Süddeutsche Zeitung

Handel:Mit stöckelschuhtauglichem Pflaster gegen die Krise im Einzelhandel

Lesezeit: 2 min

Von Christian Krügel

Was könnte helfen, um eine existenzielle Krise des Einzelhandels in Münchens Innenstadt zu überwinden? Vielleicht neue Stühle in der Fußgängerzone, dazu ein besseres Pflaster, das auch Stöckelschuhtauglich ist? Oder vielleicht neue Infotafeln zu den Sehenswürdigkeiten der Innenstadt? Ein Wirtschaftsberater käme wohl nicht als allererstes auf diese Lösungsansätze. Münchens Wirtschaftsreferent Josef Schmid, zugleich Bürgermeister dieser Stadt, führt aber all das an, um zu belegen, wie sehr das Rathaus den Einzelhändlern in der Innenstadt gegen die Konkurrenz von internationalen Filialisten und Online-Konzernen helfe. Und ja: Bei den Ladenöffnungszeiten sei es "höchste Zeit, dass uns etwas Besseres als heute einfällt", sagt Schmid am Dienstag im Bayerischen Hof.

Es ist kein ganz leichter Abend für den CSU-Politiker. Denn diese Handelspolitik der Stadt muss er einer ganz besonderen Phalanx von Betroffenen erklären: den Geschäftsführern fünf großer Münchner Traditionshäuser, die unisono vor eben jener "existenziellen Krise des Einzelhandels" warnen, wie sie Robert Waloßek, Geschäftsführer von Betten Rid, beschreibt: "Immer mehr Filialisten, dazu der Zugriff von Amazon und Otto auf die Stadt - schon in zehn Jahren kann unsere Innenstadt komplett anders ausschauen."

Vor zwei Jahren hat sich sein Unternehmen mit Hirmer, Kaut Bullinger, Sport Schuster und Kustermann unter dem Label "Münchens Erste Häuser" zusammengetan, um gegen diese Krise anzukämpfen. Gemeinsame Marketingaktionen gab es seitdem, zudem Online-Aktionen mit Haustürlieferung und gegenseitige Unterstützung bei Events. Sogar ein College für die Azubis bauten die fünf Häuser auf, die zusammen mehr als 1000 Beschäftigte haben. "Es war uns wichtig, überhaupt miteinander zu reden und die gemeinsamen Probleme zu benennen", berichtet Hirmer-Geschäftsführer Frank Troch.

Aber diese Probleme sollen nun eben auch die Verantwortlichen im Rathaus kennen, und deshalb haben die Fünf Josef Schmid zur Podiumsdiskussion gebeten. Und so wenig Euphorie über dessen konkrete Vorschläge aufkommt: Die Händler sehen es schon als Erfolg an, dass die Stadtspitze sie überhaupt ernst nimmt. "Wir haben uns in der Vergangenheit viel zu häufig viel zu wenig verstanden gefühlt", sagt Kustermann-Geschäftsführer Caspar-Friedrich Brauckmann. Dabei gehe es gar nicht darum, dass die Stadt willfährig alle Wünsche erfülle. Aber es gehe um ein flexibleres Agieren. Beispiel Ladenöffnungszeiten: komplett flexible Öffnungszeiten und verkaufsoffene Sonntage wolle niemand. "Am Sonntag sollen die Leute mit unseren Stiefeln in die Berge gehen", sagt etwa Florian Schuster dazu. Aber eine Abendöffnung zu besonderen Anlässen, Events für Kunden, eine Sonntagsöffnung beim Stadtgründungstag sollten möglich sein.

Oder Außenwerbung: Gerade wegen all der Baustellen müssten Geschäfte mehr Möglichkeiten haben, auf sich aufmerksam zu machen. Florian Schuster sieht allzu oft reine Bürokratie am Werk - zum Beispiel wenn er einen Bußgeldbescheid über 1800 Euro bekommt, weil er im Schaufenster des Münzinger ein Video zeige. Das widerspreche dem Denkmalcharakter des Rathauses, habe es geheißen. "Unsere Unternehmen gibt es seit Hunderten Jahren. Sind nicht auch Läden schutzwürdig?", fragt Schuster.

Beim bloßen Fordern wollen sie es nicht belassen, sie machen Schmid auch Angebote. Etwa Cornelia Schambeck von Kaut Bullinger, die sich ein Konzept von Stadt und Händlern für radelnde Kunden vorstellen kann. Frank Troch, der bereit wäre, mit der Stadt E-Mobilitätskonzepte zu entwickeln. Aktionen für Startups, mehr Kultur- und bessere Service-Angebote: All das wäre in der Fußgängerzone nötig, um sie attraktiver zu machen. Bürgermeister Schmid notiert all diese Vorschläge eifrig, wirklich versprechen kann er aber nur eines: "Wir bleiben im regelmäßigen Gespräch."

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Quelle:
SZ vom 27.04.2017
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