Headhunter:Diese Frau jagt Frauen

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Jacqueline Bauernfeind hat das, was Unternehmen haben möchten: Die Telefonnummern von weiblichen Top-Talenten. (Foto: privat)
  • Jacqueline Bauernfeind sucht als Headhunterin Frauen für die oberste Führungsebene von Unternehmen.
  • Sie hat schon zahlreiche Frauen erfolgreich in die Firmen gebracht - und ist nicht nur in München bestens vernetzt.
  • Doch nicht immer muss ein Matching zwangsläufig zum Erfolg führen.

Von Daniela Kuhr

Die Frau, die Menschen an die Spitze bringt, residiert in einem feinen Altbau in einer Seitenstraße im Münchner Stadtteil Lehel. Die Blätter am Baum vor dem Haus sind gelb gefärbt, aber noch sind es so viele, dass sie die Fassade fast vollständig verstecken. Es ist ein diskretes Haus - und ein diskretes Geschäft. "Board Consultants International" ist in kleiner Schrift auf dem blank polierten Klingelschild neben der Eingangstür zu lesen.

Wer die mit blauem Teppich ausgelegte Treppe zum ersten Stock hochsteigt, stellt fest: alles sehr gepflegt, alles sehr hübsch. Pomp aber sucht man hier vergeblich. Nichts deutet darauf hin, dass diese Stufen einen ganz nach oben bringen können, sogar bis in den Vorstand eines Dax-Konzerns. Es sind gewissermaßen: Stufen zur Macht.

Macht? Jacqueline Bauernfeind, 58, lacht, als sie das hört. "Eigentlich empfinde ich die oberste Führungsebene gar nicht als so mächtig." Ein Satz, den man erst einmal sacken lassen muss. Doch die schlanke Frau mit den kurzen dunkelblonden Haaren sagt ihn nicht einfach so daher. Wenn jemand weiß, was Deutschlands Vorstände drauf haben müssen, was sie leisten müssen, was sie bewegen können und vor allem auch: was sie nicht bewegen können, dann ist das Jacqueline Bauernfeind.

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Die Position bring viele Zwänge mit sich

Die studierte Volkswirtin arbeitet seit Jahren für internationale Konzerne als Headhunterin. Bei vielen ihrer Aufträge geht es um Posten im Vorstand, Aufsichtsrat oder in der Geschäftsführung. Und deshalb weiß Bauernfeind: "Wer in einem internationalen Konzern ganz oben steht, erst recht in einem börsennotierten, der ist nur augenscheinlich mächtig." Man unterliege in dieser Position zu vielen Zwängen. Zudem stünden Topmanager unter enormem Druck: von Kunden, Analysten, Gesellschaftern, Arbeitnehmern und Öffentlichkeit. Die Freiheit, die man bräuchte, um wirklich von Macht sprechen zu können, "die hat man in solchen Positionen einfach nicht".

Warum sie das erzählt? Weil sie mit einem Irrtum aufräumen will. Es ärgert Bauernfeind, wenn sie immer wieder hört, Frauen täten sich schwer, nach oben zu kommen, weil ihnen angeblich der Wille zur Macht fehle. "Das ist die falsche Diskussion: Es geht vielmehr um Gestaltungswillen." Ehrgeiz, Selbstvertrauen "und eine gewisse Competitiveness", also einen gewissen Antrieb, sich mit anderen zu messen - "das sind die wichtigen Eigenschaften für Menschen, die an die Spitze wollen". Da aber kenne sie viele Frauen, natürlich auch in München, die diese Voraussetzungen mitbrächten. "Deshalb hatte ich auch noch nie ein Problem, wenn mich ein Klient beauftragt, für eine Spitzenposition speziell eine Frau zu suchen".

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Der Trend geht zu gemischten Teams

Solche Aussagen hört man noch nicht oft. Viel häufiger klagen Unternehmen, dass sie gern mehr Führungsposten mit Frauen besetzen würden, dass sie aber leider keine qualifizierten fänden. Die Wirtschaft steht unter Druck. Von kommendem Jahr an müssen die Aufsichtsräte von mehr als 100 großen, börsennotierten Unternehmen in Deutschland zu mindestens 30 Prozent mit Frauen besetzt sein.

3500 weitere Unternehmen müssen sich selbst ein Ziel setzen, in welcher Zeit sie wie viele Spitzenpositionen mit Frauen besetzen wollen. Für Mitglieder des Vorstands oder der Geschäftsführung gibt es zwar noch keine Quote, doch auch dort geht der Trend klar zu gemischten Teams. Ein Unternehmen, dessen Vorstand nur mit Männern besetzt ist, gilt als verstaubt, als nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Gefährlich ist das für das Image - und damit für den wirtschaftlichen Erfolg.

