Süddeutsche Zeitung

Harthof:Abschied von einer Tradition

Einst war der Weyprechthof Treffpunkt für das ganze Viertel, nun soll das Wirtshaus einem Studentenheim sowie einer Herberge weichen. Den Biergarten allerdings will der Investor erhalten - wenn auch verkleinert

Von Jerzy Sobotta, Harthof

Wo vor zwei Jahren noch Steckerlfisch und Spareribs über den Tresen gingen, sieht man heute abgeklebte Fenster. Zwei Bauzäune versperren den Eingang zum früheren Biergarten des Weyprechthofs, der an der Ecke Weyprechtstraße und Max-Liebermann-Straße einst Treffpunkt für das ganze Viertel war. Vor dem Haus steht ein alter Mercedes, an dem schon Rost und Witterung geknabbert haben. Zwischen den großen Bäumen wuchert das Unkraut, beim Blick durch die Fenster sieht man ausgerissene Dielen. "Heute gibt es hier nichts mehr in der Ecke", seufzt eine Passantin im Vorbeigehen, früher habe sie oft im Biergarten gesessen. Doch Ende 2017 wurde das traditionell bayerische Wirtshaus plötzlich geschlossen.

Seither gab es nur Gerüchte, was weiter mit dem Weyprechthof geschehen soll. Doch jetzt ist bei der Stadt ein Antrag auf Vorbescheid eingegangen, der Startschuss für die weitere Planung also. Daraus geht hervor, dass die traditionell bayerische Wirtschaft einem privaten Studentenwohnheim, einem Beherbergungsbetrieb und Gastronomie weichen soll. Auf etwa 5200 Quadratmetern Geschossfläche könnten künftig 114 Studentenzimmer und 54 Zimmer für den Beherbergungsbetrieb entstehen. Außerdem soll eine Tiefgarage für 55 Autos gebaut und rund drei Dutzend Bäume gefällt werden. Viele von ihnen stehen auf dem Parkplatz, der sich jetzt an der Weyprechtstraße befindet und auf dem ein Teil des neuen Gebäudes Platz finden wird.

Bauherr ist die Trei Real Estate, ein Immobilienunternehmen der in Mülheim an der Ruhr ansässigen Tengelmann-Gruppe, zu der auch die Handelsunternehmen Kik, Obi und Tedi gehören. Trei gehören Immobilien im Wert von mehr als einer Milliarde Euro in Deutschland, aber auch in mittelosteuropäischen Ländern, Portugal und den USA. Nachdem das Unternehmen früher ausschließlich Immobilien verwaltet hatte, entwickelt und vermietet es inzwischen viele Wohnungen, in denen hierzulande über 50 000 Menschen leben. Das erste Studentenwohnheim hat die Trei 2017 in Köln eröffnet und führt es unter dem Namen Quartillion (Eigenwerbung: "Einfach einquartieren und losstudieren!"). Zwischen 485 und 660 Euro bezahlen Studenten dort für 20-Quadratmeter-Apartments. Zu den Plänen an der Münchner Weyprechtstraße will sich das Unternehmen derzeit noch nicht äußern.

Dem Antrag ist zu entnehmen, dass der Biergarten des Weyprechthofs erhalten bleiben soll - wenn auch deutlich verkleinert. Das ist Bürgern wie Lokalpolitikern ein großes Anliegen. Für den Biergarten seien derzeit 300 Quadratmeter mit Freischankhäuschen vorgesehen. Thomas Schwed (CSU) aus dem Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart befürchtet jedoch, dass sich die Traditionswirtschaft in eine überteuerte Szenekneipe für Studenten verwandeln könnte. Denn die Stadt schreibt die Art der Gastronomie nicht vor. Rechtlich macht es keinen Unterschied, ob an der Weyprechtstraße künftig Schweinshaxn, Macha Tee oder Pekingente verkauft wird. Das hat erst Anfang April die Stadt bekräftigt, als sie einen Antrag der ÖDP-Fraktion zurückwies, mit dem Traditionsgaststätten wie das "Gasthaus Spiegl" in Moosach oder der "Burenwirt" in Aubing durch städtische Bauleitplanung gesichert werden sollten - ein Versuch der endgültigen Schließung von Wirtshäusern außerhalb des Rings entgegenzuwirken. Doch ausschließlich "bayerische Traditionsgaststätten" könne die Stadt nicht vorschreiben, machte Stadtbaurätin Elisabeth Merk klar.

Eine andere Sorge der Lokalpolitiker ist, dass sich der geplante "Beherbergungsbetrieb" als ein Boardinghaus entpuppen könnte, in dem die Mitarbeiter großer Firmen auf Zeit untergebracht werden. "Das würden wir nicht gerne sehen", sagte Jürgen Trepohl (Grüne). Leo Meyer-Giesow (ÖDP) regte stattdessen ein Seniorenheim an. Allerdings wies der Bezirksausschuss-Vorsitzende Fredy Hummel-Haslauer (SPD) darauf hin, dass das Grundstück nicht der Stadt gehöre und Vorschläge dieser Art daher ins Leere laufen dürften. Letztlich vertagte das Gremium sein Votum zur Zukunft des Weyprechthofs auf Mai.

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SZ vom 30.04.2019
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