Süddeutsche Zeitung

Haus der Kunst:Viele offene Fragen nach Enwezor-Abgang

  • Das Haus der Kunst sucht einen neuen Direktor, nachdem Okwui Enwezor angekündigt hatte, seinen Vertrag zu beenden.
  • Wegen der bevorstehenden Renovierung des Hauses durch den britischen Architekten David Chipperfield könnte die Ausstellungshalle für Jahre komplett geschlossen werden.
  • Zuletzt machten nicht nur Mammutausstellungen wie "Postwar" Schlagzeilen, sondern auch der Skandal um einen Personalchef und Finanzprobleme.

Von Susanne Hermanski und Catrin Lorch

Seit Okwui Enwezor am Montag bekannt gab, dass er seinen Vertrag als Direktor des Hauses der Kunst in München vorzeitig beendet hat, laufen die Spekulationen, wer ihm nachfolgen wird. Denn die Personalie Enwezor hatte international Strahlkraft wie nur wenige andere des deutschen Kulturlebens. Mindestens ebenso wichtig ist allerdings die Frage, wann die Stelle überhaupt besetzt wird.

Wegen der bevorstehenden Renovierung des Hauses durch den britischen Architekten David Chipperfield könnte die Ausstellungshalle für Jahre komplett geschlossen werden. Das hatte Enwezor bereits 2017 seinen Mitarbeitern angekündigt. Der kaufmännische Direktor Bernhard Spies sagt dazu: "Es ist aber möglich, dass wir das Haus nur teilweise schließen und in zwei Bauabschnitten arbeiten. Das ist eine Kostenfrage, und wir prüfen dies derzeit gemeinsam mit dem Bauamt. Schließlich kostet auch ein Sozialplan für die Mitarbeiter Geld."

Bernhard Spies, der von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik in Bonn kommt, und der jedem künftigen Kandidaten für den künstlerischen Leitungsposten hierarchisch gleichgestellt sein wird, will jedoch festhalten an dem "Renovate/Innovate" überschriebenen Sanierungsprojekt. Dazu gehört für Spies auch die "Universalbühne", wie Enwezor sie sich gewünscht hatte, ein Saal für Video- und performative Kunstformate. "So etwas einzurichten ist richtig, zukunftsweisend und entspricht der Tendenz auch in anderen Häusern", sagt Spies, "es fragt sich nur, wie aufwendig der wirklich ausgestattet sein muss."

Kiechle: "Für diese Berufung werden wir eine breitere Runde von Experten hören."

Wie aufwendig nun die Suche nach einem Nachfolger für Enwezor ausfallen muss, fragt er sich nicht weniger. Klar ist, beinahe alle Parameter haben sich verändert gegenüber der Zeit, in der Enwezor den in München überaus beliebten Chris Dercon abgelöst hat. Das war 2011 ein überraschender Coup des Ministerialdirigenten Toni Schmid gewesen, der damals, ohne den Rat von Jurys oder Kommissionen einzuholen, die Sache für den nigerianischen Starkurator entschieden hatte. Schmid war für Generationen von Kultusministern deren graue Eminenz, und formulierte den Effekt gern so: "In Bayern wird eben durchregiert." Auch in der Folgezeit sorgte Schmid mit finanzieller und persönlicher Unterstützung dafür, dass die Berufung Enwezors zum Erfolg wurde.

Seit seiner Pensionierung ist Toni Schmid zwar immer noch als "Berater" für den bayerischen Staat verpflichtet, doch die zuständige Ministerin Marion Kiechle, die erst jüngst durch Markus Söder ins Amt gekommen ist, sagt: "Für diese Berufung werden wir eine breitere Runde von Experten hören. Schließlich weiß ich als Aufsichtsratsvorsitzende des Hauses der Kunst, dass es schon allein in diesem Kreis viele fachkundige Leute gibt."

Und auch das Haus, das einen Intendanten sucht, ist ein anderes. Schon die Stellenausschreibung hat sich in einem wichtigen Punkt verändert: Der künstlerische Leiter des Hauses muss seine Macht mit einem Mann wie Bernhard Spies teilen, der streng auf Haushaltsdisziplin achtet. Davon können die Direktoren in Bonn, die mit ihm zusammengearbeitet haben, eindrucksvoll berichten.

Außerdem hat der so wichtige Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst in seiner exponierten Lage am Eingang des Englischen Gartens nach den vielen Krisen der Enwezor-Zeit an Charme eingebüßt. Zuletzt machten eben nicht nur Mammutausstellungen wie "Postwar" Schlagzeilen. Auch von dem Skandal um einen Personalchef wurde international Notiz genommen, der den Verfassungsschutz wegen seiner mutmaßlichen Scientology-Zugehörigkeit auf den Plan gerufen hat. Die Finanzprobleme, die Enwezor hinterlässt, sind ebenfalls kein Geheimnis mehr.

In den kommenden Monaten wird Ulrich Wilmes die künstlerische Leitung weiterführen. Der Hauptkurator hatte schon bislang immer umgesetzt, was Enwezor plante. Wie attraktiv ein teilweise oder gar ganz geschlossenes Haus in der Phase einer Neuausrichtung für internationale Starkuratoren ist, wird sich noch zeigen.

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SZ vom 06.06.2018/huy
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