Harlaching:Ein Schiedsverfahren soll's richten

Seit die Wohnungsbau­gesellschaft Gewofag ihre Hausmeister-Dienste neu geordnet hat, beklagen einige Mieter deutlich höhere Kosten - besonders in der früheren Heimag-Siedlung. Diese Praxis wollen sie jetzt ändern

Von Julian Raff, Harlaching

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag gehört schon jetzt, vor der geplanten Fusion mit der GWG, mit knapp 37 000 Wohnungen zu den größten kommunalen Vermietern Deutschlands. Entsprechend ernst nehmen Mieterschützer Hinweise auf mutmaßliche Ungerechtigkeiten bei der Abrechnung von Nebenkosten. Ein "Teammodell", das Hausmeisterleistungen nach einem Schlüssel den jeweiligen Wohnanlagen zurechnet, anstatt die dort geleisteten Arbeitsstunden konkret zu erfassen und dem jeweiligen Objekt zuzuordnen, preist das Unternehmen als effizient und kostensparend an. Einige Gewofag-Mieter sehen sich hingegen genau deshalb überproportional belastet und haben mit Unterstützung des Mietervereins ein Schiedsverfahren eingeleitet, das bis zum Frühjahr außergerichtlich Klarheit schaffen soll.

Vor knapp vier Jahren stellte die Gewofag ihr Abrechnungssystem um und bündelte die zuvor 317 Hausmeister-Teams in 26 größere Serviceeinheiten. Für die Umlage der Gesamt-Hausmeisterkosten wurde zugleich ein Schlüssel entwickelt, der den in der jeweiligen Gewofag-Siedlung anfallenden Arbeitsaufwand abbilden soll. Als Kriterien dafür sollten zum Beispiel die Zahl der Einzelgebäude, Wohneinheiten, Aufzüge, Spielplätze oder auch Müllstandorte dienen.

Wie Gewofag-Sprecher Frank De Gasperi gegenüber der SZ betont, konnten somit die Gesamtkosten des Hausmeisterbetriebs trotz Tarifsteigerungen konstant gehalten werden. Sie lagen 2019 laut Gewofag um 20 Prozent unter dem Wert des Münchner Betriebskostenspiegels. "Eine Rückführung in einzelne Hausmeisterbezirke würde für die meisten Mieter zu einer Kostensteigerung oder Leistungsreduzierung führen", so der Gewofag-Sprecher. Nach seinen Angaben hätten sich 80 bis 90 Prozent der Mieter in den vergangenen Jahren bei Befragungen zufrieden mit der Hausmeisterleistung gezeigt.

Harlaching: Die Mieter der Siedlung an der Säbener Straße streben eine juristische Überprüfung der hohen Hausmeisterdienste an.

Die Mieter der Siedlung an der Säbener Straße streben eine juristische Überprüfung der hohen Hausmeisterdienste an.

(Foto: Claus Schunk)

Definitiv nicht mehr dazu zählt sich Renate Cullmann, die seit 50 Jahren in der Heimag-Siedlung an der Säbener- und Ehlersstraße wohnt, einem ruhig und grün gelegenen, wenn auch etwas in die Jahre gekommenen Nachkriegsensemble mit 250 Bewohnern, das seit 2015 zum Gewofag-Bestand gehört. Von 2017 auf 2018 habe es einen Kostensprung um rund 70 Prozent bei den Hausmeisterleistungen gegeben, so Cullman. Anstelle einer zuvor meist dreistelligen Rückerstattung sollte sie für 2018 nachzahlen. Deshalb legte sie gegen den Bescheid Widerspruch ein, wie auch rund 30 ihrer Nachbarn. Die Qualität des Hausmeisterdienstes habe sich im gleichen Maß verschlechtert, wie die Kosten stiegen, so Cullmann. Um Beispiele ist sie nicht verlegen. Sie berichtet von verdreckten Müllcontainer-Standorten, liegen gebliebenen Gartenabfällen, meist schleppenden Reaktionen auf Reparaturanfragen, schlechter Erreichbarkeit der Hausmeisterdienste oder gar Überschwemmungen durch verstopfte Regenrinnen.

