Pop:Sie wollen nur spielen

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Drei Männer, eine Freundschaftsband: Till Hofmann, Peter Brugger und Hannes Ringlstetter haben als Band "Allmšik" ihr erstes Album veröffentlicht. (Foto: Gerald von Foris, Tobias Koark-Haberl)

Seit zehn Jahren gibt es die bayerische Allstar-Band "Allmšik". Aber erst jetzt haben Hannes Ringlstetter, Peter Brugger und Till Hofmann mit "Fünfer" ihr erstes, kurzes Album herausgebracht.

Von Dirk Wagner, München

Verglichen mit den Wortschöpfungen und zerebralen Dehnübungen der vielen Expertengespräche in Funk und Fernsehen mag diese Lösung etwas arg vereinfacht klingen. Aber "Tanzen und Schmusen", wie es die bayerische Allstar-Band Allmšik im ersten von fünf Songs ihres Debüt-Albums "Fünfer" fordern, sind durchaus bewährte Maßnahmen für eine bessere Welt. Und das passt ganz gut. Denn das Album, auf das man lange warten musste, macht die Welt selbst ein bisschen besser. Es ist eine ebenso kurze wie kurzweilige Langspielplatte, die die Pforten zu einer Klang gewordenen Entspannung öffnet, als welche Hannes Ringlstetter, Peter Brugger und Till Hofmann ihre Band selbst erleben. Und an der auch andere Musiker teilhaben konnten, "Tanzen und Schmusen" etwa wurde mit Hilfe des einstigen La Brass Banda-Tubisten Andreas Hofmair und weiteren Gastmusikern eingespielt.

Seit nunmehr zehn Jahren gibt es Allmšik, die in der Zeit gerade mal drei Kurzauftritte absolviert hat. Der Rest blieb so privat wie jenes Treffen zu Schweinsbraten und Bier auf einer Berghütte, aus welchem die Band hervorgegangen sein soll. Weil die Beteiligten hauptberuflich ausreichend in andere Projekte involviert sind, blieb Allmšik über all die Jahre wohl vorrangig eine Hobbyband, respektive ein Synonym für eine gelebte Freundschaft jenseits aller beruflichen Belastungen. Der Sänger, Moderator und Schauspieler Hannes Ringlstetter genießt darin, dass er als Akkordeonspieler nicht permanent den Frontmann geben muss. Der Sportfreunde Stiller-Sänger Peter Brugger ist in dieser Band wieder der Schlagzeuger, als welcher er einst mit der damaligen Formation Vertical Orange Carcrash seine Popkarriere gestartet hatte. Und der Veranstalter Till Hofmann, dem nicht nur in München und Passau so viele Konzerte und Kabarettprogramme zu danken sind, dass man diesem Tausendsassa ohnehin kein Privatleben zugetraut hätte, goutiert, dass es solches Privatleben dann als Gitarrist bei Allmšik doch gibt.

Die Platte soll eine zum Entdecken sein

Entsprechend zutreffend ausgesucht sind auch die Schwimmanstalt-Bilder der befreundeten Fotografin Julia Baier für die Gestaltung des Covers von Allmšiks Debütalbum. Menschen auf einem Sprungturm sind darauf zu sehen. Vielleicht ein Fünf-Meter-Turm, passend zum Albumtitel "Fünfer". Wobei der Titel eigentlich nur für die fünf Songs steht, die darauf zu hören sind. Das Cover zeigt auch Menschen, die in ein Schwimmbecken springen. Öffentliche Schwimmbäder seien nämlich faszinierende Orte zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre, hatte die in Berlin lebende Fotografin einmal über ihre preisgekrönte Arbeit "Die öffentliche Badeanstalt" von 2002 gesagt. Und genau so könnte man auch die fünf Songs der Freizeitkapelle Allmšik beschreiben: als Orte zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre.

Das gilt für die darin erzählten Geschichten ebenso wie für die Rahmenbedingungen ihrer Entstehung. Vorrangig habe man das Album ohnehin für sich selbst gemacht, sagt Peter Brugger, und ergänzt: "Ich finde aber, dass das eine tolle Platte zum zufälligen Entdecken ist." Darum will Allmšik das Album auch nicht all zu marktschreierisch feilbieten. Ein Konzert zum Release gibt es "auf keinen Fall", wie Brugger unverzüglich auf die entsprechende Frage antwortet. Und auch die Veröffentlichung selbst wartete geduldig, bis die neuen Publikationen von Abba, Beatles und Co das Weihnachtsgeschäft ausreichend ausgeschöpft hatten.

