Süddeutsche Zeitung

Haidhausen/Lehel:Abgang ohne Zugang

Die neue Treppe von der Maximiliansbrücke zur Praterinsel bleibt Abgeordneten und Mitarbeitern des Landtags vorbehalten - die beiden benachbarten Bezirksausschüsse sind sich in der Frage einer Öffnung uneins

Von Patrik Stäbler und Julian Raff, Haidhausen/Lehel

Auch nach ihrer Fertigstellung scheiden sich an dieser Treppe die Geister: Aktuell dürfen den Abgang von der Maximiliansbrücke hinunter zur Praterinsel bloß Landtagsabgeordnete und Beschäftigte des Landtagsamts nutzen. Mit Hilfe eines Chips in ihrem Hausausweis können sie die dortige Metalltür öffnen. Nun setzt sich der Bezirksausschuss (BA) Au-Haidhausen dafür ein, dass auch die Öffentlichkeit die Treppenanlage nutzen darf. Genau das lehnen die Stadtteilpolitiker vom anderen Isarufer jedoch mehrheitlich ab - was ins Gewicht fällt, da die Isarinsel samt Treppe im Stadtbezirk Altstadt-Lehel liegt. Das städtische Baureferat teilt dazu mit, dass es die Öffnung der Treppe und deren Anbindung ans öffentliche Wegenetz auf der Praterinsel infolge der Anfrage aus Au-Haidhausen prüfen werde.

Das Bauwerk hatte schon während der Planungsphase zu längeren Debatten im BA Altstadt-Lehel geführt. Unter anderem gab es dort Kritik an der ursprünglich geplanten Dimension der Treppe und der notwendigen Fällung von zehn Bäumen. Letztlich stimmte das Gremium den Plänen aber zu - ebenso wie die Nachbarn aus Au-Haidhausen. Als Bauherr trat der Bayerische Landtag auf. Er wollte durch den neuen Aufgang, der eine veraltete Wartungstreppe ersetzte, eine kürzere Verbindung zwischen Maximilianeum und Praterinsel schaffen, wo sich seit einigen Jahren mehrere Landtagsbüros befinden. Circa 50 Abgeordnete und ebenso viele Bedienstete der Landtagsverwaltung hatten bis dahin einen längeren Umweg über die Maximilians- und Praterwehrbrücke in Kauf nehmen müssen, "zum Teil mehrmals täglich", heißt es vonseiten des Landtags.

Vor einem Jahr begannen die Arbeiten an der neuen Treppe; Ende Oktober wurde sie fertiggestellt. Die Baukosten lagen bei 290 000 Euro - mehr als das Doppelte der ursprünglich geplanten 130 000 Euro. Seither ist der Zugang zur Treppe beschränkt, "auf ausdrücklichen Wunsch der Stadt München", teilt eine Sprecherin des Landtags mit. Genau das will der BA Au-Haidhausen nun ändern. Die Praterinsel sei ein beliebtes Ziel von Spaziergängern, heißt es in der Anfrage des Gremiums, die auf Initiative der SPD-Fraktion beschlossen wurde. "Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, unterschiedliche Wegeverbindungen zu ermöglichen und zu stärken." Neben der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Treppe geöffnet werden kann, haken die Lokalpolitiker auch hinsichtlich eines Weges am Ostufer der Praterinsel nach. Dieser wäre nötig, um die Treppe ans öffentliche Wegenetz anzuschließen. Alternativ könnte eine Verbindung auch über das Gelände des Freistaats erfolgen, schlägt man in Au-Haidhausen vor. "Wir appellieren daher an den Freistaat, die Wegeverbindung über dessen Grundstück zu ermöglichen und damit auch die Treppenanlage für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen", sagt die stellvertretende Gremiumsvorsitzende Lena Sterzer (SPD). Der Landtag zeigt sich für diese Idee offen. Man habe immer betont, "dass die Treppe für alle zugänglich sein soll", sagt die Sprecherin. Eine Verbindung über das Grundstück des Freistaats sei "selbstverständlich möglich". Bisher aber habe die Stadt München noch nicht angefragt, so die Sprecherin.

Wenig angetan vom neuen Weg zeigt sich unterdessen Andrea Stadler-Bachmaier, Vorsitzende des BA Altstadt-Lehel, die sich schon 2019 mit ihrer Grünen-Fraktion gegen das Bauwerk an sich ausgesprochen hatte. Der bis heute nicht ersetzte Verlust an alten, großen Bäumen stehe in keinem Verhältnis zur Abkürzung, so Stadler-Bachmaier. Den Abgang jetzt, da er schon einmal besteht, für alle zu öffnen, lehnen die BA-Grünen weiterhin ab - mit besorgtem Blick auf eine ostseitige Untertunnelung der Maximiliansbrücke, die in städtischen Planungen immer wieder auftaucht. Unter der Brücke hindurch würden Spaziergänger direkt auf die Schwindinsel gelangen. Dieser Nordspitz der Praterinsel, nach einem romantischen Landschaftsmaler benannt, ist ein ruhiges Naturrefugium geblieben - wohl auch, weil nur ein Weg von der Nordseite der Maximiliansbrücke dorthin führt. Gegen jede weitere Erschließung sprechen sich die Bezirksausschuss-Grünen zum Schutz von Vögeln und anderen Wildtieren aus. Besonders beeinträchtigt würde zudem die Fischtreppe am Ostufer.

Ebenfalls Naturschutzgründe führt BA-Vize Wolfgang Püschel (SPD) gegen das Anliegen der östlichen Nachbarn an, das er überdies als "mild gesagt, übergriffig" empfindet. Es sei guter Brauch unter BA-Kollegen, nicht allzu laut über sensible Themen jenseits der eigenen Grenzen nachzudenken, daher habe man sich aus der Altstadt zum Beispiel auch nicht in die Diskussion ums Maxwerk eingeschaltet. Die grün-rote Mehrheit gegen eine Öffnung der Treppe stünde im Fall eines formalen Beschlusses fest, was nicht heißt, dass er einstimmig ausfiele. Vertreter von FDP und CSU hatten sich schon zuvor offener gezeigt. CSU-Fraktionssprecher Bernhard Wittek fände es, vorerst ohne Rücksprache mit den Kollegen, schon angesichts der Kosten für die Treppe "nicht vernünftig", diese weiter geschlossen zu halten.

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SZ vom 22.02.2021
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