Die Unternehmensberatung Kienbaum hat mittlerweile ein ganzes Expertenteam darauf angesetzt, Unternehmen zu beraten, wie sie am besten die neuen Pflichten erfüllen. "Viele Betriebe mussten bereits bis Ende September mitteilen, welche Frauenquote sie anstreben", sagt Monika Berane, die diesen Female Desk leitet. Ihrer Erfahrung nach halten sich die Unternehmen allerdings noch zurück. "Die wenigsten haben schon den Mut, sich wirklich ehrgeizige Ziele zu setzen. Die meisten schreiben einfach den Status Quo fort."

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Wenn Bauernfeind einen Auftrag erhält, klärt sie zunächst in ausführlichen Gesprächen das Anforderungsprofil. Dann begibt sie sich auf die Suche im Markt. "Da schauen wir dann zum Beispiel, welche Unternehmen über Führungskräfte verfügen, die die gewünschten Eigenschaften und Erfahrungen besitzen. Parallel dazu kennen und begleiten wir natürlich über viele Jahre bereits viele interessante Kandidaten. Und schließlich hören wir uns permanent in der Branche um, wer sich wo mit besonders guter Leistung hervorgetan hat. Am Ende schlage ich dann meist so um die fünf Kandidaten vor." Darunter sind immer auch Frauen.

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Dass Bauernfeind noch nie Schwierigkeiten hatte, eine Position mit einer Frau zu besetzen, hängt ihr zufolge auch damit zusammen, dass sie nicht in der klassischen deutschen Industrie tätig ist, also weder für Autohersteller noch für Maschinenbauer arbeitet, sondern sich auf Unternehmen aus der Konsumgüter- und Modebranche sowie auf Handels- und Medienunternehmen spezialisiert hat, darunter auch große Münchner Firmen. "In diesen Branchen, erst recht in den internationalen Konzernen, werden Führungsposten seit Jahren selbstverständlich auch mit Frauen besetzt", sagt Bauernfeind. "Man hat mir im Gegenteil auch schon gesagt, es wäre schön, wenn wir ausnahmsweise mal wieder einen Mann finden könnten." Aber ihr sei völlig klar, dass das in anderen Branchen anders sei.

Eine Autoexpertin bei der Bahn

Die Deutsche Bahn etwa hatte kürzlich größte Schwierigkeiten, eine Frau für den Konzernvorstand zu finden. Bahnchef Rüdiger Grube war aber fest entschlossen, den Bereich Technik in Frauenhände zu legen - und entschied sich schließlich für eine promovierte Ingenieurin von BMW. Das Problem war jedoch: Sie hatte bislang "nur" den Bereich Motorenbau im BMW-Werk in München geleitet.

Der Sprung in den Konzernvorstand der Bahn war somit ein Sprung von der dritten in die erste Ebene. "Und der geht bei so einem großen und komplexen Gebilde eigentlich nie gut. Erst recht nicht, wenn man von außen kommt und im Haus überhaupt nicht vernetzt ist", sagt Bauernfeind. "Da würden auch die meisten Männer scheitern." Von daher wundert es sie überhaupt nicht, dass die Sache nicht gut ging. Nicht einmal zwei Jahre konnte sich die Frau auf dem Posten behaupten, mittlerweile ist der Bahnvorstand wieder fest in männlicher Hand.

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Es braucht Willen - und gute Netzwerke

So eine Karriere müsse behutsam aufgebaut werden, sagt Bauernfeind - und will nicht ausschließen, dass es im Technikbereich tatsächlich schwierig ist, genügend Frauen zu finden, die bereits jetzt für einen Posten im Vorstand qualifiziert sind. Trotzdem ist sie für die Quote. "Wenn wir nicht irgendwann einmal für Autos Katalysatoren zur Pflicht gemacht hätten, hätten die sich womöglich nie durchgesetzt." Genau so sei es mit der Quote. "Sie soll nur helfen, die Entwicklung in Gang zu setzen. Mit der Zeit wird es dann immer selbstverständlicher, Führungsposten mit Frauen zu besetzen." Im übrigen sei es auch überhaupt kein Drama, wenn eine Frau mal scheitere. "Ich habe so viele Fehlbesetzungen bei Männern gesehen, das erleben wir dann jetzt eben auch bei Frauen."

Dennoch hat die Headhunterin Unterschiede festgestellt. "Männer sind risikobereiter und haben weniger Selbstzweifel." Nur mal angenommen, es werde ein schwarzhaariger Mann mit 1,80 Meter Körpergröße gesucht - "dann kann es leicht passieren, dass zu mir ein rothaariger Mann, 1,68 Meter, kommt und sagt: Ich bin der Richtige für den Job." Wenn sie dann frage, wie er darauf komme, er bringe doch gar nicht die gesuchten Eigenschaften mit - "dann sagt er selbstsicher zu mir: doch."

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© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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