Süddeutsche Zeitung

München:Stadtrat beschließt ganztägiges Alkoholverbot am Hauptbahnhof

  • Am Münchner Hauptbahnhof tritt ab August ein ganztägiges Alkoholverbot in Kraft.
  • Auf Initiative der SPD soll gleichzeitig ein Sozialprojekt für alkoholkranke Menschen starten: Zunächst in einem Streetworker-Bus, später in festen Räumen.
  • SPD und CSU erhoffen sich davon einen Rückgang der Straftaten - die Opposition fürchtet, dass die Szene sich nur verlagert.

Von Dominik Hutter

In und um den Münchner Hauptbahnhof tritt im Sommer nächsten Jahres ein umfassendes Alkoholverbot in Kraft. Anders als bei der bisherigen Regelung ist das Trinken und Herumtragen von Alkohol dann nicht mehr nur nachts, sondern rund um die Uhr verboten. "Wir haben in München einen einzigen Kriminalitätsschwerpunkt", erklärte Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle am Dienstag im Stadtrat. "Und das ist der Hauptbahnhof."

Obwohl die zentrale Bahnstation nur etwa 0,25 Prozent der Fläche Münchens einnehme, ereigneten sich dort gut sieben Prozent aller unter Alkoholeinfluss begangenen Straftaten, so Münchens Ordnungs-Chef. Mit dem nächtlichen Alkohol-Tabu, das seit Januar 2017 schon zwischen 22 und 6 Uhr gilt, habe man bereits einen Rückgang der sogenannten Rohheitsdelikte um 40 Prozent erreicht.

Die Stadtrats-Opposition fürchtet, dass die Szene schlicht an andere Stellen verlagert wird. Das sei der falsche Weg, befand Grünen-Stadtrat Dominik Krause. Seine Fraktion lehnte deshalb ebenso wie Linke, FDP und Bayernpartei die Abschaffung des Zeitlimits ab, die erst nach einer Gesetzesänderung im Mai juristisch möglich geworden war.

Richard Progl (Bayernpartei) kann sich nicht vorstellen, dass durch ein Alkoholverbot auch nur eine einzige Straftat verhindert wird. "Ich weiß nicht, was das bringen soll", so der Kommunalpolitiker. Straftaten seien schließlich auch vorher schon verboten gewesen. Sie würden nun einfach an anderen Stellen im Stadtgebiet begangen. Eine These, die Böhle mit Blick auf seine Statistik zurückwies. "Die Annahme, dass die Leute woanders verprügelt werden, entbehrt jeder Grundlage", sagte er.

Allerdings findet auch die rot-schwarze Rathausmehrheit, dass die neue Sicherheitsmaßnahme "nicht dazu dienen soll, alkoholkranke Menschen einfach aus dem Gesichtsfeld zu verdrängen", beteuerte SPD-Stadtrat Christian Vorländer. Auf Initiative der SPD soll deshalb gleichzeitig mit dem verschärften Verbot ein Sozialprojekt für alkoholkranke Menschen direkt am Hauptbahnhof starten. Zunächst in einem Streetworker-Bus, später in festen Räumen. Eine "Interims-Begegnungsstätte", wie Vorländer sagt - um den Begriff Trinkerstube zu vermeiden. "Man kann nicht nur verbieten, sondern muss auch etwas anbieten", assistierte CSU-Stadträtin Evelyne Menges.

Der Bus erhielt, anders als das Alkoholverbot, eine einstimmige Mehrheit im Kreisverwaltungsausschuss. Das Projekt soll die in der Umgebung des Hauptbahnhofs angesiedelten Initiativen ergänzen, denen eines gemeinsam ist: Dort darf kein Alkohol konsumiert werden. In dem Bus soll dies in Maßen möglich sein. Es gehe vor allem darum, dass Sozialpädagogen mit den Alkoholkranken ins Gespräch kommen, erklärte Böhle, der sich ein ähnliches Projekt in Augsburg angesehen hat. Dort habe man gute Erfahrungen gemacht - als Magnet für die örtliche Trinker-Szene habe sich die Einrichtung im Übrigen nicht erweisen.

Eben dies befürchtet die Münchner Polizei, die mit ungewöhnlich deutlichen Worten vor dem Streetworker-Bus warnte. "Für eine Trinkerstube fehlt mir das Verständnis", sagte Stefan Kastner, der Leiter der Verbrechensbekämpfung im Polizeipräsidium. Es ergebe keinen Sinn, einerseits ein Alkoholverbot einzurichten und andererseits am gleichen Ort ein Angebot zu schaffen, an dem die Leute trinken können. Es sei möglicherweise gescheiter, den Bus außerhalb der Verbotsszene zu parken. In eine ähnliche Kerbe hieb Richard Progl von der Bayernpartei: Was bringe es, erst die Szene zu verdrängen, und dann an eben dieser Stelle ein Hilfsangebot einzurichten?

Verdrängung, das betonte Kastner ausdrücklich, sei übrigens keineswegs unerwünscht, sondern geradezu das Ziel eines Alkoholverbots. Es gelte, die Verfestigung einer Szene zu verhindern. Einer Szene, die in einer Art und Weise auftrete, die manchem "normalen" Besucher des Bahnhofs "nicht zuzumuten sei", erinnerte SPD-Stadtrat Helmut Schmid. Die Polizei benötige eine Rechtsgrundlage, um gegen die aggressiven Trinker vorzugehen. "Es geht nicht darum, dass jeder verfolgt wird, der alkoholisiert durch den Hauptbahnhof geht." Laut der Verordnung ist es verboten, außerhalb der Lokale Alkohol zu trinken oder mit sich zu tragen. Letzteres gilt aber nur, falls die Getränke erkennbar noch an Ort und Stelle konsumiert werden sollen. Neben dem Bahnhof selbst sind auch die umliegenden Straßen sowie die Paul-Heyse-Unterführung betroffen.

Die Grünen stimmten zwar für den Streetworker-Bus, halten das Projekt aber für "ein Feigenblatt für eine immer repressivere Sicherheitspolitik", so Fraktionschef Florian Roth. Auf dem Bahnhof werde wegen 263 Taten im Jahr ein Alkoholverbot eingerichtet. Auf der nahen Theresienwiese zähle man hingegen in nur 16 Herbsttagen 924 Delikte.

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SZ vom 19.12.2018/frw
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