Ausstellung und Buch:Zwischen Hauptbahnhof und Pasing - zwei Jahrzehnte auf der Zeitachse

Ausstellung und Buch: Zahlreiche Bauten am Rande der Bahn-Achse: Der Bereich zwischen dem Hauptbahnhof und Pasing hat sich stark verändert seit dem ersten Besuch der Fotografengruppe 2004 (rechts).

Zahlreiche Bauten am Rande der Bahn-Achse: Der Bereich zwischen dem Hauptbahnhof und Pasing hat sich stark verändert seit dem ersten Besuch der Fotografengruppe 2004 (rechts).

(Foto: Martin Reindl)

Die Transformation von Bahn-Ödland zu Wohn- und Büroraum, Parks und Konsumtempeln hat im Herzen Münchens viel verändert. Fotografen haben den Umbruch in einer Langzeitbeobachtung begleitet.

Von Ellen Draxel

Als Werner Resch 2003 mit seiner Fotogruppe ausrückte, um den alten Laimer Güterbahnhof in Szene zu setzen, war er beeindruckt. "Der stand noch da wie früher", erinnert sich der heute 68-Jährige. Gleisanlagen, Stellwerk, Weichen, Lagerhallen, das Bahnhofsgebäude - alles vorhanden. Sogar ein roter Waggon befand sich noch auf der Spur. Das Team machte Bilder. Historische Aufnahmen, denn wenig später wurde der einst bedeutende Bahnhof, in dem noch 1990 täglich bis zu 2200 Wagen abgefertigt wurden, abgerissen.

Ausstellung und Buch: Einst ein täglicher Umschlagplatz für bis zu 2200 Wagen: der alte Laimer Güterbahnhof.

Einst ein täglicher Umschlagplatz für bis zu 2200 Wagen: der alte Laimer Güterbahnhof.

(Foto: Martin Reindl)

"Es war faszinierend, weil wir wussten, wir fotografieren jetzt Dinge, die sind in zwei Jahren unwiederbringlich weg." Inzwischen befindet sich an dieser Stelle, die für die Entwicklung Münchens immens wichtig war, ein Neubauquartier mit Wohnungen. Werner Resch ist professioneller Fotograf. Vor 20 Jahren übernahm er die Leitung eines Langzeitprojekts der Münchner Volkshochschule mit dem Ziel, den Wandlungsprozess der 173 Hektar großen und sich über acht Kilometer erstreckenden Flächen an den Rändern der Bahntrasse zwischen dem Hauptbahnhof und Pasing zu dokumentieren - aus subjektiver Warte. Herausgekommen ist eine besondere Art des Stadtgedächtnisses.

Eines, das zeigt, wie ein Gebiet, welches zuvor ein Sammelsurium aus Schrebergärten, Industrieanlagen, Schrotthandel, Heizkraftwerken, Bahnanlagen und Ödland war, im Laufe eines knappen Vierteljahrhunderts sukzessive zu Wohnquartieren, Bürotürmen, Grün- und Freizeitanlagen, zu Konsum- und Vergnügungstempeln transformiert wurde. Dass mit der Neugestaltung dieses letzten großen innerstädtischen Areals "eigentlich ein Stück Bahngeschichte zu Ende ging", wie Resch es formuliert, offenbart die Ausstellung "Achse im Wandel", die derzeit in der Pasinger Fabrik zu sehen ist.

Ausstellung und Buch: Der Blick von der Friedenheimer Brücke Richtung Westen zeigte 2004 vor allem flaches Land...

Der Blick von der Friedenheimer Brücke Richtung Westen zeigte 2004 vor allem flaches Land...

(Foto: Werner Resch)
Ausstellung und Buch: ... und 18 Jahre später die Bebauung am Birketweg.

... und 18 Jahre später die Bebauung am Birketweg.

(Foto: Werner Resch)

Im Café und in drei Ausstellungsräumen hängen 400 der insgesamt rund 10 000 Bilder, die die Fotografen des Volkshochschulprojekts in den vergangenen zwei Jahrzehnten geschossen haben. Aus der Vogelperspektive ist die Entwicklung in Gänze erkennbar. Fotograf Martin Reindl saß im Zeppelin, als er Luftaufnahmen von der gesamten Trasse machte: Auf dem Bild von 2004 sieht man noch viel Brachfläche und einige Grundstücke, die bereits im Bau sind. 18 Jahre später, im Juli 2022, sind die Baustellen mit Ausnahme des Neubaugebiets an der Paul-Gerhardt-Allee in Pasing verschwunden. Stattdessen finden sich dort neue Siedlungen, an der Arnulfstraße der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB), in Pasing die Arcaden. Nördlich der Donnersbergerbrücke ist der Betriebshof für den Bau der Zweiten Stammstrecke zu erkennen. Und es gibt jetzt den Arnulfsteg, der im laufenden Bahnbetrieb Stück für Stück über die Bahngleise geschoben wurde. Detailgetreu dokumentiert in Bildern von Josef Stöger.

