Süddeutsche Zeitung

Handy-Ticket für den Nahverkehr:München hat ausgestempelt

Bis Ende des Jahres wollen Bahn und Münchner Verkehrsgesellschaft das Handy-Ticket einführen. Tages- und Einzelfahrkarten können die Fahrgäste dann per Smartphone oder Internet kaufen. Gebremst hatte bislang vor allem die MVG - aus finanziellen Gründen.

Von Marco Völklein

Solche Szenen wie in Hamburg im Frühjahr 2011 soll es in München in diesem Winter nicht geben. Damals hatte der Hamburger Verkehrsverbund sein neues Handy-Ticket eingeführt. Einen Fahrschein kaufen ganz ohne Wartezeiten, ohne Kleingeldnöte, ohne Zeitdruck - das hatten die Verkehrsunternehmen versprochen. Doch als die Kunden das Angebot nutzten und ihre Smartphone-Displays mit den darauf abgebildeten Barcodes zeigten, konnten die Kontrolleure die papierlosen Fahrscheide nicht prüfen - sie hatten schlicht nicht genügend Lesegeräte.

Zum Fahrplanwechsel in diesem Dezember soll nun auch beim Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) das Handy-Ticket kommen. Einzel- und Tagesfahrscheine können sich die Kunden dann per Smartphone oder Internet kaufen. Konkrete Informationen, wie das genau funktionieren wird, rücken die Zuständigen derzeit noch nicht heraus. Voraussichtlich Anfang September wollen die Vertriebsverantwortlichen des MVV, der Deutschen Bahn sowie der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) das neue Angebot vorstellen.

Klar ist aber bereits jetzt: Die Kunden werden über mehrere Wege an ihr Handy-Ticket kommen. Sowohl die MVG wie auch die Deutsche Bahn werden über ihre eigenen Internetseiten und Smartphone-Apps das neue Ticket anbieten. Auch über die MVV-App gibt es das Handy-Ticket, allerdings müssen sich die Fahrgäste per Tastendruck entscheiden, ob sie die Karte lieber bei der Bahn oder der MVG kaufen.

Beide Unternehmen, so eng sie auch im täglichen Betrieb zusammenarbeiten, rangeln beim Vertrieb der Fahrscheine heftig miteinander: Zwar werden die Fahrgeldeinnahmen am Ende des Jahres nach einem komplizierten Schlüssel zwischen den beiden großen Unternehmen, einigen kleineren Wettbewerbern und den acht MVV-Landkreisen aufgeteilt. Doch wer die Fahrgelder der Kunden zunächst einmal in seiner Kasse verbucht, kann bis zu diesem Stichtag einige Monate lang mit dem Geld arbeiten. Und diesen Vorteil gibt kein Unternehmen gern aus der Hand.

Streifenkarten weiter am Automaten

Fahrgastverbände und Verkehrspolitiker im Münchner Rathaus drängen seit Jahren den MVV, den Fahrkartenverkauf per Internet und Smartphone zu forcieren. Sie hoffen, damit Zugangshürden abzubauen - und öfter Spontanfahrer zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen. Nun also ist es dann endlich so weit.

Von Mitte Dezember an bieten Bahn und MVG zumindest Einzel- und Tagestickets über den neuen Vertriebskanal an. Wochen- und Monatskarten sowie die beliebten Streifenkarten müssen sich die Kunden weiter am Automaten oder an den Verkaufsstellen besorgen. MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag hofft zwar, dass bald das komplette Ticket-Angebot digital vertrieben werden kann. Bedenkt man aber, wie lange es gedauert hat, bis nur dieser erste Schritt gemacht wurde, wird es wohl noch einige Zeit dauern.

Gebremst hatte bislang vor allem die MVG - aus finanziellen Gründen. So muss der Verkehrsbetrieb sämtliche Busse mit Kontrollgeräten ausrüsten, um die Handy-Tickets zu prüfen. Nach 21 Uhr müssen alle Passagiere vorne einsteigen und dem Fahrer ihr Ticket vorlegen. Etwa 400 Kontrollgeräte für die Busse werde die MVG daher in den nächsten Monaten anschaffen, sagt MVG-Chef Herbert König. Weitere 150 sind für die mobilen Kontrolleure eingeplant, die unter anderem in U- und Trambahnen auf Streife gehen.

Unterm Strich investiert die MVG laut König etwa vier Millionen Euro in das Handy-Ticket. Darin eingerechnet sind nicht nur die Ausgaben für die Lesegeräte, sondern auch für die Software und vor allem Sicherheitsstandards, damit die Barcodes nicht einfach von Betrügern geknackt werden können. In anderen deutschen Städten, die wesentlich früher als München das Handy-Ticket eingeführt haben, hätten die dortigen Verkehrsbetriebe viel Ärger mit Gaunern gehabt, sagt König. Was man nun mit der Bahn entwickelt habe, sei "in puncto Fälschungssicherheit das Beste, was es derzeit auf dem Markt gibt".

Außerdem will der MVG-Chef zum Start des neuen Angebots eine Menge Werbewirbel machen - und auch der geht ins Geld. "Wir wollen die neuen elektronischen Vertriebswege nicht vor sich hindümpeln lassen", sagt König. Nachlässe von ein paar Cent, wie etwa den Nutzern von Geldkarten beim Kauf am Automaten, werden MVG und Bahn den Käufern von Handy-Tickets aber nicht gewähren. "Bislang entstehen uns mit dem Handy-Vertrieb nur zusätzliche Kosten", sagt König.

Sollte sich das Ticket durchsetzen, ließen sich aber Ausgaben im herkömmlichen Vertrieb sparen: Dann könnte die MVG die Batterien von stationären Fahrkartenautomaten, die derzeit noch an zahlreichen Bahnhöfen stehen, zumindest ein wenig ausdünnen.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2013
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