Harlaching:Erstaunlich bescheiden

Ein Investor erhält auf dem "Tannhof-Grundstück" weniger Baurecht, als ihm womöglich zugestanden hätte. Anlass dafür ist eine alte Dienstbarkeit, wegen der er sich erst mit der Stadt arrangieren musste

Von Julian Raff, Harlaching

Ein locker bebautes, unbewohntes 9000-Quadratmeter-Areal im Herzen Harlachings muss natürlich nicht lange auf einen Bauträger mit Verdichtungsplänen warten. Anders, als Nachbarn und Lokalpolitiker lange befürchtet hatten, soll der üppig begrünte Privatpark des "Tannhof-Grundstücks" an der Willroiderstraße, gleich neben der "Trattoria Antica" am Isarhang gelegen, aber nicht völlig unter neuem Beton verschwinden. Der deutsche Ableger des internationalen Investors 6B47 will hier bis Frühjahr 2021 fünf Wohnhäuser mit 27 Einheiten bauen, was die Stadt kürzlich genehmigte.

Mit einer Geschossflächenzahl in Höhe von 0,48 schöpft das Projekt knapp die Hälfte an Baurecht aus, was womöglich qua Auslegung des Paragrafs 34 Baugesetzbuch, oft als "Gummiparagraf" bezeichnet, möglich gewesen wäre. Kai-Uwe Ludwig, Geschäftsführer des in Düsseldorf ansässigen Immobilienentwicklers spricht von einem "Referenzprojekt", das sich "in gewachsene Strukturen einpasse" und den Baumbestand weitgehend schone. Laut Ludwig eine "Spezialität" des Unternehmens, das den Grund 2017 erwarb.

Ganz freiwillig beschränkt sich der neue Eigentümer allerdings nicht in der Verwertung des Grundstücks. Einen weiteren Sündenfall im Gartenstadtparadies Harlaching witterten Anwohner und der örtlich zuständige Bezirksausschuss, als sich herausstellte, dass eine Grunddienstbarkeit aus den Fünfzigerjahren die aktuelle Bebauung auf dem Areal festschreibt. Die Rede ist dort, etwas altertümlich, von einer Einfamilienvilla und einem "Gesindehaus", sprich Nebengebäude.

Laut BA-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) hatte das Kommunalreferat zunächst angeboten, die Auflage gegen Zahlung von, je nach Verhandlungsergebnis, ein- bis drei Millionen Euro zu löschen. Die Summe klingt stattlich, lässt sich aber beim Handel mit Harlachinger Boden wohl bequem an Käufer weiterreichen.

In der Sorge, die Stadt könnte sich ihr Gestaltungsrecht unter Wert abkaufen lassen, intervenierte Baumgärtner mit Unterstützung der Stadträte Manuel Pretzl (CSU) und Alexander Reissl (SPD). Das Kommunalreferat habe dabei Auskunft und Akteneinsicht nur zögernd gewährt und sich offenkundig nur unzureichend mit der Lokalbaukommission (LBK) abgestimmt, so Baumgärtner. Dennoch habe die Stadt am Ende schließlich härter mit dem Investor verhandelt und so den Preis für die Streichung der Dienstbarkeit auf neun Millionen Euro hoch getrieben, bei gleichzeitiger Reduzierung der Bebauung, was der Vorsitzende des Bezirksausschusses natürlich auch auf sein Erfolgskonto schreibt. An erster Stelle stehe aber der Gewinn fürs Stadtsäckel und fürs Viertel, wo, zumindest dieses Mal, nun gartenstadtkonform gebaut werde.

Ein selbstbewussteres Auftreten gegenüber Investoren würde sich der BA-Chef auch in künftigen Fällen wünschen. Immerhin, so Baumgärtner, lägen auf zahlreichen Harlachinger Grundstücken Dienstbarkeiten aus der Zeit des Gartenstadtpioniers Jakob Heilmann, mit denen Auflagen zu Baufenstern und Abstandsflächen festgelegt seien. Die Stadt könne und müsse sich diese, verglichen mit dem aktuellen Fall, weniger restriktiven Klauseln ja nicht gleich millionenschwer abkaufen lassen. Sie müsse sie aber auch nicht, wie bislang, einfach gegen eine kleine Verwaltungsgebühr ersatzlos streichen.

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