Hanf:Betreiber von Hanfläden fürchten nach Razzia um ihre Existenz

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Im April rückte die Polizei zur Durchsuchung mehrerer Hanfläden an und nahm Produkte vom Keks bis zur Hanfkosmetik mit. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Zugleich werfen sie der Polizei unkoordiniertes Verhalten vor. Die Behörden halten selbst Produkte ohne Rauschwirkung für illegal.

Von Martin Bernstein, München

Ein Absperrband, ein Tresen, ein eher spärlich gefülltes Regal. Groß war Ralf Kannheisers Laden "Hanf im Glück" im Eingangsbereich des Rewe-Markts am Hauptbahnhof von Anfang an nicht, doch derzeit ist das Angebot auch noch erheblich reduziert. Was weder an einem Kundenansturm noch an einem Lieferengpass liegt - sondern an einer Aktion der Sicherheitsbehörden. Rund 40 Polizisten drängten sich am Morgen des 11. April in Kannheisers Geschäft, etwa 20 besuchten den Geschäftsmann nach dessen Erinnerung zur gleichen Zeit in dessen Privatwohnung. Die hätten zwar einen Rammbock dabei gehabt, ansonsten sei aber alles "gechilled" geblieben, erzählt Kannheiser mit ein paar Wochen Abstand. Die Polizisten fahndeten nach Produkten, die Cannabidiol (CBD) enthalten - einen Wirkstoff, der auch nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft München I "kaum psychoaktiv" ist, also kein Rauschgift.

Am Ende der Aktion hatten die Polizisten und Staatsanwälte gleichwohl allein bei "Hanf im Glück" Waren im Wert von 60 000 Euro mitgenommen, dazu nach Kannheisers Angaben 20 000 Euro aktuelle Einnahmen - und sogar private cannabishaltige Medikamente des Münchners, für die er Rezepte hatte. Und Kannheiser blieb nicht der einzige, der an diesem Tag wegen vermeintlich legaler Cannabidiol-Produkte Ärger mit den Strafverfolgern bekam: Rund 180 Münchner Polizisten, elf Staatsanwälte und weitere Beamte anderer Dienststellen filzten insgesamt acht Geschäfte und Läden sowie neun Privatwohnungen von neun Beschuldigten, die meisten in der Stadt München, aber auch in Baldham und Kirchseeon, im Landkreis Dachau und in Baden-Württemberg.

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"Ich weiß nicht, was das soll", erbost sich Kannheiser, "man hätte das auch anders klären können." Der Unternehmer steht buchstäblich vor dem Nichts. Seine beiden Ladengeschäfte und den Online-Handel mit CBD-Produkten musste er vorerst auf ein Minimum herunterfahren. "Alles, was hiergeblieben ist, dürfen Sie weiter verkaufen", soll ihm bei der Razzia beschieden worden sein. Eine zwiespältige Empfehlung. Denn in Kannheisers Läden wurden jeweils unterschiedliche Produkte mitgenommen - darunter Hanfschokolade, Liquids, Handcremes und Hanföl.

Ähnlich erging es Wenzel Cerveny. Ihm gehört "Hanf - der etwas andere Bioladen". "Ich wusste nicht, wie mir geschah", berichtete Cerveny nach der Razzia: "Die Polizei stand mit Prellböcken vor der Wohnung." In seinen drei Läden seien Hanftees, Hanföle, CBD-Liquids und Hanfkekse mit einem Wert von weit mehr als 100 000 Euro beschlagnahmt worden. Dabei seien die Ermittler laut Cerveny "sehr unkoordiniert" vorgegangen. "In einem Laden haben sie Hanf-Kosmetik mitgenommen und die Kekse dagelassen, im anderen Laden haben sie die Kosmetik stehen gelassen und die Kekse mitgenommen." Auch Kannheiser erzählt, dass bei ihm sogar Handcreme sichergestellt wurde.

Ralf Kannheiser in seinem Laden, als die Regale noch voll waren. (Foto: oh)

Die Hanf-Händler berufen sich darauf, dass ihre Produkte aus EU-zertifiziertem Anbau stammen und den erlaubten Grenzwert des Wirkstoffs THC einhalten. Außerdem hat etwa "Hanf im Glück" in seinem Onlineshop darauf hingewiesen, dass CBD-Blüten und Pollinate mit Namen wie "Schwarzer Afghane" "ausschließlich als Rohstoff zur Kosmetikherstellung" bestimmt seien: "Von Verzehr und Einnahme wird ausdrücklich abgeraten", hieß es. Damit seien die Ausnahmebedingungen des Betäubungsmittelgesetzes in jedem Fall erfüllt. Die Kunden seien "stets auf der sicheren Seite".