Ausstellung und Buch: Ein Hydrant allein auf weiter Flur im Jahr 2004 lässt sich einigermaßen anhand der Türme im Hintergrund einordnen.

Ein Hydrant allein auf weiter Flur im Jahr 2004 lässt sich einigermaßen anhand der Türme im Hintergrund einordnen.

(Foto: Werner Resch)
Ausstellung und Buch: Im Jahr 2021 befindet sich dort das Quartier am Arnulfpark.

Im Jahr 2021 befindet sich dort das Quartier am Arnulfpark.

(Foto: Werner Resch)

Die Ausstellung zeigt Vorher-Nachher-Szenerien - 2007 ein stillgelegtes Gleis, wo nun auf Pasings Nordumgehung, der NUP, Autos, Busse, Lastwagen und Motorräder fahren. Der Blick von der Friedenheimer Brücke Richtung Westen, 2004 noch marode Holzplanken inmitten überwucherten Grüns, zeigt heute das Wohnquartier Birketweg. Landmarken wie die stählerne Hackerbrücke oder der rote, hoch in den Himmel ragende Schornstein des ehemaligen Heizkraftwerks an der Donnersbergerbrücke, inzwischen Standort des Veranstaltungsmekkas "Freiheiz", helfen bei der Orientierung.

Ausstellung und Buch: Reichlich Schotter vor der Tür: die Paketposthalle, im Bild festgehalten im Jahr 2003.

Reichlich Schotter vor der Tür: die Paketposthalle, im Bild festgehalten im Jahr 2003.

(Foto: Werner Resch)

Auch die 1969 in Betrieb genommene Paketposthalle auf dem Gelände des damaligen Postbahnhofs, in der Pasinger Fabrik noch in Nahperspektive mit Schotterfläche ringsherum zu sehen, ist so ein Wiedererkennungspunkt. Wie rasant und doch in Etappen die Verwandlung einer ehemals offenen, weiten Achse in enge, hohe Häuserschluchten mit Platz für 17 200 Einwohner und 21 300 Arbeitsplätze vonstatten ging, und wie damit das Bild der Eisenbahn als Wachstumsmotor eine Modifizierung erfuhr, auch das hat das Foto-Team um Werner Resch dokumentiert.

Ausstellung und Buch: Schrottreife Autos: Im Jahr 2003 noch ein typischer Anblick auf der Achse Hauptbahnhof - Laim - Pasing.

Schrottreife Autos: Im Jahr 2003 noch ein typischer Anblick auf der Achse Hauptbahnhof - Laim - Pasing.

(Foto: Verena Reindl)
Ausstellung und Buch: Heute stehen da die markanten Türme der "Friends".

Heute stehen da die markanten Türme der "Friends".

(Foto: Werner Resch)
Ausstellung und Buch: Die alte Zugwaschanlage befand sich im späteren Neubauquartier Birketweg, nur rund 200 Meter von der heute zwischen den Gleisen positionierten ICE-Waschanlage entfernt.

Die alte Zugwaschanlage befand sich im späteren Neubauquartier Birketweg, nur rund 200 Meter von der heute zwischen den Gleisen positionierten ICE-Waschanlage entfernt.

(Foto: Wolfgang Schmitz)

Da sieht man Schrottplätze und Zwischennutzungen in Form von Kunstprojekten an derselben Stelle, an der jetzt bei der S-Bahn-Station Hirschgarten die Wohntürme "Friends" die Szenerie bestimmen. Da wird ersichtlich, wie weit die Baugrube für den Neubau der Pasing-Arcaden reichte: bis an das Nebengebäude des 1848 errichteten und inzwischen als Café genutzten Bürklein-Bahnhofs. Ein Foto, 2006 gemacht von Wolfgang Schmitz, zeigt die alte Zugwaschanlage. Sie befand sich im späteren Neubauquartier Birketweg, nur rund 200 Meter von der heute zwischen den Gleisen positionierten ICE-Waschanlage entfernt. Diese Entwicklung zu begleiten, "die immer wieder neuen Perspektiven, das", sagt Resch, "war das Spannende an dem Projekt".

Die Ausstellung mit Arbeiten von Alfred Braun, Anne Menke Schwinghammer, Martin Reindl, Verena Reindl, Werner Resch, Wolfgang Schmitz, Detlev Schünke, Josef Stöger und Reinhold Wilke, zu der es auch ein im Franz-Schiermeier-Verlag erschienenes Buch gibt, ist noch bis zum 29. Januar 2023 dienstags bis sonntags von 16 bis 20 Uhr in der Pasinger Fabrik an der August-Exter-Straße 1 zu sehen. Eintritt vier, ermäßigt zwei Euro. Ein Podiumsgespräch auf Einladung der Münchner Volkshochschule findet am Samstag, 21. Januar, 14 Uhr, in der Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1, statt. Der Eintritt dazu ist frei. Das komplette Begleitprogramm zur Ausstellung findet sich auf der Internetseite der Pasinger Fabrik.

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