Harlaching:Lächelnd lernen

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Kinder erziehen Eltern: Die "Ohne Auto zur Schule"-Aktionswoche geht an der Grundschule Rotbuchenstraße in die zweite Runde

Von Daria Gladkov, Harlaching

Einige Kinder werden in die Schule chauffiert. (Foto: Florian Peljak)

"Wir sind heute zu Fuß zur Schule gefahren, wir müssen einen grünen Punkt nehmen", kreischt sprachlich nicht ganz korrekt ein blondes Mädchen im Vorbeilaufen ganz aufgeregt und fröhlich. Eine rennende Gruppe Schülerinnen laviert sich mit ihren großen Ranzen zum Schultor vor. Vorbei an den Kindern, die ihre bunten Tretroller gerade vorbildlich in die Parkreihe entlang der Hauswand eingliedern. Gleichzeitig: Abschiedsrufe und Luftküsse der Eltern. Zehn vor acht, gleich ertönt der Gong zur ersten Stunde in der Rotbuchen-Grundschule.

Lars Kohlrantz ist Mitglied des Elternbeirats und stellt im Gemenge der Leute ein Schild auf den Bürgersteig. Es kündigt die Aktion "Ohne Auto zur Schule" an, die an diesem Montag beginnt. Viele Schüler kennen sie noch aus dem vergangenen Jahr. Ins Leben gerufen hat sie die schulinterne Arbeitsgemeinschaft "Schule mitgestalten". Wer sich nicht von den Eltern vor den Eingang fahren lässt, bekommt einen grünen Klebepunkt. Die Sticker werden dann von allen Kindern auf einen roten, traurigen Smiley auf dem Schulhof geklebt, um ihn wieder fröhlich zu färben.

Wenn morgens die knapp 680 Buben und Mädchen gebracht werden, bricht vor der größten Grundschule Münchens das Chaos aus. Die Straße ist schmal, und trotzdem wollen viele Eltern nicht darauf verzichten, ihre Schützlinge bis vor den Eingang zu fahren. Dabei ist das oft gefährlicher. Annika aus der 4 b empört sich: "Ich hab' mal beobachtet, wie ein Vater sein Kind auf dem Zebrastreifen rausgelassen hat. Das ist nicht so gut, das blockiert dann alles." Keiner kommt mehr rein und keiner raus, auch nicht der Schulbus. Die Kinder der AG sind sich einig, dass die Aktion "Schulweg zu Fuß" im vergangenen Jahr viele Eltern zum Umdenken veranlasst hat. Die Auslastung der Straße am Morgen sei seither zumindest "ein bisschen besser" geworden, finden die Schüler. Trotzdem sind sie sich einig, dass man die Aktion jährlich wiederholen sollte, um daran zu erinnern, das Auto stehen zu lassen. Das vermeide Stau und schütze die Umwelt.

Die Situation an der Rotbuchenstraße hat sich seit dem letzten Winter auf jeden Fall entschärft. (Foto: Robert Haas)

Die Schulleiterin Ulrike Winter sieht sogar eine deutliche Verbesserung der Verkehrsbelastung vor der Schule. In der Aktionswoche vor einem Jahr habe man einen starken Rückgang der Autos bemerkt. "Eine Woche danach haben wir Verkehrskontrollen mit der Polizei gemacht, um quasi die Unbelehrbaren zur Raison zu bringen", sagt Winter. Dauerhaft entlastet habe auch die Einführung der sogenannten "Pfiati-Bussi"-Zone. In einer Parallelstraße zur Schule hat die Stadt im vergangenen Juli eine Haltezone genehmigt, in der Eltern ihr "Kind viel leichter ausladen" können. Von dort wäre es auch nicht mehr weit zu Fuß. Das sei für die Eltern viel praktischer, als im Bring- und Abholstau vor der Schule zu stehen, erklärt Winter.

Die Schulleiterin beobacht aber immer noch Eltern, die sich ins Halteverbot stellen, oder die Schulweghelfer bei ihrer Arbeit behindern, um das Kind aussteigen zu lassen. Mit der Wiederholung der Aktionswoche werde man den Eltern wieder bewusst machen, dass es auch ihren Töchtern und Söhnen guttue, nicht mit dem Auto vorgefahren zu werden. Und schließlich geht es dabei um Sicherheitsaspekte und die Umwelt. Eltern der Erstklässler, die erst im September eingeschult wurden, kennen die Aktionswoche zudem noch nicht. Andere werden mit der Zeit wieder gemütlich, und es schleicht sich nach und nach wieder die Routine ein. Von Montag an helfen den Vätern und Müttern aber nun die eigenen Kinder dabei, alte Muster wieder aufzubrechen.

Denn schließlich wollen sie alle einen grünen Punkt für das traurige Smiley. So auch Sophie, die unabhängig von der Aktionswoche mit dem Tretroller kommt. Um die Umwelt nicht zu verschmutzen, wie sie sagt. Sie freut sich darauf, nächste Woche jeden Tag einen grünen Sticker zu bekommen. Für die Schüler der Rotbuchenschule sei vor allem der Umweltaspekt besonders wichtig. Den Rückschluss zieht Winter aus vielen Bildern, die ihre Schüler gemalt haben. In einem Malwettbewerb, der noch bis zum Ende der Aktionswoche läuft, stellen sie ihre Schulwege dar.

Kinder, die zu Fuß in die Schule kommen, zeigen wie es besser geht. (Foto: Florian Peljak)

Die Aktionswoche auf den Alltag auszuweiten wollen die Schüler der Gruppe "Schule mitgestalten" aber nicht. Denn damit wäre das Projekt dann auch nichts Besonderes mehr und die vielen grünen Belohnungspunkte würden auf Dauer ja auch nur im Müll landen und so die Umwelt verschmutzen. Da sind sich Buben, Mädchen, ihre Lehrerinnen und Lehrer und vermutlich auch viele Eltern einig.

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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