Süddeutsche Zeitung

Hanoi:Der Nur-Club

Viel Gold, guter Groove: Der Club Hanoi im Glockenbachviertel hat eröffnet. Keine Dekadenz, keine Ironie, kein Pomp, keine Inszenierung, ein Club ohne Image - das könnte funktionieren.

Philipp Crone

In diesen Zeiten geht es dem modernen Menschen immer um eine Aussage. Alles, was er tut, hat eine Bedeutung. Was er trägt, wie er sich fortbewegt, was er trinkt, wie er flucht, was er hört, wen er trifft, was er auf Facebook postet, wo er wohnt und wo er hingeht. Wenn es nun einen neuen Ort gibt, zu dem der Mensch hingehen kann, dann braucht dieser Ort auch eine Aussage. Ein Statement. Nobel im P1, flirtwillig in der Milchbar, lässig im Heart, cool im Bobbeaman. Was bedeutet es also, wenn in Zukunft jemand in den am Donnerstag eröffnete Hanoi-Club geht? Klar ist: Er geht im Glockenbachviertel weg, das Hanoi liegt in der Theklastraße 1 im Untergeschoss.

Der Weg hinunter führt über eine golden schimmernde Treppe. Gold? Also Luxus, vielleicht Dekadenz? Nein, sagt Betreiber Michael Dietzel, der auch das Café am Hochhaus und die Bar Corso führt. Zufall sei das. Die Farbe habe ihm gefallen. Deshalb sind die drei verbundenen niedrigen Räume mit güldener Tapete verkleidet, hängen mit dunklem Stoff bespannte Lampenschirme an goldenen Metallstäben, sind die drei Bars und das DJ-Pult mit goldenem Metall beschlagen. Und die Discokugel funkelt in - Gold. "Erinnert an den Orientexpress", sagt einer.

Die Musik, die in angenehmer Clublautstärke spielt, ist Funk-House. Bläsersätze befeuern einen coolen Groove, und die Barkeeper wippen mit, sodass unter ihren armfreien Shirts die Brustmuskeln hüpfen. Bedeutung? Gefällt ihnen, die Musik, sagt Dietzel. Und - gerade auch für das zum Teil schwule Publikum - es ist ein gemeinsamer Nenner.

Den 200 Gästen der Eröffnung scheint es zu gefallen, sie blicken sich beim gedankenverlorenen Strohhalmzug aus dem Sprizz-Glas um, in die mit Plüsch bezogenen Sitzecken, auf die Drachentapete. Drachentapete? Aussage? Hat ihnen halt gefallen.

Eine Frau mit rosafarbenem Federhaarreif schaut leicht lüstern, geht dann an die Bar. Sie hat die Wahl zwischen zum Beispiel Augustiner und einem angesagten Perlwein, zwischen Tradition und Moderne also. Aussage?  Keine. Auch nicht der Name Hanoi. Und kommen darf jeder, Donnerstag bis Samstag ab 22 Uhr. Keine Dekadenz, keine Ironie, kein Pomp, keine Inszenierung, ein Club ohne Image. Ein Nur-Club. Diese Aussage könnte funktionieren.  

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1117958
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/Philipp Crone
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.