Süddeutsche Zeitung

Haidhausen:Motor für bewegte Bilder

Artoxin zeigt Münchner Videokunst in einer ehemaligen Autowerkstatt

Von Jutta Czeguhn, Haidhausen

Das gelbe Muschel-Symbol am Eingangstor wirbt noch für Motoröl "höchster Qualität", auch das Angebot "Wir bringen ihr Fahrzeug zum TÜV Südbayern" ist nicht mehr taufrisch. Denn längst wird an der Auerfeldstraße 4 nicht mehr an Autos herumgeschraubt. Die ehemalige Kfz-Werkstatt wird gerade revitalisiert als Kulturort - wie immer in diesen Fällen, mit Verfallsdatum. Wirtschaftlichkeitserwägungen werden letztlich zum Abriss der pittoresk schäbigen Garagen führen: Vorerst aber laufen dort nicht mehr Motoren, sondern "elektronische Bewegtbilder". Von 23. bis 30. Juli zeigt die Galerie Artoxin Münchner Videokunst aus vier Jahrzehnten.

Angelika Donhärl und Gottfried Düren von Artoxin haben die medialen Fundstücke zusammen mit dem Künstler Bruno Kuhlmann ausgewählt und dabei einen ziemlichen Zauberkasten aufgetan. Sie verstehen das Ganze als "Pilotprojekt" im unüberschaubar gewordenen Feld der Videokunst-Events. An den bröselnden Wänden der alten Werkstatt-Garagen wollen sie "eine Reise durch die Ästhetik des bewegten Bildes von 1969 bis heute" inszenieren. Und das bewusst mit dem "Gewicht auf die Münchner Fabrikation", wie Bruno Kuhlmann sagt. Denn München habe eine große Geschichte als Videokunst-Labor. Die Auswahl sei subjektiv ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Videokunst hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. "Sie ist alltäglich, viel demokratischer geworden", erklärt Bruno Kuhlmann. Jeder könne heute Filmsequenzen per Smartphone herstellen und diese über die sozialen Netzwerke veröffentlichen. Früher sei die Kunst extrem teuer gewesen. Etwa, als Tilman Rothermel 1969 zu seiner Super-8-Kamera griff, er war damals Student an der Akademie der Bildenden Künste in München. Seine Originalaufnahmen von den Studentenrevolten sind Zeitdokumente und waren teils noch nie öffentlich zu sehen.

Zum Konzept des Projekts gehört es, diesen Produktionen aus der Frühphase der Videokunst die Bewegtbilder der Folgejahrzehnte an die Seite zu stellen: Arbeiten aus den Siebziger- und Achtzigerjahren, als sich freche Künstlergruppen wie die "WeibsBilder" und "KingKong-Kunstkabinett" formierten. Diese werden an den Garagen-Wänden in Dialog treten zu aktueller Medienkunst etwa von Rose Stach. In "Resistance" projiziert sie Videos von gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Demonstrationen auf einen Wandteppich, es entstehen changierende Bilder, und der Teppich als Bildträger inneren und äußeren Aufruhrs scheint ein Eigenleben zu entwickeln. Auch der Österreicher Reinhard Gupfinger spielt mit Wahrnehmungsgewohnheiten. Seine Arbeit "Orbiter" besteht aus einem mobilen Schwarz-Weiß-Fernseher, der zur Erforschung seines Zahlensender-Archivs verwendet wird. Der Betrachter soll die verschiedenen Zahlensender erkennen und deren Botschaften dechiffrieren. Er begibt sich also auf Wellenjagd

Vernissage zu den "Tagen des elektronischen Bewegtbildes" in der Autowerkstatt, Auerfeldstraße 4, ist am Mittwoch, 22. Juli, 18 Uhr. Am 25. Juli, 18 Uhr, gibt es ein Live-Konzert mit Carl Gari. Die Schau ist täglich von 16 bis 22 Uhr geöffnet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2569118
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.07.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.