Eng, ja fast schon beklemmend ist es hier im Schrank unter der Treppe – an der Wand ein Stromzähler und eine nackte Glühbirne, über einem die erdrückende Schräge. Wer in diesen Verschlag hineinkriecht und sich dort auf die schmale Matratze legt, der bekommt einen Eindruck davon, wie die Hauptfigur der erfolgreichsten Buchreihe aller Zeiten gelebt, oder eher: gehaust hat – bis zu ihrem elften Geburtstag.
Denn da erfährt jener Harry Potter, dass es neben seinem tristen Alltag im Hause der garstigen Dursleys auch noch eine Welt der Hexen und Zauberer gibt, in der er wiederum eine große Nummer ist, seit er einen Angriff des dunklen Lord Voldemorts überlebt hat mit lediglich einer Narbe auf seiner Stirn.
Jener Schrank unter der Treppe ist der Ausgangspunkt der Geschichte von Joanne K. Rowling, deren sieben Bücher über den Zauberjungen sich weltweit mehr als eine halbe Milliarde Mal verkauft haben; zudem waren die zugehörigen Filme allesamt Kassenschlager. Und so ist es nur logisch, dass auch „Harry Potter: Die Ausstellung“ jenen Ort aufgreift – in Form eines originalgetreuen Nachbaus, in den sich die Besucherinnen und Besucher selbst hineinlegen können.
Die Idee dahinter zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Schau, in der man „tief in die Welt von Harry Potter eintauchen kann“, wie es Tom Zaller formuliert. Er ist der Chef des Unternehmens Imagine Exhibitions, das gemeinsam mit Warner Brothers jene Ausstellung konzipiert hat, die seit 2022 um die Welt tourt und bereits mehr als zwei Millionen Menschen angezogen hat. Nun gastiert sie also erstmals in Deutschland – von diesem Donnerstag an in der Kleinen Olympiahalle.
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In der kleinen Olympiahalle können sich Fans auf die Spuren des berühmten Zauberschülers begeben. Und auch jenseits davon gibt es in der Stadt noch mehr aus der Wizarding World zu entdecken.
„Die Ausstellung ist einmalig, auch weil sie viele Originalkostüme und Requisiten aus den Harry-Potter-Filmen zeigt“, sagt Tom Zaller. Wobei sich die Schau nicht damit begnügt, all die Umhänge, Zauberstäbe und anderen Relikte bloß in Vitrinen zu präsentieren. Vielmehr sollen sich die Besucherinnen und Besucher auf eine interaktive Reise begeben und selbst in die Rolle eines Zauberlehrlings schlüpfen. Dafür bekommen sie am Eingang ein digitales Armband ausgehändigt, mit dem sie sich auf ihrem Rundgang an mehr als einem Dutzend Stationen anmelden und Aufgaben lösen können. Hierzu braucht es vorab jedoch eine Registrierung, bei der man nicht nur seinen Namen eintippt, sondern auch ein Hogwarts-Haus, den präferierten Zauberstab sowie ein Tier als Patronus auswählt – bereits hier ist eine gewisse Vertrautheit mit der Potter-Welt also unerlässlich.
Hat man diese Hürde genommen und zwei Filme zur Einstimmung geschaut, geht es durch den „Porträt-Gang“ von Schloss Hogwarts in eine Halle, von der vier Räume abzweigen. Ein jeder davon ist einem der Häuser der Zaubererschule gewidmet, also Gryffindor, Ravenclaw, Hufflepuff und Slytherin. Hier lassen sich – während über einem die Filmmusik von Harry Potter aus den Lautsprechern dröhnt – zahllose Requisiten bestaunen: von Ron Weasleys verhasstem Wollpulli über das Schwert des Godric Gryffindor und bis hin zum Outfit von Nymphadora Tonks. Dazu gibt’s auf Texttafeln reichlich Informationen zu den Häusern und Charakteren, was ob der Detailfülle vor allem Potter-Nerds goutieren dürften. Hier ähnelt die Schau einer klassischen Ausstellung, doch das ändert sich in den folgenden Räumen.
Denn fortan ist der Besucher selbst als Hogwarts-Schüler gefragt. Nachdem er sich mit seinem Armband an der jeweiligen Station angemeldet hat, muss er beispielsweise einen Zaubertrank brauen und die richtigen Zutaten dafür wählen, sich durch gezielte Schwünge mit dem Zauberstab in der Verteidigung gegen die dunklen Künste üben, im Kräuterkunde-Unterricht Alraunen umtopfen oder in Wahrsagerei einen Blick in die Zukunft wagen.
Die einzelnen Aufgaben sind dabei mehr als simpel und beschränken sich oftmals darauf, auf einem Bildschirm ein bestimmtes Muster nachzufahren. Dennoch ist der Parcours durch die Hogwarts-Welt durchaus kurzweilig – was nicht zuletzt an den liebevoll gestalteten Räumen, den Filmsequenzen sowie den vielen Requisiten, Kreaturen und Kostümen liegt. Unter anderem geht es durch den Verbotenen Wald, über eine rote Telefonzelle ins Zaubereiministerium und in die Hütte des Halbriesen Hagrid, wo ein überdimensionaler Stuhl zum Selfie einlädt.
Wer „Harry Potter: Die Ausstellung“ mit Kindern besucht, der braucht vor allem in zwei Räumen viel Geduld. Im ersten geht es um Quidditch, die bekannteste Sportart der magischen Welt, bei der man, vereinfacht gesagt, einen Quaffel genannten Ball durch Ringe werfen muss – und genau das können die Besucher an einer Art Jahrmarktbude ausprobieren. Der zweite Raum, in dem zuvorderst die Jüngsten Schlange stehen dürften, dreht sich um die finale „Schlacht um Hogwarts“. Sie kann hier auf einem XXL-Bildschirm nachgespielt werden, und zwar mittels zweier Zauberstäbe, aus denen die Kontrahenten funkensprühende Blitze aufeinander feuern.
Wer diese und die anderen interaktiven Stationen zumindest einmal ausprobieren und obendrein einen Blick auf einige der Requisiten werfen will, der sollte für den Besuch in der Kleinen Olympiahalle zumindest zwei Stunden einplanen. Gar noch länger werden echte Potter-Fans brauchen, schließlich ist die Ausstellung nicht nur äußerst detail-, sondern auch erstaunlich umfangreich.
So viel Vergnügen hat freilich seinen Preis, und zwar 31 bis 36 Euro je Ticket. Gerade für viele Eltern dürfte es sogar noch kostspieliger werden, denn vor dem Ausgang lauert ein riesiger Shop mit Harry-Potter-Merchandise – von der Gryffindor-Tasse für 20 Euro bis zu einem Fläschchen Butterbier für zehn Euro. Spätestens hier brauchen Mütter und Väter dann tatsächlich magische Kräfte, um ohne teure Spontankäufe oder Schreianfälle ihrer Sprösslinge wieder ins Freie zu gelangen.
Die Ausstellung ist bis zum 5. September in der Kleinen Olympiahalle zu sehen.