Süddeutsche Zeitung

Haus der Kunst:Weltweit begehrt, in München in der Krise

Okwui Enwezor hat international Erfolg und Einfluss. Als Direktor des Hauses der Kunst hat er gerade vor allem Ärger. Mit seinen Mitarbeitern und jetzt auch noch mit dem Verfassungsschutz.

Von Susanne Hermanski

Okwui Enwezor ist Erfolg gewöhnt. Weltweit begehrt, arbeitet der gebürtige Nigerianer als Kurator. Das britische Magazin Artreview sieht ihn auf seiner jährlichen Liste der "100 einflussreichsten Personen des Kunstmarktes" derzeit auf Rang 20. Seit 2011 ist er der Direktor des Hauses der Kunst in München, und ganz nebenher gelang es ihm auch noch, im Jahr 2015 die Biennale von Venedig auf die Beine zu stellen.

Schon damals wurden Stimmen laut, die zweifelten, ob sich zwei solche Aufgaben gleichzeitig erfüllen ließen. Doch derzeit hat Enwezor wirklich mehr Stress, als ihm lieb sein kann. Zu dem Streit, der darum tobt, wie weit die nötige Renovierung des Hauses der Kunst, dieses Baus aus der NS-Zeit, gehen soll, kommt noch ein Sturm im Innern: Es herrscht der dringende Verdacht, dass sich Scientology unter dem maroden Dach des Museums breitgemacht hat.

Wie das bayerische Kultusministerium vor Kurzem einräumte, ermittelt der Verfassungsschutz in dieser Sache. Einer von Enwezors Mitarbeitern musste deshalb nun gehen. Enwezor hatte den Mann übernommen, als er selbst vor fünfeinhalb Jahren ins Haus kam. Der Mitarbeiter machte offenbar kaum ein Hehl aus seiner Nähe zu der Organisation und wurde offiziell als Personalverwalter geführt. Das ist sehr heikel, denn der bayerische Verfassungsschutz warnt davor, dass Scientology Firmen und Behörden unterwandern wolle, indem Mitglieder Schlüsselpositionen besetzen, um ihr Gedankengut weiterzuverbreiten. Zudem liegt bei dem Personalverwalter eine mögliche Scheinselbständigkeit vor; de jure war er stets nur ein "externer Dienstleister" des Hauses, aber kein Festangestellter.

Derlei Details des deutschen Arbeitsrechts mögen einem Menschen, der als junger Mann über die Poesie den Einstieg in die Kunstwelt nahm, reichlich profan erscheinen; Enwezor trat einst mit seiner Lyrik in der legendären New Yorker "Knitting Factory" auf. Als Chef eines Museums, das sich hauptsächlich aus Steuergeld finanziert, muss man sich indes mitunter peinlichen Fragen stellen. Noch dazu ist im Zusammenhang mit der Scientology-Thematik manches zutage getreten, was die Stimmung unter Enwezors Mitarbeitern anbelangt.

Außenstehende fragten sich schon immer, wie er wohl ein Haus mit 100 Mitarbeiten orchestriert, während er die Welt bereist. Und in der Tat klagten viele Angestellte über die Unnahbarkeit ihres Chefs. Mancher zweifelte, ob Enwezor, 53, in München je richtig angekommen sei. Sein Privatleben ist unbekannt. Als seine Herzensangelegenheit gilt immerhin die derzeit laufende Ausstellung "Postwar" zur Kunst von 1945 bis 1965.

Bis heute spricht er kaum Deutsch, egal, was es zu verhandeln gilt, immer ist er darauf angewiesen, dass einer seiner beiden Kollegen der Geschäftsführung ihm übersetzt. Es gibt ein Schreiben des Betriebsrats an den Aufsichtsrat der "Stiftung Haus der Kunst", in dem "der Führungsebene" die Duldung "grober Missstände" zur Last gelegt werden. Die folgende Liste der Details ist lang. Das Verhältnis zwischen Enwezor und dem Betriebsrat, der sich erst 2014 gegründet hat, gilt als extrem zerrüttet.

Andere verehren ihren Chef aber geradezu. Auch dafür gibt es gute Gründe. Sein Ruf als Kurator, der die Kunstwelt revolutioniert hat, ist wie Donnerhall. Er war es, der endlich deren narzisstisch auf den euro-amerikanischen Raum reduzierten Blickwinkel erweitert und regelrecht aufgerissen hat. Wer für ihn arbeitet, hat in seiner Vita international etwas Tolles vorzuweisen.

Weil ein bisschen weltläufiger Ruhm auch dem Freistaat Bayern guttut, weil es doch als tolerante Glanzleistung erscheint, einen Mann mit afrikanischen Wurzeln gerade dem Haus der Kunst voranzustellen, hatte das Kultusministerium ihn unter anderem geholt. Und vielleicht hat es deshalb 2016 Enwezors Vertrag um fünf Jahre verlängert. Obwohl da hinter den Kulissen schon der Ärger tobte.

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SZ vom 04.03.2017/infu
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