Was wurde aus....?:Happy End für die Autonarrischen

Was wurde aus....?: Peter Sommerer, Walter Sommerer und Max Sommerer (von links) mussten ihre Werkstatt mitten in Haidhausen verlassen.

Peter Sommerer, Walter Sommerer und Max Sommerer (von links) mussten ihre Werkstatt mitten in Haidhausen verlassen.

(Foto: Robert Haas)

Eine Familien-Werkstatt in Haidhausen erhielt die Kündigung, verzweifelt suchten Opa, Vater und Sohn Sommerer nach neuen Räumen. Es war, buchstäblich, eine Überlebensfrage.

Von Sonja Niesmann

Sie waren ganz kurz davor aufzugeben. Der selbständige Kfz-Meister Peter Sommerer, 54, hatte ein Angebot, als Angestellter in einem anderen Betrieb einzusteigen. Sein Sohn Max, 32, der die Lehrzeit bei Vater und Opa gemacht und seitdem nur in ihrem Drei-Generationen-Betrieb gearbeitet hat, beschloss, was ganz anderes zu machen. Warum nicht zur Müllabfuhr gehen? Früh anfangen, mittags fertig sein, nachmittags Zeit zum Rumbasteln am Auto. Denn autonarrisch sind sie alle drei, beruflich wie privat, Großvater, Sohn, Enkel.

Aber was sollte der Opa machen? Walter Sommerer, der mehr als fünf Jahrzehnte in Haidhausen Fahrzeuge unter seinen Mechanikerhänden hatte, seit 2009 zusammen mit Sohn Peter und Enkel Maxi an der Sedanstraße, in einem Hinterhof mitten in Haidhausen? Der mit seinen 85 Jahren immer noch jeden Vormittag in der Werkstatt war, aufräumte, Ersatzteile besorgte, Autos zum TÜV fuhr? "Der Vater, der tät' sterben, wenn er aufhören müsste, weil wir nix für uns drei finden", hatte Peter Sommerer vor einem Jahr besorgt gesagt.

Der Metzger ums Eck revanchierte sich mit Leberkässemmeln

13 Jahre haben die drei Sommerers zusammen in ihrer etwa 127 Quadratmeter kleinen Halle im Haidhauser Hinterhof mit Platz für grade mal vier Fahrzeuge Autos repariert, in der wärmenden Herzlichkeit ihres Familienverbunds. 99 Prozent ihrer Kunden, erzählte Peter Sommerer, seien Haidhauser gewesen. Der Metzger um die Ecke, dem sie schnell mal die Reifen aufzogen, revanchierte sich mit Leberkässemmeln. Die Nachbarn schauten vorbei auf einen Ratsch, die Kinder aus dem Vorderhaus, um sich an den dickbauchigen Gummibärchen-Dosen im Werkstattschrank zu bedienen. Und dann, ganz plötzlich, geriet das lange Zeit so freundschaftliche Verhältnis mit dem Vermieter, dem die Häuser an der Sedanstraße 6 und 8 sowie die beiden Rückgebäude gehören, schwer ins Stottern. Sie bekamen die Kündigung.

Peter Sommerer sah sich nach einer neuen Werkstatt in München um, musste aber feststellen, dass alles, was nicht unter der Hand wegging, wo er vielleicht zum Zug kommen könnte, viel zu teuer war. Auf Ebay schaltete er Anfang vergangenen Jahres eine Anzeige: "Suche einen Vermieter mit Herz für meinen Drei-Generationen-Kfz-Betrieb" - mit einem Bild, auf dem die Münchner Fotografin Susie Knoll die drei Männer im Stil einer Handwerker-Boygroup in Szene gesetzt hat: Walter mit roter Zange, Peter mit Hammer, Maxi mit Schleifmaschine, alle drei Ölflecken im Gesicht. Die passende Werkstatt fanden sie auch damit nicht.

Was wurde aus....?: Die drei von der Werkstatt: Mit diesem Foto, auf dem sie noch etwas jünger sind, hat Kfz-Meister Peter Sommerer auf Ebay nach einer neuen Werkstatt gesucht.

Die drei von der Werkstatt: Mit diesem Foto, auf dem sie noch etwas jünger sind, hat Kfz-Meister Peter Sommerer auf Ebay nach einer neuen Werkstatt gesucht.

