Haidhausen:Die Einsamkeit ist zurück

Haidhausen: Eineinhalb Jahre lang sperrte Imme Alsing den Kiosk auf dem Pariser Platz tagtäglich auf. Seit dem Jahreswechsel bleibt der Stand geschlossen, weil sie ihren Vertrag wegen der Pachtbedingungen nicht verlängerte.

Eineinhalb Jahre lang sperrte Imme Alsing den Kiosk auf dem Pariser Platz tagtäglich auf. Seit dem Jahreswechsel bleibt der Stand geschlossen, weil sie ihren Vertrag wegen der Pachtbedingungen nicht verlängerte.

(Foto: Catherina Hess)

Der Kiosk am Pariser Platz war ein Treffpunkt im Viertel. Seit dem Jahreswechsel steht er leer. Betreiberin Imme Alsing hat aufgegeben, weil sie sich durch den Pachtvertrag benachteiligt sieht

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Der beliebte Kiosk auf dem Pariser Platz steht leer. Imme Alsing hat den Stand die vergangenen eineinhalb Jahre betrieben. Während dieser Zeit hat sich der Kiosk zu einem Treffpunkt für viele Haidhauser entwickelt, die bei ihr den Einkauf mit einem Tratsch verbanden. Damit ist es nun vorbei, weil "die Pachtbedingungen nicht stimmen", sagt Alsing. Zum Jahreswechsel verlängerte sie den Pachtvertrag nicht. Derzeit ist noch kein neuer Kioskbetreiber gefunden. Bis sich das ändert, "wird es wahrscheinlich noch länger dauern", vermutet Verpächter Ferdinand Maresi mit Blick auf das Winterwetter.

Wie sehr Alsing mit dem Pariser Platz verbunden war und verbunden wurde, lässt sich mit einer Anekdote aus dem vergangenen Jahr erzählen. Als der Pariser Platz mit einem blühenden Hochbeet in der Platzmitte aufgehübscht wurde, entstanden schnell Gerüchte, was sich alles noch ändern werde. Besonders die Zukunft der alten Bänke am Platzrand beschäftigte damals einige Haidhauser. Sie kamen zu Alsing an den Kiosk, um sich zu informieren und auszutauschen. Alsing sprach daraufhin mit den Bauarbeitern vor Ort, telefonierte und startete präventiv eine Unterschriftenliste für den Erhalt der Bänke. Die sollten zwar nie ausgetauscht, wohl aber zur Reparatur wegtransportiert werden. Letztlich reparierten Bauarbeiter die Bänke vor Ort. In den vergangenen 18 Monaten haben sich einige solcher kleinen Geschichten um Alsing angesammelt.

Die Entscheidung den Kiosk aufzugeben, ist Alsing daher nicht leicht gefallen. "Nicht bespielte Plätze sehen immer so einsam aus", findet sie, die selbst nur wenige Gehminuten vom Pariser Platz entfernt wohnt. Als selbst der Steuerberater zu ihr gesagt habe, dass der Pachtvertrag nur zu ihren Ungunsten ausgelegt sei, spätestens da habe sie sich zum Aufhören entschlossen. "Die Balance stimmte einfach nicht", sagt sie zu den Pachtbedingungen. Sie verstehe, dass auch der Pächter am Kiosk verdienen müsse, aber so wollte sie nicht weitermachen.

Für die 65-jährige Alsing war der Kiosk ohnehin mehr "ein Projekt", das sie vorwiegend aus Spaß angegangen habe, erzählt sie. Weniger eine dringend benötigte Einkommensquelle. Das sei mit ihrer Rente schon abgesichert, sagt sie. Etwa 70 Stunden habe sie wöchentlich in dem Kiosk gestanden, im Winter ein bisschen weniger, im Sommer ein bisschen mehr. Nur zwei Tage habe sie den Kiosk im vergangenen Jahr nicht geöffnet: am Neujahrstag und am ersten Weihnachtsfeiertag. Auch weil ihr die Arbeit so gefallen habe, sagt sie. Alsing erinnert sich an die "kurzen oder längeren Gespräche" und "die Freundschaften, die entstanden sind und sicher weiter bestehen werden". Eigentlich war das alles "eine runde Sache".

Ferdinand Maresi inseriert den Kiosk inzwischen im Internet. Bei sechs, sieben offenen Tagen in der Woche verspreche der Kiosk einen monatlichen Umsatz von 35 000 bis 47 000 Euro, heißt es da. Dass die Umsätze erst in der Zeit so angewachsen sind, während Alsing den Kiosk betrieb, sagt auch Maresi. "Frau Alsing war sehr fleißig." Dass sie aufhört, habe ihm sehr leid getan. Aber "selbst wenn ich faul bin, macht der Kiosk einen Mindestumsatz von 20 000 Euro", sagt Maresi. Von diesem Umsatz habe er zunächst einen Pachtzins von vier Prozent gefordert, bei seinem letzten Angebot habe er noch ein halbes Prozent abgezogen. "Die Pacht richtet sich nach dem Markt." Er habe sich da an den Stadtwerken und deren Kiosken in den U-Bahnhöfen orientiert. Schließlich müsse er selbst auch noch etwas verdienen, um seine Rente aufzubessern und die Renovierung des Standes zu refinanzieren. Aus der grauen Hütte, in der der Kiosk früher beheimatet war, ist inzwischen ein gläserner Kubus geworden. Zu einer festgeschriebenen Höchstpacht, wie von Alsing bei der Verlängerung des Vertrags gewünscht, sei er deshalb nicht bereit gewesen. "Ich bin nicht das Sozialamt."

Bei den etwa 200 Kiosken, die die Stadtwerke München (SWM) größtenteils in U-Bahnhöfen verpachten, hänge der Pachtzins von vielen Faktoren ab, wie der Lage, Größe, dem Sortiment und Umsatz, teilt die SWM mit. Bei ihnen liege der Pachtzins daher zwischen drei und - bei besonders umsatzstarken Kiosken wie zum Beispiel Backshops - teilweise zehn Prozent.

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