Hannelore Elsner:Wild und frei

Hannelore Elsner Giesing

Hannelore Elsner im Juni 1971 auf dem Dach ihrer Wohnung in Giesing.

(Foto: Heinz Gebhardt)

Hannelore Elsner konnte das Drama ihres Lebens scheinbar anstrengungslos abrufen. Vor allem aber war sie eine hinreißende Schauspielerin. Erinnerungen an eine besondere Münchner Figur.

Von Christian Mayer

Vor knapp einem Jahr brillierte Hannelore Elsner auf dem Münchner Filmfest; sie besaß ja die Gabe, das Publikum mit diesem besonderen Lächeln und diesem Blick mitzureißen, der alles bedeuten konnte. In "Der große Rudolph" spielte sie die Mutter des Münchner Originals, die überlebensgroß schillernde Else Moshammer, treibende und hintertreibende Kraft im Laden an der Maximilianstraße. Die Rolle einer "Löwenmutter", die alles für ihren aufstrebenden Sohn geben will, aber irgendwann die Kontrolle über die Dauerinszenierung verliert, war ihr auf den Leib geschrieben. "Wunderschön" sehe die neue Verkäuferin aus, die ihr Sohn Rudolph gerade angestellt hat, sagt Elsner im Film. "Wunderschön. Und gar nicht ordinär. Toll." Ihre Stimme wird dabei immer leiser, bis sie im Sarkasmus erstarrt.

Wer jemals mit dieser Schauspielerin zu tun hatte, kannte die verstörenden Momente: Vor einer Stunde noch hatte Hannelore Elsner am Telefon sehr bestimmt, um nicht zu sagen barsch angekündigt, unter gar keinen Umständen das bereits vereinbarte Interview geben zu können, weil sie viel zu beschäftigt sei - um dann doch, zunehmend begeistert von ihren eigenen Erzählungen, ins Plaudern zu kommen. Das Drama ihres Lebens, das sie scheinbar anstrengungslos jederzeit abrufen konnte, setzte sie höchst kunstvoll für ihre größten Rollen ein, vor allem in den Filmen von Doris Dörrie ("Kirschblüten - Hanami"), Oliver Hirschbiegel ("Mein letzter Film"), Dani Levy ("Alles auf Zucker") oder Oskar Roehler ("Die Unberührbare"). Und natürlich erzählte sie gerne von ihren späteren Erfolgen, sie hatte ja viel erlebt als Schauspielerin.

Nach dem Vorgespräch zum Interview, das eigentlich nicht stattfinden durfte, traf man sich im Hotel Atlantic in Hamburg und machte einen dreistündigen Ausflug an die Alster und später einen Abstecher an die Hotelbar, bei dem das Zeitgefühl des Reporters genauso wie das Portemonnaie mit dem Flugticket nach München irgendwann verloren ging - eine klassische Elsner-Begegnung, kraftraubend und energiespendend zugleich, emotional und unterhaltsam. Und genauso hat sie ja auch ihr eigenes Leben beschrieben: "Es war anstrengend. Und dann noch die verschiedenen Geliebten! Wahnsinn. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt!"

Der Satz stammt aus dem Alster-Interview aus dem Jahr 2015, bei dem sie die besten Fragen selbst gestellt hatte, denn neugierig war sie auch, ungeheuer neugierig. Und selbstverständlich gab es nach dem Termin in Hamburg noch ein weiteres langes Telefongespräch, bei dem sie erst kategorisch untersagte, das Interview jemals freizugeben, um es dann, das abgetippte Manuskript vor sich, Wort für Wort noch einmal neu zu diktieren, in einer für sie richtigen Weise. Zwei Tage später, als das Interview in der SZ erschienen war, bekam man dann eine persönliche Dankesbotschaft per SMS. Sie brauchte kein Smiley, um andere zum Lächeln zu bringen.

Hannelore Elsner hatte auch mit 70 eine mädchenhafte Leichtigkeit. Sie konnte jedem für die Dauer einer Begegnung den Kopf verdrehen: Freunden, Kollegen, Regisseuren, Produzenten, Zuschauern. Wenn sie nicht gerade Lust auf einen inszenierten Wutanfall hatte oder ihre dunkle Seite zum Glänzen brachte, mit der man wohl umgehen musste, wenn man den Kraftquell Elsner nutzen wollte.

Hannelore Elsner auf dem Deutschen Filmball in München, 2014

Hannelore Elsner saß beim Münchner Filmball immer mit den wichtigsten Menschen zusammen, häufig tanzte sie ausgelassen auf dem Tisch.

(Foto: Robert Haas)

Als Münchner Reporter hat man natürlich auch den Deutschen Filmball im Bayerischen Hof vor Augen. Hannelore Elsner, immer am wichtigsten Tisch, an dem sie früher mit ihrem Lebensgefährten Bernd Eichinger Hof hielt und später mit wechselnden Filmgrößen: Keine konnte sich an einem Glas Champagner derart berauschen, den sie auch mal aus ihrem Damenschuh trank, ohne dass es peinlich wirkte; keine konnte so wild und frei auf dem Tisch tanzen wie sie. Die Traurigkeit, die es in ihrem Leben auch gab, war dann verschwunden, die Elsner riss sie alle mit, auch die sehr viel Jüngeren.

Am Set

Sie trug den berühmtesten Mantel der deutschen Filmgeschichte, ein weißes Designerstück von Dior mit schwarzen Blumen drauf. Das war im Jahr 2000, in ihrem vielleicht besten Film "Die Unberührbare". Achtzehn Jahre später, an einem heißen Augusttag in Schwabing, hat sie wieder einen besonderen Mantel an: Hannelore Elsner sitzt in ihrem Wohnwagen und bereitet sich auf die nächste Szene vor, gemeinsam mit Jutta Speidel und Uschi Glas dreht sie den Fernsehfilm "Club der einsamen Herzen" (ARD, 8. Juni 2019). Die Schauspielerin trägt in Drehpausen einen rosafarbenen Bademantel, an ihr sieht selbst so ein Kleidungsstück glamourös aus. Der berühmte Dior-Mantel hänge jetzt in der Deutschen Kinemathek in Berlin, sagt Elsner, die an diesem Tag auch ein wenig über ihre Vergangenheit spricht. "Kennen Sie 'Die endlose Nacht' von Will Tremper?" Das ist mein bester Film", sagt sie. Ihr Sohn Dominik, der bei diesen Dreharbeiten dabei ist, nickt und reicht dem Besucher einen MP3-Player. Darauf singt Elsner ein eigens für den Film geschriebenes Lied: "Du lebst ein zweites Mal." grü

Noch auf ihrer letzten Premiere von Doris Dörries Film "Kirschblüten & Dämonen" Ende Februar im Arri-Kino war ihr nichts anzumerken, sie wirkte lebensfroh. Sie ließ sich einfach in den Arm ihrer Regisseurin fallen, ganz leicht, obwohl die Krankheit schon von ihr Besitz ergriffen haben musste. Sie spielte einfach weiter, auf ihre tapfere Weise. Bis zum Schluss.

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