Hard Rock Café:Der harte Rock 'n' Roll ist grad nicht da

In allen 137 Filialen liegen gleich viele Zwiebelringe auf den Burgern: Seit zehn Jahren pflegt das Münchner Hard Rock Café sein Image als Kultgaststätte - langhaarige Kerle mit Lederjacke aber sucht man dort meist vergeblich.

Anja Perkuhn

Es ist unmöglich. Es ist einfach völlig unmöglich, irgendwo im Hard Rock Café einen Bilderrahmen, ein Poster, einen Glaskasten mit einer Gitarre darin zu finden, der nicht perfekt parallel ausgerichtet zu seinem Nachbarn an der Wand hängt. Die Kellner in schwarzen Arbeitsuniformen huschen aufmerksam zwischen den Gästen hin und her, eine Pfeffermühle mit dreierlei Pfeffer steht auf jedem Tisch. Ein einmeterhohes Kind beißt in einen zentimeterhohen Burger und baumelt mit den Beinen. Der harte Rock'n'Roll - er ist grad nicht da.

Rock ist unser Spirit, aber Familie ist unsere Seele", sagt Heidi Dentzer und zupft an dem doppelreihigen Perlenkettchen an ihrem Handgelenk. Die Marketing-Managerin des Münchner Hard Rock Cafés sitzt zwischen all den Bilderrahmen, Postern und Glaskästen und ist ebenfalls perfekt ausgerichtet. Führungen durch die Café-Sammlung von Musiker-Andenken am 21. Februar, Livekonzerte am 23. und 26., Pin-Tauschbörse am 22. und am 1. März zur großen Party kommt Pohlmann - die Termine, die zum zehnten Geburtstag des Rock-Shop-Restaurants am 26. Februar hinführen, zählt sie auf wie gute alte Freunde.

Bei allen bisherigen Geburtstagen war sie auch schon dabei, Dentzer gehört zu der Handvoll Mitarbeiter, die schon seit der Eröffnung des Cafés am Platzl hier arbeiten. "Und wenn ich es noch schaffe, dass deutsche Lieder auf die Playlist kommen, dann bin ich glücklich", sagt sie. Das gehört zum Selbstverständnis des Münchner Cafés dazu: die regionalen Eigenheiten pflegen, um ein wenig anders zu sein, als zum Beispiel das Hard Rock Café in Singapur oder Stockholm, auch wenn in allen 137 Filialen gleich viele Zwiebelringe auf den Burgern liegen. "Das Flair hängt ja auch von der Umgebung ab, das hat die Firma inzwischen erkannt", sagt Dentzer, "deshalb fördern wir auch regionale Bands", und deutschsprachige Musiker wie Christina Stürmer oder die Sportfreunde Stiller werden dann auch mal zu den Konzerten eingeladen, die wöchentlich auf der kleinen Bühne stattfinden.

Die Memorabilia, die kleinen Andenken, von Silbermond und Jan Delay - ein Award und ein weißer Hut - hängen in einer kleinen Nische des Restaurants, ziemlich versteckt, ziemlich weit hinten links um die Ecke. Hier sitzt an diesem Abend niemand auf der Polsterbank mit samtiggoldener Rückenlehne, denn die Konkurrenz ist groß. Die Besucher drängen sich schräg neben der weißen Jacke mit bunten Blumen und Kolibris von Rolling Stones-Gitarrist Keith Richards hinter Glas, auch eine Gitarre der Föhnfrisurenband Bon Jovi ist sehr gefragt als Sitznachbar, ein mattglänzender Ganzkörperdress von Queens Freddie Mercury markiert den Weg zur Küche und ein paar biedere, dunkle Hauspuschen von Weltverbesserer Bob Geldof die gemütlichen Seiten des Rockerruhms - wer im Hard Rock Café auf Burger oder Bier wartet, der hat das Halsdrehen als Teil des Spiels schon fest mit eingeplant.

Es ist vor allem diese Kult- und Ausstellungsatmosphäre, von der das Café tagsüber lebt - Touristen kommen in das Gebäude mit den schmiedeeisernen Verzierungen an der Tür, tasten sich mit ihren Blicken vor, drehen eine Runde im Shop. Im Sommer machen sie den größten Teil der Besucher aus, zusammen mit den Familien, sagt Dentzer. Sie sind entzückt, wenn die Bedienung sich zu ihnen an den Tisch setzt und zu plaudern beginnt - das sollen die Mitarbeiter tun. Was das mit Rock zu tun hat? "Es ist der Versuch, rüberzubringen, dass jeder von uns ein Rocker ist", sagt Dentzer, "auch wenn es vielleicht nicht so aussieht."

Die beiden jungen Männer mit zu einem Zopf gefassten Haaren und schwarzen Westen mit Band-Aufnähern müssen nun gehen, weil sie noch zur Internationalen Motorrad Ausstellung wollen. Ein Sonnenbrillenträger mit schwarzer Lederjacke und Nietenarmbändern stemmt sein Bierglas hoch, als müsste er ein Gewicht reißen, und geht. Sie waren hier heute die letzten ihrer Art. Es trudeln jetzt jüngere Leute ein. Sie drehen die Köpfe weniger oft zu den Ausstellungsstücken, als die Tagesgäste, schauen sich und ihre Cocktailgläser an. Auf den riesigen Flachbildschirmen an den Wänden dürfen Black Sabbath noch kurz schreien, dann erscheint ein DJ und packt seinen Laptop aus. Das Obstsymbol auf der Rückseite glimmt durch das Halbdunkel, Rockmusik läuft jetzt nur noch wenig.

Gegen zwei Uhr gibt es die letzte Runde. Vier junge Männer haben einen "Hard Rock Café"-Luftballon aus dem Ballonstrauß am Eingang gepflückt und köpfen ihn sich über den Tisch hinweg zu. "Rock'n'Roll", sagt einer. Sie lachen.

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