Den aus der Zentrale entsandten Kräften will die Mieterin dabei gar keine Vorwürfe machen. Oft nur oberflächlich eingewiesen, seien sie halt oft nicht mit den Besonderheiten der jeweiligen Wohnanlage vertraut und wüssten zum Beispiel nicht, dass die Regenrinnen hier besonders schnell durch Laub verstopft werden.

Auch sonst geht es Cullmann ausdrücklich nicht darum, Stimmung gegen die Gewofag zu machen: "Ich sage nicht, dass das die größten Spekulanten aller Zeiten sind", betont sie. In der Tat wohnen die Heimag-Mieter dort recht günstig, selbst wenn man bedenkt, dass Neuharlaching, anders als das angrenzende Villenviertel, noch großteils von Genossenschaftsbauten geprägt ist. Umso deutlicher würden die meist älteren Bewohner eben auch kleine Preisaufschläge spüren.

Bei einer Versammlung von Gewofag-Mietersprechern im vergangenen Juli hatten sich unter anderem auch Betroffene aus Neuperlach und Bogenhausen über steigende Gebühren bei sinkender Leistung beklagt. Obergiesinger Mieter haben unterdessen einen Anwalt eingeschaltet. In Absprache mit dem Geschäftsführer des Münchner Mietervereins Volker Rastätter hat Cullmann unterdessen einen anderen Weg eingeschlagen. Sie tritt als Klagepartei in einem Schiedsverfahren auf, das seit dem 24. November läuft. Der Fall liegt bei Professor Ulf Börstinghaus, einem renommierten Fachjuristen für Mietrecht. Für eine rechtlich verbindliche Musterfeststellungsklage hätten sich mindestens 50 Mieter als Kläger zur Verfügung stellen müssen, erklärt Rastätter, außerdem verspricht das Schiedsverfahren schnellere Klärung. Die Gewofag-Geschäftsführung habe ihm zugesagt, den Schiedsspruch zu akzeptieren und auf alle Mietverträge anzuwenden, so Rastätter.

Harlaching: Wer soll das und alles andere bezahlen? Mieter der Siedlung an der Säbener Straße kritisieren, dass die Abrechnung für die Arbeit der Hausmeister mittlerweile zu hochausfällt.

Wer soll das und alles andere bezahlen? Mieter der Siedlung an der Säbener Straße kritisieren, dass die Abrechnung für die Arbeit der Hausmeister mittlerweile zu hochausfällt.

(Foto: Toni Heigl)

Geklärt werden soll unter anderem die Rechtmäßigkeit der zwischen der Gewofag und ihrer Service-Tochter geschlossenen Verträge sowie die Frage, ob die grundlegenden Abrechnungseinheiten nicht zu groß zugeschnitten wurden. Das BGB schreibt jedenfalls eine Abrechnung innerhalb zusammenhängender Wohngebiete mit annähernd gleichem Wohnwert vor. Natürlich werden auch jetzt nicht sämtliche Gewofag-Mieter durch eine pauschalierte Abrechnung über einen Kamm geschoren. Den Abrechnungsschlüssel nennt Cullmann aber "dubios", Rastätter hält ihn für "intransparent" und "nicht mit zumutbarem Aufwand nachprüfbar".

Verdeckte Gewinne, erzielt durch eventuell überhöhte Rechnungen zwischengeschalteter Tochterfirmen, unterstellen die Kläger aber ausdrücklich nicht. Die Causa unterscheidet sich damit deutlich vom Konflikt um die Nebenkostenabrechnungen des börsennotierten Wohnkonzerns Vonovia, der inzwischen beim Bundesgerichtshof liegt.

Die Möglichkeit, dass ein insgesamt effizientes System die Lasten im Einzelfall ungleich verteilt, räumt auch Gewofag-Sprecher De Gasperi ein: "Es kann durchaus sein, dass einzelne Anlagen - wie die Heimag-Siedlung in Harlaching - durch ihre objektspezifischen Flächen und Mengen (bspw. viel Außenfläche und geringe Wohnfläche) höhere Kosten aufweisen." Für Rastätter ist das der Knackpunkt des Verfahrens: "Des einen Glück, des anderen Pech, so darf es nicht laufen."

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