Haidhausen:Bierbrauer mit Herz

Die Ausstellung "Die Schüleins" zeichnet die Geschichte einer Münchner Familie nach, der einst Unionsbräu und Löwenbräu gehörten, bis sie von den Nationalsozialisten enteignet und vertrieben wurden

Von Margarethe Gallersdörfer, Haidhausen

Wenn die Geschichten über sie stimmen, lag bei den Schüleins vor allem eins in der Familie: menschliche Größe. Anders ist die Wohltätigkeit Josef Schüleins nicht zu erklären, der 1873 nach München kam und dort aus dem Nichts eine Aktienbrauerei aufbaute, die zur größten Bayerns werden sollte. Anders ist auch der Umstand nicht zu erklären, dass sein Sohn Hermann Schülein nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur auf die Rückgabe enteigneter Grundstücke verzichtete, sondern auch noch Care-Pakete in die alte Heimat schickte und sich finanziell am Wiederaufbau der zerbombten Stadt beteiligte.

Die Schüleins waren Münchner, Bierbrauer, Juden und große Menschenfreunde - jetzt wird ihnen im "Einstein Kultur" an der Einsteinstraße 42 in den ehemaligen Gewölben ihrer "Unionsbrauerei" eine Ausstellung gewidmet. Zu sehen sind Fotos aus den Zwanzigerjahren, Abbildungen von alten Firmenwappen und ein Gemälde des Brauereigründers Schülein, flankiert von Tafeln, auf denen die Geschichte der Familie nachgezeichnet und Anekdoten aus ihrer Zeit erzählt werden.

Haidhausen: Transportfahrzeuge im Hof der Unionsbrauerei zwischen der Kirchenstraße und der heutigen Einsteinstraße um 1922.

Transportfahrzeuge im Hof der Unionsbrauerei zwischen der Kirchenstraße und der heutigen Einsteinstraße um 1922.

(Foto: Haidhausen-Museum)

Kuratiert hat die Exponate der Künstler und Heimatforscher Hermann Wilhelm. Seit 37 Jahren leitet er das Haidhausen-Museum, ein Museum für die Geschichte des Stadtteils, nur eine Straße weiter. Früher, erzählt er, seien vor allem ältere Haidhauser in das Museum gekommen, um ihre eigene Geschichte Revue passieren zu lassen. Inzwischen kämen aber auch die jüngeren Leute. "Die schauen, wo sie wohnen", sagt Wilhelm, der selbst echter Haidhauser ist.

Schauen, wo er wohnt: Das war auch Wilhelms Antrieb für die Ausstellung über die Schüleins. Als Kind kletterte er mit Freunden in den Ruinen der Unionsbrauerei herum und ging im Winter im Herbergsviertel "In der Grube" gegenüber, wo heute das Klinikum rechts der Isar steht, Schlitten fahren. Heute ist er beteiligt an dem "Kino im Museum" im "Einstein Kultur", das 2012 unter neuer Leitung eröffnet wurde, und beschloss deshalb, sich der Geschichte des Hauses zu widmen. Mit dieser untrennbar verbunden: die Schüleins.

Haidhausen: Menschenfreund und begabter Geschäftsmann: Josef Schülein, porträtiert von Leo Samberger.

Menschenfreund und begabter Geschäftsmann: Josef Schülein, porträtiert von Leo Samberger.

(Foto: Münchner Stadtmuseum)

Die Ausstellung widmet sich auch der Sanierung Haidhausens ab Mitte der Siebzigerjahre und der Entstehung des "Kulturzentrums Einstein" auf dem zerbombten Brauereigelände. Doch schon die Geschichte Josef Schüleins ist faszinierend genug: 1873 als geschäftstüchtiger 19-Jähriger nach München gekommen, stieg Schülein in den Hopfenhandel ein und wurde schnell zu einem wichtigen Mitglied des Münchner Wirtschaftslebens. 1885 kaufte er mit zwei anderen Teilhabern ein heruntergekommenes Brauereigelände an der Äußeren Wiener Straße, der heutigen Einsteinstraße, und eröffnete die erfolgreiche "Unionsbrauerei Schülein und Companie", die 1903 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.

Die Schüleins waren, soweit es überliefert ist, in Haidhausen überaus beliebt: Josef Schülein soll jeden Morgen vor der Unionsbrauerei von einer Horde Kinder empfangen worden sein, denen er Geld für Süßigkeiten schenkte; seine Frau Ida eröffnete während des Ersten Weltkriegs eine Volksküche für die hungernde Bevölkerung des Münchner Ostens. Nach dem Ersten Weltkrieg vergrößerte sich Schüleins Unternehmensgeflecht, das zuvor bereits die Münchener Kindl-Brauerei geschluckt hatte, noch einmal beträchtlich, als es 1921 mit dem heruntergewirtschafteten Löwenbräu fusionierte. Josef Schüleins Sohn, Hermann Schülein, wurde 1924 Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender von Löwenbräu - und verlor alles, als die Nazis an die Macht kamen. Zum Rücktritt gezwungen wanderte er 1936 über die Schweiz in die USA aus und wurde 1941 und 1943 sukzessive enteignet. Zurück kam er nicht mehr, doch seine Liebe zu München konnten die Nazis nicht ersticken. 1964 dichtete Hermann Schülein in New York: "Wie man der Mutter stets verzeiht, verzeih' der Mutterstadt ich heut'."

Die Ausstellung "Die Schüleins. Aufstieg, Enteignung, Flucht" wird am Donnerstag, 17. September, um 19 Uhr eröffnet und kann bis Sonntag, 11. Oktober, immer donnerstags bis sonntags von 16 bis 20 Uhr im "Einstein Kultur" an der Einsteinstraße 42 besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.

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