Haushalt 2017:Die Politik der leeren Kasse

Die Stadt kommt zwar um neue Schulden herum, hat aber ihre Reserven fast komplett ausgegeben. Der Kämmerer findet den Trend bedenklich. Doch für die Rathauskoalition ist alles "unspektakulär"

Von Heiner Effern

Die Stadt wird 2017 noch einmal knapp an der Aufnahme von neuen Schulden vorbeischrammen. Ihre flüssigen Rücklagen von mehr als einer Milliarde Euro vom Jahresbeginn 2015 wird sie aber bis auf einen Rest von 35 Millionen aufbrauchen. Das geht aus dem Haushaltentwurf hervor, den Kämmerer Ernst Wolowicz am Dienstag in den Stadtrat einbringen wird. Bei ihm überwiegt aber nicht die Erleichterung, neue Schulden noch einmal aufschieben zu können. "Die Zahlen sind bedenklich. Trotz Hochkonjunktur schafft es die Stadt, mehr auszugeben als einzunehmen", sagte Wolowicz.

Das geschehe nun nach 2015 und 2016 trotz Rekorderlösen etwa bei der Gewerbesteuer zum dritten Mal in Folge, sagt der Kämmerer. "Das kann man nur so lange durchhalten, wie man etwas auf der hohen Kante hat." Soll heißen: Diese Zeiten sind zu Ende. Allein im Jahr 2017 wird die Stadt laut den Prognosezahlen aus dem Haushaltsentwurf 289 Millionen Euro mehr ausgeben als sie einnimmt. Damit ist die Kasse leer, der Stadtrat hat sein Milliarden-Konto in nur drei Jahren komplett geplündert. Kämmerer Ernst Wolowicz sieht schon, dass durch viele neue Bürger viele neue Investitionen fällig und durch langes Sparen auch teure Sanierungen notwendig werden. Allein für Wohnen und Schule gebe die Stadt 2017 mehr aus als noch vor wenigen Jahren für alle Investitionen insgesamt, sagt Wolowicz. Ungebremst kann es seiner Meinung aber so nicht weiter gehen. Die Ausgabe-Mentalität im Stadtrat, aber auch in den Referaten müsse sich ändern. "Alle müssen künftig noch verantwortungsvoller handeln."

Die Einnahmen 2017 sollen sich laut Haushalt auf einen Rekord von 6,644 Milliarden Euro belaufen. Dem stehen laufende Ausgaben der Verwaltung von 6,247 Milliarden Euro gegenüber. Der Gewinn von 397 Millionen Euro fließt direkt in die Investitionen der Stadt, für die insgesamt 972 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Für diese werden laut Kämmerei aber 1,261 Milliarden Euro benötigt, was zu einem Fehlbetrag von 289 Millionen Euro im Jahr 2017 führt.

Das Rathausbündnis aus SPD und CSU verteidigt seinen Haushalt. "Unspektakulär" nennt ihn Hans Dieter Kaplan, Finanzexperte der SPD-Fraktion. Die hohen Ausgaben hätten vor allem drei Gründe: München wächst, die marode IT braucht dringend einen Neustart, und Flüchtlinge sollen menschenwürdig versorgt sein. Auch sein CSU-Kollege Michael Kuffer verweist darauf, dass die hohen Investitionen direkt den Bürgern zugute kämen. Die Stadt stehe angesichts des Wachstums und der nötigen Verbesserungen in der Infrastruktur "an einer Schwelle wie vor Olympia 1972". Solange der nötige Neubau und die erforderlichen Sanierungen in den Schulen oder im Verkehr nicht abgearbeitet seien, "werden die Investitionen intensiv nach oben gehen". Insgesamt hätten SPD und CSU "eine Trendwende" geschafft. Erstmals seit Jahren seien im laufenden Geschäft der Stadt "die Einnahmen wieder stärker als die Ausgaben gestiegen".

Die Opposition übt scharfe Kritik an der Finanzpolitik der Rathausmehrheit. "Schaut man nur wenige Jahre in die Zukunft, wird es augenscheinlich, dass das Geld nicht für alles reichen wird, was SPD und CSU versprechen", sagt Katrin Habenschaden, Finanzsprecherin der Grünen. Die Regierungsparteien würden sich davor drücken, Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen. "Das ist Wählertäuschung." Es reiche nicht, punktuell um halbe Stellen zu feilschen, aber die Dimensionen des Haushalts nicht im Griff zu haben.

Auch die FDP wird den Haushalt 2017 "strikt ablehnen", sagt Michael Mattar, Chef der Fraktion von FDP, Hut und Piraten. "Nur durch eine optimistische Steuerschätzung gelingt es, eine Neuverschuldung für den Haushaltsplanentwurf zu vermeiden." Die nun fast leergeräumte Kasse der Stadt zeige "die Dramatik der verschlechterten Finanzsituation". Große Sorge macht Mattar, dass trotz des Lochs im Haushalt 2017 die Investitionen im Vergleich zum Nachtragshaushalt 2016 zurückgehen sollen. In Schulen, Verkehr oder Wohnungen fließen laut Plan 207 Millionen Euro weniger. "Angesichts des enormen Investitionsstaus ist dies die falsche Antwort. Wir müssen vielmehr bei den laufenden Verwaltungsausgaben sparen, sonst wird die Stadt 2018 enorme Schulden aufnehmen müssen.

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