Vor Weihnachten gab es das Album nicht zu kaufen. Es sollte wohl nicht auf den Gabentisch.

Als hätte die Band bewusst verhindern wollen, dass ihr Werk am Ende auch noch ein Verkaufsschlager würde, beließ sie die bereits gebrannten CDs und gepressten Vinyl-Schallplatten im Büro ihrer Schallplattenfirma Millaphon. Hier waren sie geschützt vor all den Geschenke-suchenden Käufern. Allerdings gibt es auch andere Tage, an denen Alben verkauft werden. Schließlich habe man Silvester auch nichts anderes zu tun, als nach neuen LPs Ausschau zu halten, sagt Ringlstetter. Gleichwohl: Diese Schallplatte mag von den Sammlern selbst entdeckt werden. Wer diese dann auch noch auf Vinyl entdeckt, bekommt zum auditiven Kunstwerk, das mit den fünf Songs der Band auf einer einzigen Schallplattenseite zu hören ist, noch ein visuelles Kunstwerk, das die andere Schallplattenseite ziert, weil darauf keine Lieder gepresst wurden. Somit ist die Schallplatte gleichermaßen für den Plattenteller als auch für den Bilderrahmen geeignet.

Liebevoll hat die Band der Platte sogar noch ein Textheft samt Noten und Gitarrenakkorden beigefügt, damit deren Œuvre auch an Lagerfeuern und in Jugendherbergen liederbuchartig nachgesungen werden kann. Etwa die Textzeilen: "Lasst euch mal treiben. Wechselt die Seiten. Riskiert Euren Ruf. Ändert den Groove", so wie sie Hannes Ringlstetter im ersten Song formuliert. Seine Zusammenarbeit mit Peter Brugger und Till Hofmann beschreibt er so: "Ich krieg halt Vorgaben, die dem Hirn von Till entspringen, mit denen ich dann nichts anfangen kann. Der Peter macht dann meistens eine Strophe und den Refrain. Und dann habe ich mich textlich unterzuordnen, schick dann was, das wird abgelehnt und von Peter umformuliert. Aber ich komme total gut damit klar."

Die Ideen zu den Songs kommen von Till Hofmann

Oder wie Peter Brugger es darstellt: Till Hofmann habe meistens die Idee zu einem Songtitel. Bisweilen skizziert er den Song auch noch mit einer kleinen Geschichte aus der eigenen Jugend. Als er zum Beispiel mit Freunden immer in eine benachbarte Ortschaft fuhr, wo sonntagnachmittags auf einer Tanzveranstaltung Frauen miteinander tanzten, derweil die Cola-Weizen trinkenden Männer dort meistens in Nicht-Tänzer-Posen verharrten. Oder wie ihm als Kind jenes Schild an den Fahrgeschäften der im Ort gastierenden Kirmes wie ein Schlüssel zur Welt erschien: "Junger Mann zum Mitreisen gesucht". Ein Schlüssel, den Hofmann als Kind dann doch nicht nutzte, gleichwohl er sich schon zur Tochter eines Fahrgeschäftsbetreibers hingezogen fühlte.

Brugger wandelt solche Ideen und Erinnerungen sodann in Songtexte und Melodien, die alsbald wieder von der gesamten Band gemeinsam ausgefeilt werden. Ohne Zeitdruck wohlgemerkt. Den belassen die Beteiligten dann doch lieber in ihren anderen Projekten. Wobei diese dann auch der Grund sind, warum Allmšik zehn Jahre auf ihr Debüt-Album warten ließ. Und sie scheinen der Grund zu sein, warum Allmšik letztlich auch keinen Bassisten hat, oder, wie Brugger es ausdrückt: "Ein Bassist? Das wäre ja noch ein Mitspieler, der nie Zeit hat."

Zu Silvester erscheint nun endlich Allmšiks "Fünfer", zu spät zwar für das Weihnachtsgeschäft, aber dafür auch zu früh, um als Kandidat für die beste Schallplatte des Jahres 2022 zu enden.

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