Halbzeitbilanz:Wie sicher ist die Wiesn?

Oktoberfest 2014

Nicht immer nimmt eine Feier ein fröhliches Ende: Insgesamt 106 Frauen und Mädchen haben bis zum Samstag Hilfe gesucht im "Security Point" auf dem Oktoberfest.

(Foto: dpa)

Achtmal körperliche Gewalt, vier Mal Verdacht auf K.o-Tropfen: In der ersten Wiesn-Woche sind deutlich mehr Frauen zum "Security Point" gekommen als vergangenes Jahr. Für die Verantwortlichen kein negatives, sondern ein positives Signal.

Von Sabine Cygan

Es geschah am ersten Wiesn-Tag, um etwa 18 Uhr in einem Zelt. Die junge Frau kam von der Toilette. Da überraschte sie ein Mann von hinten, fasste über ihre Schultern und begrapschte sie. Sie schrie, drehte sich um, konnte noch einen Blick von ihm erhaschen, dann flüchtete er.

"Fälle wie diese sind ganz typisch", sagt Kristina Gottlöber vom Organisationsteam der Initiative "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen". "Männer fassen Frauen an Körperteilen an, die eigentlich für sie tabu sein sollten, häufig wenn sie zu viel Alkohol getrunken haben." In solchen Situationen oder wenn sich Frauen und Mädchen nicht wohl fühlen, ihre Freunde verloren haben, helfen die Mitarbeiterinnen des Kooperationsprojekts.

Ihre Zwischenbilanz nach dem zweiten Wiesn-Wochenende: Insgesamt 106 Frauen und Mädchen haben bis zum Samstag Hilfe gesucht im Security Point im Servicecenter auf dem Oktoberfest - direkt hinter dem Schottenhamel-Zelt. Viele kamen nicht allein. Heuer mussten auch 23 Personen betreut werden, die die Frauen zum Security Point begleitet haben. Insgesamt bedeutet das einen Zuwachs von fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Für Alexandra Stigger, Sprecherin der Initiative, ein positives Signal: Sie führt den Zuwachs vor allem darauf zurück, dass die Aktion "Sichere Wiesn" bekannter geworden ist. Nicht nur die Polizei und das Rote Kreuz vermittelten Fälle, immer mehr Besucher kämen von selbst, berichtet sie. 45 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und fünf Sozialpädagoginnen arbeiten auf dem Oktoberfest - unter der Woche von 18 bis ein Uhr, an Samstagen bereits von 15 Uhr an.

Wiesn-Besucherinnen kommen vor allem an den Security Point, wenn sie ihre Freunde verloren haben oder ihre Tasche. 81 solcher "Verlustfälle" zählte die Initiative bisher. In drei Fällen kam es zu sexuellen Grenzverletzungen, acht Frauen wurden Opfer körperlicher Gewalt. In 33 Fällen hatten die Betroffenen zu viel Alkohol getrunken. In vier Fällen ermittelt die Polizei wegen des Verdachts, dass Frauen K.o.-Tropfen verabreicht wurden. "Das Wichtigste ist es, den Frauen und Mädchen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln", sagt Stigger. "Sie müssen erst stabilisiert werden." Dazu ist im Untergeschoss des Servicecenters ein Raum eingerichtet, in dem Frauen warme Kleidung oder Kaffee und Tee bekommen.

Wollen die Frauen und Mädchen nach Hause, organisieren die Mitarbeiterinnen einen sicheren Heimweg. Seit diesem Jahr arbeitet die Aktion mit der Taxizentrale Isar-Funk zusammen. "Die Jahre zuvor mussten wir oft lange nach einem Taxi suchen, heute kommt es auf Knopfdruck an einen vereinbarten Ort", sagt Stigger. Isar-Funk unterstützt die Aktion mit Gutscheinen, falls eine Besucherin kein Geld mehr hat. Ist eine intensivere Betreuung nötig, gibt es auch einen eigenen Fahrdienst.

Organisiert wird die Aktion "Sichere Wiesn" seit elf Jahren vom Frauennotruf München sowie von Amyna, einer Aktion gegen sexuellen Missbrauch, und der Initiative für Münchner Mädchen (IMMA). Seit 2008 fördert die Stadt die Initiative. Und in diesem Jahr haben sie die Wiesnwirte mit ihrem Ehrenpreis für besondere Verdienste rund um das Oktoberfest ausgezeichnet.

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