Süddeutsche Zeitung

Haidhausen:Die besten Zutaten zum Einkaufen

Weil die Marktbuden auf dem Wiener Platz marode sind, sollen sie saniert und durch einen Neubau ergänzt werden. Eine provisorische Konstruktion demonstriert bei einem Ortstermin, dass sich all das gut ins Ensemble fügt

Von Patrik Stäbler, Haidhausen

Den Maibaum im Rücken steht Nikolaus Haeusgen auf dem Wiener Platz und guckt zu den zwei Ganserlständen am Eingang - dorthin also, wo am Vormittag eine Schreinerei binnen weniger Stunden ein fast vier Meter hohes Modell aus Holzlatten zusammengeschraubt hat. Im nächsten Moment wandert sein Blick weiter, an der Konstruktion vorbei und die Chorherrstraße hinunter, an deren Ende der Turm der Pfarrkirche St. Johann Baptist in den grauen Himmel ragt. Danach nickt Haeusgen zufrieden und sagt: "Sieht doch ganz gut aus."

Nikolaus Haeusgen gehört dem Bezirksausschuss (BA) Au-Haidhausen an, ist dessen Beauftragter für den Denkmalschutz und wohnt obendrein ums Eck. "Meine Familie kauft ihr ganzes Obst und Gemüse hier", sagt er und zeigt zu einer der Buden am Wiener Platz. Auf Initiative seiner CSU hat der BA im Herbst beantragt, dass vor der Entscheidung über den Neubau eines Marktstands ein Modell in Originalgröße an dessen geplanten Standort errichtet wird. "Wir wollten einen Eindruck von den Dimensionen und den Auswirkungen auf die Sichtachsen bekommen", sagt Haeusgen. Vor allem sei es um den Blick von der Grütznerstraße über den Wiener Platz zur Kirche gegangen. "Man sieht, dass diese Sichtachse gewahrt wird", sagt er nun zufrieden. Allein "ein bisschen hoch" sei das Modell, so Haeusgen. "Vielleicht kann man sich da an den bestehenden Ständen orientieren."

Diese Anregung des BA werde man mitnehmen, versichert Rainer Hofmann vom Architekturbüro Bogevischs, das die Stadt mit der Vorplanung für die Sanierung des Marktes betraut hat. Er ist an diesem Nachmittag ebenso gekommen wie Vertreter des Bau- und Kommunalreferats und Boris Schwartz, Leiter der Markthallen München. Er hatte den BA-Mitgliedern zuvor nicht nur die Hintergründe des Holzlatten-Modells erläutert, sondern ist auch auf den Stand der Sanierungspläne eingegangen. Demnach arbeite man gerade an einer Vorplanung, die Ende des Jahres dem Stadtrat vorgelegt werden soll. Ein Nutzerbedarfsprogramm sei erstellt, sagt Schwartz. "Jetzt werden dann auch die Händler mit eingebunden."

Was sie sich von der Sanierung des Marktes erhoffen? Bei einem Rundgang über den Markt hört man da unterschiedliche Meinungen. Konrad Kopp etwa, der nahe dem Maibaum einen Obst- und Gemüsestand hat, würde "am liebsten alles so lassen, wie's ist", sagt er. "Man könnte einfach nur Haus für Haus durchgehen und schauen, was dort saniert werden muss." Ganz anders klingt das bei Stefan Wehner, der in seinem Stand "Bestes vom Land" Fleisch und Wurst aus regionaler Erzeugung feilbietet. "Ich fänd's am besten, wenn alle Buden abgerissen und originalgetreu wieder aufgebaut werden", sagt er. "Dann hat man was Gescheites, und ich glaube, dass die Bauzeit auch deutlich kürzer wäre."

Einen Abriss samt Neubau - wenngleich alles andere als originalgetreu - sahen auch die Pläne der Stadt vor. Sie stießen jedoch vielerorts in Haidhausen auf Entrüstung, auch im BA. "Ich denke, man hat unterschätzt, was diese Häuschen an Heimatgefühl für viele Menschen bedeuten", sagt Nikolaus Haeusgen. Ein "besonderer Aufreger" sei dabei die Idee eines geschlossenen Rundbaus gewesen - "das war wie eine Allianz-Arena in klein". Im Sommer 2016 sprach Oberbürgermeister Dieter Reiter ein Machtwort und verordnete eine behutsame Sanierung. Sprich: Alle Stände bleiben an Ort und Stelle, werden entkernt, renoviert und erhalten eine neue Ausrüstung samt Technik. Einzig die zwei Ganserlstände sollen abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden, in dem ein Verkaufsstand und eine behindertengerechte Toilette unterkommen.

Die Sanierung des Marktes werde sich über zwei Jahre ziehen, teilt das Kommunalreferat mit. Die Buden kommen also nach und nach an die Reihe; wer gerade betroffen ist, zieht während der Bauzeit in einen von zwei holzverkleideten Containern am Rande des Platzes. Bei der Frage, wann's losgeht mit den Bauarbeiten, bleibt Boris Schwartz vage und spricht von "einigen Jahren". Etwas konkreter ist da das Kommunalreferat. "Ohne Gewähr und in Abhängigkeit zu den Ergebnissen der Vorplanung", heißt es von dort, "könnte in 2023 die Planung abgeschlossen sein und im Anschluss mit der Ausführung begonnen werden."

Wer sich mit den Standlleuten unterhält, der hört einigen Unmut über die Informationspolitik der Stadt. "Uns wurde fast nichts gesagt", klagt Stefan Wehner. Und auch Konrad Kopp betont: "Mit mir hat niemand gesprochen." Genau das werde aber noch passieren, versichert eine Sprecherin des Kommunalreferats. Schließlich habe die Vorplanung für die Sanierung gerade erst begonnen. Grundlage hierfür sei der Stadtratsentscheid für eine Sanierung im Bestand sowie die mit den Händlerinnen und Händlern abgestimmte Bedarfsermittlung, sagt die Sprecherin. "Das zuständige Architekturbüro wird daraus unter erneuter Einbeziehung aller Beteiligten ein Nutzerbedarfsprogramm erstellen."

Nikolaus Haeusgen jedenfalls ist zuversichtlich, dass der Markt seinen Charakter und damit auch seine Rolle für den Stadtteil behalten wird. "Das ist ja auch ein Ort zum Verweilen ohne Konsumzwang", betont er, während im Hintergrund bereits die Zimmerer anrücken, um das Holzlatten-Modell wieder abzubauen. "Der Markt am Wiener Platz", sagt Haeusgen, "ist das Herz von diesem Teil von Haidhausen."

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SZ vom 07.05.2021
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