Halloween war harmlos, früher. Viele hierzulande lernten das Fest als Kinder kennen, durch den überaus philosophischen „Peanuts“-Zeichentrickfilm von 1966: Linus saß auf dem Feld und wartete auf die Ankunft des „Großen Kürbis“, die anderen Kinder lachten ihn aus und gingen in Kostümen „grabschen“, womit die deutschen Übersetzer noch etwas unbeholfen die amerikanischen „Trick or treat“-Streiche meinten. Jedenfalls war von da an der 31. Oktober nicht mehr der Abend vor Allerheiligen oder Freinacht, sondern Halloween.
Und Kinder, die längst zu alt sind, um an den Haustüren zu klingeln und Süßigkeiten zu erpressen, wollen Halloween noch immer feiern. Gelegenheit dazu gibt es in München massenhaft. Viele Clubs kramen Jahr für Jahr alles raus, was sie an Kunstblut, Plastikkürbissen, Särgen und Skeletten im Keller für die schaurigste Nacht des Jahres gebunkert haben, für eine „mystisch düstere Deko, die bereits beim Betreten Gänsehaut aufkommen lässt“. So wirbt zum Beispiel der Nachtwerk Club (Landsberger Straße 185) für sein Halloween, das – wohl wegen des Deko-Aufwands – gleich dreimal gefeiert wird: schon am 30. (Ü16-Party), und am Donnerstag, 31. Oktober (Rock, ab 18 Jahren). Die Außen-Lounge wird also zum „Friedhof des Verderbens“ mit „Horror-Sound-Effekten“, drinnen gibt’s ein Gratis-Candy-Buffet, und es wird getanzt, dass die Knochen klackern.
„Bist du tapfer genug einzutreten?“, die Sorge gilt an Halloween (nicht nur) dem strengen Türsteher des P1, sondern dem furchteinflößenden Abend „La Maison gothique“ in den Disco-Katakomben (20 Uhr, Prinzregentenstraße 1). Im Palais erschrecken sich die Liebeshungrigen der Nacht gegenseitig bei der „Großen Halloween Single-Party“ (Arnulfstraße 16); im Backstage rocken zuerst The Munich Fiends, dann gibt es 90er- und 2000er-Musik auf die Ohren in der dann „Hellraiser“ genannten Halle (Reitknechtstraße 6). Namentlich muss der Schlachthof schon mal nichts ändern, hier verspricht Radio Gong mit Mike Thiel „die gruseligste Party der Stadt“ (Zenettistraße 9). Drinnen und draußen wird sowohl im Helene liebt dich Club (Occamstraße 5) als auch auf der Praterinsel gefeiert. Nicht täuschen lassen sollte man sich vom „Halloween in der Sauna“ – in der kuscheligen Partykiste Sauna (Marsstraße 22) ist niemand nackig. Der Dresscode ist „scary and sexy“, in der Sauna, bei der Ü30-Party in der Freiheitshalle und eigentlich überall in dieser Partynacht. Mit den Kostüm-Klassikern von den „Peanuts“ (Hexe, Geist, Zombie) macht man nichts falsch.
Das „längste Halloween“ verspricht die – gerade in die Sonnenstraße 27 zurückgezogene – Milchbar. Von 20 Uhr an soll es zwölf Stunden lang gehen. Mal sehen, was das KVR dazu sagt, eigentlich ist ab Mitternacht Allerheiligen und damit streng genommen nach 2 Uhr Tanzverbot. Einige Ausnahme-Anträge liegen aber wohl noch zur Prüfung auf dem Amt (wie der Bund für Geistesfreiheit schreibt).
Halloween geht natürlich auch queer schön sexy feiern: zum Beispiel bei „Mad House“ im Sub, die Kostüme: „grusel-kinky-fun“, aber „nicht ordinär“ (Müllerstraße 14). Mit den „Devil’s Darlings“ kann man sich im Kneipenclub Substanz höllisch gut amüsieren, es soll ein „wilder Ritt“ mit dem ukrainischen Drag-Dämon Xeni Slay, dem beschwipsten Biervampir Perry Stroika und der gespenstischen Gestaltwandlerin Ruby Tuesday werden, auch die besten Kostüme der Gäste werden prämiert (Ruppertstraße 28). In der Milla sind bei „Wigz“-Halloween-Special die „Münchner Drag Hexen Janisha Jones und Pasta Parisa“ los (Holzstraße 28).
Wer auszieht, um gehoben kulturell das Gruseln zu lernen, könnte sich vom Zauberkünstler Harry Riegel im Magischen Salon (St.-Anna-Platz 1) in die Geheimnisse des Entfesselungs-Superstars Harry Houdini einweihen lassen. Im Kleinen Theater Haar präsentiert Dr. Gregor Babaryka die „Soiree Macabre“, in der Kuriositäten-Show unter anderem mit der Voodoo-Blues-Band Dr. Will & The Wizzards gehe es um „Leben und Tod“ (19 Uhr). Ein bisschen kindlicher Hörspiel-Grusel kommt in der Glockenbachbuchhandlung auf, wo Alexandra Kolb aus ihrem neuen Alpen-Mystery-Thriller vorliest: In „Krähennacht“ wagt sich Lisa mit ihren Freundinnen ins Moor, um in einen Hexenclub aufgenommen zu werden (19.30 Uhr, Hans-Sachs-Straße 11).
Exotischer geht es im Muffatwerk zu, da wird ganz mexikanisch der „Dia de los muertos“ gefeiert. Zum Tag der Toten spielen Kumbia Boruka aus Monterrey, Mexiko, danach legen die DJs Baseba und Rupen Weltmusik auf, dass den Mumien die Mullbinden vom Leib fliegen (Zellstraße 4, 20 Uhr).
Wer an Halloween auf alten Ritualen besteht, geht am besten in die Museumslichtspiele: Hier läuft wie seit 1977 jede Woche die Kult-Horror-Klamotte „The Rocky Horror Picture Show“, an Halloween sogar viermal (Lilienstraße 2). Auch der Mathäser-Filmpalast wird zur Gruselkammer: Im Lokal 35mm wird auf zwei Ebenen Halloween gefeiert, in einem Kino-Saal laufen passende Filme dazu, nämlich hintereinander alle drei Teile des Horror-Slashers „Terrifier“ mit einem sadistischen Schlitzer-Clown. Da setzt sich manch einer lieber auf ein Feld und wartet auf den Großen Kürbis.