Die Münchner Staatsanwaltschaft dagegen glaubt, dass Händler regelmäßig gegen die Ausnahmebedingungen verstoßen. Auf Nachfrage antwortet Pressesprecher Florian Weinzierl: "Erlaubt ist ein Verkehr mit Produkten, die gegebenenfalls auch nur einen ganz geringen THC-Gehalt aufweisen, nur zu gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen (lassen). Diese Ausnahme ist bei der Abgabe an Verbraucher (wohl) ausgeschlossen." Die Ausnahmeregelung soll laut Staatsanwaltschaft "gerade nicht die Bevölkerung mit THC-schwachen Zubereitungen zu persönlichen Konsumzwecken versorgen" und so das grundsätzliche Cannabisverbot aufweichen. Der Nachweis, dass der verwendete Hanf aus EU-zertifiziertem Anbau stammt, sei "nicht ausreichend". Welche Produkte zu Rauschzwecken missbraucht werden könnten, sei "eine Frage des Einzelfalls", sagt der Sprecher: "Eine belastbare Beurteilung kann erst nach Abschluss der Analysen erfolgen."

Doch die Klärung der Einzelfallfrage ist für manche Hanf-Händler eine Frage der Existenz. Legal erworbene Waren aus ordentlich angemeldeten Läden für Zehntausende Euro liegen wohl monatelang bei den Ermittlern. Danach, so befürchten die Unternehmer, könne man viele Produkte nur noch wegwerfen. Handys, Laptops, Computer seien zudem beschlagnahmt worden. Er verstehe nicht, sagt Kannheiser, warum er "in eine Ecke mit Illegalen" gestellt werde. Sein Kollege Cerveny, 57, stellt sich dieselbe Frage: "Was bezwecken die Ermittler mit der Beschlagnahme von Hanftee mit Pfefferminzgeschmack?" Er sei sich "wie ein Schwerverbrecher" vorgekommen, sagt Cerveny, der sich als Vorsitzender des Cannabis Verbandes Bayern (CVB) auch verbandspolitisch engagiert. Er vermutet: "Die bayerischen Ermittler wollen als Handlanger der rigorosen Anti-Cannabis-Politik im Freistaat die ganze Branche einschüchtern und schikanieren."

Die Staatsanwaltschaft begründet ihre Razzia indes offiziell mit lokalen Münchner Vorkommnissen. Im Rauschgiftkommissariat hätten sich Fälle gehäuft, in denen Beschuldigte der Ansicht gewesen seien, legale Produkte erworben zu haben. Darunter seien auch Minderjährige gewesen. CBD-Händler wie Kannheiser oder Cerveny betonen aber, in ihren Geschäften habe man sich von Kunden immer den Ausweis zeigen lassen. Nach Polizeiangaben sind bis zur Durchsuchungsaktion rund 50 Fälle bekannt geworden, darunter seien fünf Minderjährige gewesen. "Inwieweit die Beschuldigten der vorgenannten Fälle davon ausgingen, CBD-Produkte legal erworben zu haben, kann bisher nicht verifiziert werden", ergänzt ein Polizeisprecher. Die Frage, ob Kunden sich strafbar machen, die in den Läden CBD-Produkte wie Blüten, Öle oder Kaugummis kaufen, beantwortet Staatsanwalt Weinzierl so: "Wer wissentlich und willentlich Betäubungsmittel erwirbt, macht sich natürlich strafbar." Große Drogeriemarktketten, die seit mehreren Monaten CBD-Öle im Angebot hatten, von der Razzia am 11. April aber nicht betroffen waren, nahmen deshalb vorübergehend bestimmte Produkte vorsichtshalber aus ihrem Sortiment.

Cerveny hat jedenfalls angekündigt, sich mit allen juristischen Mitteln gegen die Razzia und ihre Folgen zu wehren. Die Münchner Ortsgruppe des Deutschen Hanfverbands hat derweil für kommenden Samstag von 16 bis 21 Uhr zu einer Demonstration von der Uni zum Marienplatz aufgerufen. Sprecher Micha Greif sagt über die Razzia vor einem Monat: "Allein die mit diesem Einsatz verbundenen Ermittlungs- und Strafverfahren kosten sicherlich weit über hunderttausend Euro. Viel Geld, das in Präventionsprojekte besser investiert wäre." Zwei Tage vor der Kundgebung diskutiert der Gesundheitsausschuss des Stadtrats (Donnerstag, 14 Uhr) über die Frage, ob die Produktpalette der städtischen Güter erweitert werden soll. Um den Anbau von Medizinalhanf.

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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