(Foto: Susie Knoll)

Im August 2022 gab es einen Gütetermin bei Gericht, "mit einem supernetten Richter", findet Peter Sommerer, der ihnen noch einmal einen Aufschub bis 31. Januar 2023 verschafft hat. Und dann, vergangenen Oktober, endlich, die erlösende Wendung: Die Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrumsgesellschaft (MGH), ein städtisches Tochterunternehmen, bei dem Sommerer auf der Warteliste für Räume stand, teilte mit, sie könnten im Gewerbehof Perlach eine kleine Werkstatt mieten. Zu einem erschwinglichen Preis.

Die Nachbarn schenkten allen dreien zum Abschied einen neuen Blaumann

Weil er dem Vormieter eine Ablösesumme für die Einrichtung zahlen musste, hat Peter Sommerer "jetzt natürlich einen Haufen Schulden - aber des wird scho", sagt er zuversichtlich. Drei Monate lang haben sie, neben der normalen Arbeit, umzugsgeschuftet, "es gab kein Weihnachten, kein Silvester", sagt der 54-Jährige. Sie haben ihre neuen Räume gestrichen, eine Wand eingerissen, um mehr Platz in der Werkstatt zu haben, das Büro verkleinert, um einen Lagerraum zu gewinnen. Am 9. Januar konnten sie in dem kleinen Perlacher Industriegebiet an der Nailastraße öffnen. Am 19. Dezember haben sie in Haidhausen dichtgemacht, um die alte Werkstatt auszuräumen - die nun, haben sie gehört, in eine Wohnung umgebaut werden soll. Die Nachbarn halfen mit, erzählt Peter Sommerer, brachten auch Glühwein und schenkten allen dreien zum Abschied einen neuen Blaumann.

Einige frühere Nachbarn haben sich auch schon blicken lassen in Perlach, um mal zu schauen, wie es den Sommerers so ergeht, da draußen am südlichen Stadtrand, in der Nachbarschaft von Technischem Hilfswerk, Wertstoffhof und anderen KfZ-Betrieben. Peter Sommerer zieht eine erste Bilanz nach den wenigen Wochen am neuen Standort: Ihre Stammkunden bleiben ihnen weitgehend treu, und Kunden des Vormieters können sie auch halten.

Es ist anders als in Haidhausen, da am Stadtrand. Aber es ist gut so

Klar, es ist nicht mehr das quirlige, urbane Haidhausen - aber das Viertel verändere sich eh so stark, das Handwerk "stirbt da raus". Parkplätze wurden für die Kundenautos wie auch die eigenen immer knapper, "das wär' eh nimmer lang gegangen". Er habe jeden Monat gut 150 Euro für Strafzettel ausgegeben, erwähnt Peter Sommerer nebenbei. Dort draußen, im Perlacher Gewerbehof, haben sie nun genug Stellplatz für die Autos ihrer Kunden und für die eigenen. Haben eine kurze Anfahrt zur Arbeit, weil sie alle drei in der Nähe wohnen, in Altperlach beziehungsweise Giesing. Können auch abends mal lautere Arbeiten wie Flexen machen, ohne jemanden zu stören. Haben nette neue Nachbarn, mit denen sie demnächst noch eine Einweihungsparty schmeißen wollen.

"Mia san jetzt rundum glücklich", versichert Peter Sommerer, auch sein Vater könne sich endlich wieder entspannen, wieder ruhig schlafen. Wenn nur dieser "Verhau" nicht wäre, vor allem dieser hohe Haufen aus Reifen und allerlei Schrott vor der Tür, den sie einfach noch nicht weggeschafft haben. Der Opa, vor Kurzem 86 geworden, wirft einen missbilligenden Blick dorthin. Sagt geniert: "Bitte keine Fotos machen!" und, mit Augenzwinkern in Richtung seines Sohnes: "wenn da mal jemand aufräumen tät'...". Und wenn dann alles richtig schön ist, scherzt Walter Sommerer, "dann dürfen die Kunden nur noch mit Handschuh' und Zylinder hier rein".

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SZ PlusTraditionsbetrieb in Gefahr
:Die drei vom Hinterhof

Walter Sommerer, sein Sohn Peter und der Enkel Max sind Kfz-Mechaniker. Mitten im schicken Haidhausen reparieren sie die Autos der Nachbarschaft. Seit mehr als 50 Jahren gibt es den Familienbetrieb - doch bald könnte alles vorbei sein.

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