Süddeutsche Zeitung

Haidhausen:Mehr Informationen erwünscht

Oberbürgermeister Dieter Reiter beruft zur neuen Planung der zweiten Stammstrecke eine eigene Bürgerversammlung ein. Vier andere Anträge von Gegnern des Tunnels zum Streckenkonzept scheitern allerdings am Veto des Bezirksausschusses

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Die Haidhauser bekommen eine Bürgerversammlung zur neuen Planung der zweiten Stammstrecke. Das habe Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) entschieden, teilt das Presseamt der Stadt mit. Damit folgt Reiter dem Wunsch des Bezirksausschusses, der am Mittwochabend einen entsprechenden Antrag verabschiedete. Die Initiative dafür ging von mehreren Haidhauser Bürgern aus, die insgesamt fünf Anträge zum neuen Streckenkonzept der Bahn stellten. Die Forderung nach einer außerordentlichen Bürgerversammlung, die auch die Nachbarn aus Berg am Laim einbeziehen soll, blieb allerdings der einzige Vorstoß, den die Lokalpolitiker unterstützten. Sie werde nun prüfen, "wann die gewünschte außerordentliche Bürgerversammlung unter Beteiligung der Deutschen Bahn stattfinden kann", schreibt die Stadt. Auch ein Ort sei noch nicht gefunden. 2017 musste eine Bürgerversammlung zur zweiten Stammstrecke wiederholt werden, da Protest und Andrang beim ersten Anlauf zu groß waren.

Als die Deutsche Bahn im vergangenen Juli nach jahrzehntelanger Planung ankündigte, die zweite S-Bahn-Stammstrecke doch anders bauen zu wollen, waren viele Haidhauser erleichtert. Von den Baustellen am Orleansplatz und auf einem kleinen Platz, wo sich Milch-, Keller- und Püttrichstraße treffen, blieben die Haidhauser nach neuer Planung verschont.

Entschiedene Gegner des zweiten S-Bahn-Tunnels unter Münchens Innenstadt sehen in der Neuplanung allerdings die Chance, den Sinn des Milliardenprojekts erneut grundsätzlich zu hinterfragen. Ihre Anträge seien entstanden, weil "wenig Vertrauen in die Planung der Bundesbahn da ist", sagte Wolfgang Stöger in der Sitzung, er ist einer der Bürger hinter der Initiative. Aus diesem Gefühl heraus seien auch jene Anträge zu verstehen, denen der Bezirksausschuss nicht folgen wollte. Eine Forderung lautete, dass die Planung "entsprechend den gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungsverfahren" ablaufen solle. Zudem sei eine "kontrollierbare Kosten-Nutzen-Berechnung" nötig und die Baustelle in den Maximiliansanlagen, wo unter anderem ein Rettungsschacht gebaut wird, wegen Naturschutzbedenken erneut zu prüfen.

Andreas Micksch (CSU), stellvertretender Vorsitzender des Gremiums, bat die Bürger, ihre Anträge - bis auf die Forderung nach einer Bürgerversammlung - zurückzuziehen. Schließlich handle es sich da um "Selbstverständlichkeiten, die man nicht durch die Verwaltung jagen muss". Die Planung müsse den Gesetzen ohnehin entsprechen, auch eine Kosten-Nutzen-Berechnung sei zwingend. Bei der Baustelle in den Maximiliansanlagen habe sich im Vergleich zu der alten und genehmigten Planung nichts verändert, eine erneute Prüfung würde daher wohl ergebnislos sein. Oder wie Micksch es formulierte: "Es wird nichts Neues herauskommen."

Auch für den Wunsch, die alte Planung nicht als "Rückfallebene" nutzen zu dürfen und sie "offiziell als ungültig" zu behandeln, fand sich unter den Lokalpolitikern keine Zustimmung. Gleiches galt für die Forderung, erst einen gut erreichbaren Standort für die Autoverladung am Ostbahnhof zu finden, bevor dem neuen Bahnhof an der Friedenstraße zugestimmt werde. Verbindet man diese beiden Forderungen, wäre die Folge drastisch: Die Bahn hätte im Münchner Osten kein Baurecht.

Damit die Bürgerversammlung stattfinden kann, ist ein Beschluss des Bezirksausschusses nicht ausreichend. Der Oberbürgermeister lädt zu ihr ein. Reiter lässt sich zitieren, dass er angesichts der nennenswerten Umplanungen den Wunsch nach mehr Informationen gut nachvollziehen könne.

Für die Deutsche Bahn ändert diese Entscheidung nichts. Wie eine Sprecherin der Bahn mitteilt, habe eine außerordentliche Bürgerversammlung "keine Auswirkungen auf den Zeitplan". Demnach sollen 2028 die ersten S-Bahnen durch den zweiten Stammstreckentunnel fahren.

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SZ vom 20.09.2019
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