Halloween in München:Grauenvolle Geistermeile, Grimassen im Gemüse

Halloween in München: Ausdrucksvolle Gemüsekunst: Halloween-Kürbisse, die nicht bloß zwei Augenschlitze und ein löchriges Gebiss haben, sind gesucht.

Ausdrucksvolle Gemüsekunst: Halloween-Kürbisse, die nicht bloß zwei Augenschlitze und ein löchriges Gebiss haben, sind gesucht.

(Foto: Freakfaces)

Immer mehr Münchner begeistern sich für Halloween. Der Erfindungsreichtum erschöpft sich keineswegs darin, Kinder bloß auf Süßigkeiten-Betteltour zu schicken.

Von Lea Kramer

Das mit der Tradition ist so eine Sache, eine ziemlich schwierige. Wer sie offensiv hochhält, gilt schnell als rückwärtsgewandt, ein Fortschrittsverweigerer. Diejenigen hingegen, die Brauchtum ablehnen, sind in der Wahrnehmung manch anderer wiederum egozentrisch - Menschen ohne Werte, ohne Kultur.

Wie man's macht, man macht es falsch. Dabei müssen Tradition und Wandel nicht im Widerspruch zueinander stehen, beides ergänzt sich. In München lässt sich das dieser Tage gut beobachten. Rund um Halloween lassen einige Bewohner der Stadt alte Gepflogenheiten wieder aufleben oder haben neue Rituale erfunden und damit - nebenbei - eigene Bräuche kreiert.

Das Gruselfest mit Ursprung in den USA erfreut sich seit gut 20 Jahren immer größerer Beliebtheit in der Stadt. Das mag auch damit zu tun haben, dass sich der nebelgraue November rund um die stillen christlichen Feste wie den Reformationstag, Allerheiligen oder Allerseelen mit der traditionell in diesen Tagen einsetzenden Nach-Oktoberfest-Depression schlecht verträgt.

Gerade jüngere Partygängerinnen und Partygänger sind für Feierei in dieser Zeit durchaus zu begeistern. Wo die "Höllenpforten" (Container Collective) geöffnet werden oder "in eine Welt des Grauens" (Nachtgalerie) abgetaucht werden kann, stehen Familien mit jungen Kindern immer häufiger vor einem Kürbis-Schnitz-Türklingel-Süßigkeiten-Dilemma.

Spukgeister im Keller

Eine Gruppe von drei Frauen aus Haidhausen hat sich dafür im vergangenen Jahr eine kreative Lösung überlegt - auch weil das Coronavirus das ursprüngliche Partykonzept am 31. Oktober ins Wanken gebracht hatte. "Im Keller unseres Mehrfamilienhauses gab es zu Halloween schon länger eine kleine Party mit Musik, Tanzen und ein paar Spielen", sagt Veranstalterin Sonja.

Halloween in München: Geistermeile in Haidhausen: Hand und Schädel im Rahmen leuchten im Dunkeln.

Geistermeile in Haidhausen: Hand und Schädel im Rahmen leuchten im Dunkeln.

(Foto: Privat)
Halloween in München: Aus der benachbarten Schule ausgeliehen: ein Skelett zum Erschrecken.

Aus der benachbarten Schule ausgeliehen: ein Skelett zum Erschrecken.

(Foto: Privat)
Halloween in München: Die Laterne ist komplett aus Müll gebastelt. Die Hände sind aus Draht und Klebeband.

Die Laterne ist komplett aus Müll gebastelt. Die Hände sind aus Draht und Klebeband.

(Foto: Privat)

Gemeinsam mit einer Nachbarin und deren Schwester ist diese ehemalige Privatparty zum begehbaren Gruselerlebnis für die ganze Nachbarschaft geworden. Dieses Jahr findet der Spuk im Untergeschoss des Häuserblocks zum zweiten Mal statt. Hinter jeder der sieben Nischen des Kellergangs wird sich ein "Erschrecker" verbergen, allesamt Bewohner des Hauses oder Freunde der Organisatorinnen. Neben der dampfenden Hexenküche sowie schaurigen Gestalten wird ein Arzt eine zweifelhafte - denn vor allem blutige - Operation vornehmen.

Vor acht Wochen haben die Frauen mit ihren Kindern begonnen, das Gruselkabinett vorzubereiten. Sie haben viel dafür gebastelt, aber auch den ein oder anderen Fund aus dem Müllhäusl verwertet. "Von der benachbarten Schule haben wir ein Skelett geliehen bekommen, aus dem Keller eines Nachbarn stammt ein Globus", sagt die Organisatorin.

Für kleinere Kinder gehe der Spuk am frühen Abend los, später dürften die Größeren sich die volle Gruseldosis mit Geräusch- und Lichteffekten abholen. "Ich finde das Klingeln an Halloween eigentlich doof. Ich liebe aber Basteln und Verkleiden, und so passt das dann doch gut zusammen", sagt die gebürtige Rheinländerin. Bei der Hausgemeinschaft jedenfalls ist die Geistermeile im vergangenen Jahr so gut angekommen, dass sich heuer sogar Unterstützer gefunden hätten, die Getränke oder Speisen für ein kleines Buffet beisteuerten.

Schnitz-Gesichter im Kürbis

Während die Gruselfrauen in Haidhausen noch zu den Neulingen unter Münchens Halloween-Anhängern gehören, ist Tobias Wolfram bereits seit zehn Jahren ein gesuchter Mann für Schauergestalten. Der 36-Jährige schnitzt Gesichter in Kürbisse. Seine Arbeiten sind so ausdrucksstark und filigran, dass er mittlerweile deutschlandweit mit seinen Gemüsekunstwerken unterwegs ist und auch Schnitzkurse gibt.

Halloween in München: Gesuchter Halloween-Künstler: Tobias Wolfram.

Gesuchter Halloween-Künstler: Tobias Wolfram.

(Foto: Freakfaces)

Angefangen hat alles mit einem kleinen Gewächs, das ihm seine Schwester 2012 in die Hand drückte. "Sie wollte, dass ich für ihre Kita einen Kürbis schnitze", sagt er. Mit Holzstemmeisen und Teppichmesser machte sich Wolfram ans Werk. Gab dem Kürbis plastische Zähne und mehrdimensionale Augen - und begann so seine Karriere als Halloween-Dekorateur. "Am Anfang waren es tatsächlich noch hauptsächlich Privatpersonen, die es witzig fanden, sich einen Kürbis mit einer Grimasse an Halloween vor die Tür zu stellen", erzählt er. Heute werde er immer häufiger für Veranstaltungen oder Firmenfeiern gebucht. Für solch ein Fest habe er einmal eine 350-Kilo-Skulptur angefertigt, an der er acht Stunden lang geschnitzt habe.

"Mich reizt vor allem die unglaubliche Vielfalt dieser Frucht. Sowohl an Farbe aber auch an Form, Struktur, Geruch und Geschmack gibt es wohl kaum etwas vielseitigeres", sagt Wolfram. Darüber hinaus fasziniere ihn die Vergänglichkeit der fertigen Gesichter, an denen er durchschnittlich drei Stunden arbeitet. Der Schnitzer, der eigentlich Softwareentwickler ist, verwendet für seine Skulpturen nämlich nur Kürbisse, obwohl ihm Kunden auch schon Melonen als Arbeitsmaterial angeboten hätten. "Ich hole etwas aus einer unbearbeiteten Form heraus, das nur ich dort sehe", sagt er. "Das kann dann einen kurzen Augenblick existieren, Freude und Staunen und manchmal auch Gruseln bereiten und kehrt anschließend wieder dorthin zurück, woraus es entstanden ist."

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