Süddeutsche Zeitung

Haidhausen:Die Zeit des Stillstands geht zu Ende

Jahrelang hat sich auf dem Areal zwischen den Gleisen und der Orleansstraße wenig getan. Doch jetzt hat der Eigentümer für den Abschnitt von der Post bis zum Haidenauplatz einen Architektenwettbewerb ausgelobt

Von Birgit Lotze, Haidhausen

Mittelfristig wird sich am Ostbahnhof einiges verändern, nicht nur wegen der zweiten S-Bahn-Stammstrecke. Seit 2003 wird auch die Entwicklung des langgezogenen Areals zwischen den Gleisen und der Orleansstraße in Richtung Osten betrieben. Noch tut sich nichts auf dem halben Kilometer zwischen der Ostbahnhof-Postfiliale und dem Haidenauplatz. Gebrauchtwarenhändler und Autovermieter hatten sich dort niedergelassen, Autos das Areal lange dominiert. Jetzt ist der städtebauliche Wettbewerb gestartet. Das bedeutet: Ende 2028 - ein Vierteljahrhundert nach den ersten Überlegungen - könnte das Areal entlang der Gleise komplett bebaut sein.

Das Ergebnis des Wettbewerbs werde im Frühjahr nächsten Jahres vorliegen, teilt die GVG Grundstücksverwaltungs- und -verwertungsgesellschaft mit. Eigentümerin des Areals ist die Orleanshöfe GmbH & Co. KG, das Immobilienunternehmen GVG plant in ihrem Auftrag und soll dort bauen und verwalten. Laut den Vorgaben für den Architektenwettbewerb ist von etwa 450 Wohnungen auszugehen. Gedacht ist an sechs- bis achtgeschossige Häuser, wie hoch letztlich, werde aktuell im Wettbewerb geklärt, heißt es bei der GVG. Außerdem sind auf etwa gleicher Quadratmeterzahl Büros in Planung. Am Haidenauplatz soll ein Hotel errichtet werden - eine Idee, die bei Haidhausens Lokalpolitikern auf Kritik stößt.

Die GVG rechnet damit, dass das Bebauungsplanverfahren zweieinhalb Jahre in Anspruch nehmen wird. Erst dann beginnen die konkreten Planungen für die ersten Projekte. Vor dem vierten Quartal des Jahres 2023 wird sich vermutlich also noch nicht viel tun. Geplant sei, das Projekt in Abschnitten zu realisieren - vom Ostbahnhof in Richtung Haidenauplatz. GVG-Geschäftsführer und Projektentwickler Thomas Schmid spricht von einer stufenweisen Realisierung bis 2028.

Im vorderen Bereich an der Orleansstraße 56, direkt neben der markanten Postfiliale, ist allerdings schon alles vorbereitet: Für einen fünfstöckigen Erweiterungsbau, etwa 20 Meter hoch, liegt inzwischen die Baugenehmigung vor. Im nächsten Jahr will die GVG mit dem Bau beginnen. Bis Ende 2021 soll er fertig sein. Im Anschluss an den Altbau soll ein Bürogebäude entstehen. Dort will sich die S-Bahn München einmieten. Die Verwaltung soll einziehen, auch sind Schulungsräume für Lokführer geplant, und eine kleinere Leitstelle soll untergebracht werden.

Wenig hat sich getan bei dem Vorhaben, an der Orleansstraße einen Gedenkort zu errichten. Dort steht heute noch der Zaun, an dem Sophie Scholl im Jahr 1942 Abschied nahm von ihrem Bruder Hans und von Christoph Probst. Der Medizinstudent Jürgen Wittenstein fotografierte die Szene, die Fotos sind laut der Vorsitzenden der Weiße-Rose-Stiftung, Hildegard Kronawitter, ikonografisch für die Weiße Rose geworden. Die GVG hat sich sehr aufgeschlossen für die Einrichtung eines Gedenkorts gezeigt. Doch konkrete Pläne gebe es nach wie vor nicht, heißt es dort. Man bleibe aber dran, auch sei man im Kontakt mit dem Münchner Stadtmuseum und mit Einrichtungen in Ulm, die Interesse an Teilstücken des Zauns bekundet hätten. Das Stadtmuseum soll bereits zugesagt haben, zwei Zaunteile während der Bauzeit bei sich einzulagern - das eine soll zur Präsentation im eigenen Haus bleiben, das zweite einen möglichen Gedenkort an der Orleansstraße schmücken.

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SZ vom 07.12.2019
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