartner, Kantke und Schwarz wollen hingegen mit einem preisgünstigen Minimalausbau den Südring für S-Bahnen im Zehn-Minuten-Takt fit machen. Die anderen 33 Züge je Stunde und Richtung sollen, nach Einbau technischer Verbesserungen, den alten Tunnel nutzen.

Alternativen: U9 oder Nordtunnel

U9: eine von der Stammstrecke unabhängige Planung, die der Entlastung der U-Bahn-Linien 3 und 6 dient. Zwischen Pocci- und Implerstraße soll vom bestehenden Tunnel aus eine Abzweigung zum Hauptbahnhof sowie zur Münchner Freiheit führen und dort wieder in die U6 münden. Eine Kostenschätzung gibt es noch nicht, nach Erfahrungswerten wären aber wohl zwischen 350 und 400 Millionen Euro fällig.

Nordtunnel: die von Vieregg/Rößler vorgeschlagene Alternative zur U9. Durch die 2,45 Milliarden Euro teure Röhre sollen neben S-Bahnen auch ein Airport-Express, die Regionalzüge Richtung Landshut sowie die ICEs nordwärts rollen - der Nutzen wäre also größer als bei einer reinen U-Bahn-Lösung.

© SZ vom 25.03.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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